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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Rentner August Schmidt in Wolgast, geb. 11. Februar 1795.
Tischlermeister Johann Christian Kaufmann in Rettgenstedt,       Rentner Gottlieb Nölte in Neuholland,
  geb. 4. Januar 1794.   geb. 10. August 1796.
Wirklicher Geheimer Rat Prof. Dr. Franz Neumann       Lieutenant a. D. Johann Leopold von Baehr in Ragnit,
in Königsberg i. P., geb. 11. September 1798.   geb. 6. März 1793.  
Die letzten Kämpfer von 1813/15.

So wäre ich denn zum Abschlusse dieser Lebensbilder gekommen. Ist es nicht wie ein Märchen, wenn man heute, in der Aera fin de siècle, wie sie drüben an der Seine sagen, von Männern liest, lebenden Menschen, die den Kaiser Napoleon bei Tilsit gesehen, die bei Leipzig die Thore gestürmt, bei Waterloo mit der alten Garde gefochten haben? Freilich haben neuere Ereignisse die Erinnerung an jene Zeiten in den Hintergrund gedrängt. Das denkwürdige Jahr 48, der Dänenkrieg von 64, Königgrätz, Metz und Sedan haben das ihrige gethan, um die Alten von 1813/15 in Schatten zu stellen. Und auch nach diesen letztgenannten Ereignissen ist schon wieder ein Viertelhundert an äußeren Begebenheiten verhältnismäßig armer Jahre ins Land gegangen. Es darf leider nicht verhehlt werden, daß in mancher Beziehung heute ein kleinlicherer Geist die Welt durchweht, als jener war, der die Kämpfer von 1813 beseelte. Ein gewisser Mangel an Begeisterungsfähigkeit macht sich in unserer ausgesprochen materiellen Zeitrichtung leider auch bei der Jugend bemerkbar. Gerade die Begeisterungsfähigkeit war die große Tugend jener so anderen Epoche. Der glühende Enthusiasmus auf der einen Seite, die bewunderungswürdige soldatische Hingebung auf der andern, hier Blücher, der 70jährige Heldengreis, und Gneisenau, der Mann des ernsten Rates, der „finstere York“ und der „schneidige Kleist“, wie sie unser schwäbischer Dichter Gerok genannt hat, dort ein Ney, ein Davout und die sphinxartige Cäsarengestalt mit dem marmorkalten Imperatorengesichte – in der That, nur die Makedonier Alexanders oder die Veteranen eines Hannibal und seines römischen Gegners Scipio, nur die Alten von der zehnten Legion des großen Juliers oder die Männer, welche unter Gustav Adolf oder dem schweigsamen Friedländer bei Lützen gefochten, oder jene, die unter dem Alten Fritz im Feuer von Leuthen und Torgau gestanden, können annähernd ähnliche Tage erlebt haben. So wollen wir sie denn hegen und pflegen und ehren, die letzten Braven von 1813, auf daß an dem jüngeren Geschlechte das Wort des Dichters in Erfüllung gehen möge: „Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt.“

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Im Augenblick der Drucklegung dieses Artikels erfahren wir, daß sich ein sechster Veteran aus den Freiheitskriegen gefunden habe, Herr Johann Erdmann Traugott Carl, welcher, nach den Angaben von Leipziger Blättern am 16. September 1797 zu Zeulenroda geboren, nunmehr im 98. Lebensjahre stünde. Wir behalten uns vor, das Bild auch dieses Veteranen und nähere Mitteilungen über ihn, soweit solche erhältlich, unseren Lesern in einer der folgenden Nummern der „Gartenlaube“ darzubieten. Die Redaktion.     


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_157.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)