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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Was wüßten die Mauern und die Hallen zu erzählen, wenn sie zu sprechen vermöchten, von dem Prunk und der Pracht des Hofhaltes der „reichen“ Herzöge, von den ungeheuern Reichtümern, die ihrer Hut anvertraut waren! Als Herzog Georgs des Reichen Eidam den Schatz seines Schwiegervaters nach Neuburg a.D. wegführte, waren dazu 70 sechsspännige Wagen nötig! Aber auch die Klagen unsagbaren Kummers und Herzeleids verhallten in diesen Gemächern: unglückliche Frauen trauerten über das Weh ihrer Ehe. Amalie von Sachsen, die Gemahlin Ludwigs des Reichen, und Hedwig von Polen, die Gemahlin Georgs des Reichen, von deren über die Maßen glänzender Hochzeit einst die Welt als von einem vordem nie erlebten Schauspiel gesprochen hatte, beide von den Gatten verbannt und gemieden. Auch manchen berühmten Gefangenen beherbergte die Burg; den unruhigen Herzog Ludwig den Gebarteten von Ingolstadt, der hier in Acht und Bann das Zeitliche segnete (1447), den berühmten Kanzler Georgs des Reichen, Wolfgang Grafen zu Neukolberg, und den in der Nördlinger Schlacht in Gefangenschaft geratenen schwedischen Feldmarschall Horn, diesen acht Jahre hindurch in ritterlicher Haft.

Vor Alt-Oetting.

Kriegslärm umtobte oft die Türme. Im Landshuter Erbfolgekriege (1504) diente Burghausen den Pfälzern als Stützpunkt für ihre Verheerungszüge nach Oberbayern, 1611 sammelte Herzog Maximilian hier seine Scharen zum Zuge gegen Salzburg; viel Blut floß um die festen Wehren, so oft Bayern und Oesterreich im Kampfe lagen. Im spanischen Erbfolgekriege erstürmte der Anführer der niederbayerischen Bauern, der Student Plinganser, 1705 die von den Kaiserlichen besetzte Stadt und Burg, während des Oesterreichischen Erbfolgekrieges waren sie im Wechsel in den Händen der Bayern und der Oesterreicher und wurden drei mal vom bayerischen General Prinzen von Hildburghausen erstürmt, wobei ein Bürger von Burghausen, der tapfere Kaminkehrer Cura, sich besonders hervorthat. Die französischen Kriege um die Wende unsres Jahrhunderts führten viel Kriegsvolk an die Ufer der Salzach; 1809 ging der Rückzug der bei Landshut und Eggmühl geworfenen Oesterreicher über Burghausen. Napoleon folgte ihnen auf dem Fuße und hatte ursprünglich hier die Anlage großer Verschanzungen im Auge. Noch trägt seinen Namen der Napoleonshügel, von welchem aus er dem Uebergang seiner Truppen über den Fluß zusah.

Seit dem Uebergang Burghausens (1505) an die Herzöge von Oberbayern wohnten nur noch die jungen Prinzen Ludwig und Ernst längere Zeit (1512) auf der Burg, wo man noch heute die Behausung ihres Lehrers, des berühmten Geschichtschreibers Aventin, zeigt. Dann nahmen die herzoglichen Hauptmänner und Viztume hier ihren Sitz, aber stiller und stiller wurde es in der Stadt, namentlich als sie durch die Abtretung des Inn- und Hausruckviertels an Oesterreich (1779) ihr Hinterland und im Anfang unsres Jahrhunderts die 300 Jahre hier bestandene Regierung, dazu vor wenigen Jahren noch die altgewohnte Garnison verlor. So ist ihr, der Perle des bayerischen Salzachthales, von der alten Herrlichkeit nichts geblieben als die romantische Lage und die malerischen, mit dem Edelrost des Alters und der Geschichte geschmückten Gebäude.

Noch eine Meile unterhalb Burghausen begleiten steile Felswände den Fluß, dann senken sie sich und durch buschige Auen strömt die Salzach dem brausenden Inn entgegen. Wir wandern von der Burg aus gen Nordwesten über den wie ein Wall aus der Hochebene aufragenden Höhenberg mit der „Kümmernißkapelle“, eine der Endmoränen des Salzachgletschers. Von da aus eröffnet sich noch einmal eine wunderbare Rundsicht. Nach Norden schweift der Blick über unabsehbare dunkle Nadelwaldungen, über welche die Kuppen des Bayerischen und Böhmerwaldes emporragen, gegen Osten blitzen aus dem gesegneten Innthal zahlreiche Kirchtürme entgegen und starren die kahlen, jäh abfallenden vielfach zerklüfteten Uferwände der Salzach, hinter denen die Massen des Weilharter Forstes in ungemessene Ferne sich dehnen; im Süden aber erheben sich gleich einer riesigen Mauer vom Traunstein in Oberösterreich bis zur Zugspitze die Wände, Grate und Hörner der Alpen, beherrscht von dem schimmernden Eisstrom der „übergossenen Alp“ und den in die Wolken ragenden Häuptern des Großglockner und des Venediger. Nur zögernd wenden wir uns, über die grüne Alz und durch den dunklen Tann wandern wir fort. Da lichtet sich der Wald und auf grüner Fluroase liegt im Sonnenglanz das weihrauchumduftete Alt-Oetting vor uns, die uralte Kaiserpfalz der Karolinger und das „Loretto“ des bayerischen Landes. Von fernher schallt der Klang der Glocken und über den Feldern wehen die bunten Fahnen der Wallfahrtszüge, denn Hunderttausende frommer Pilger – selbst von der ungarischen Grenze her – wallen alljährlich an die Gnadenstätte, wo in einer aus dem 12. Jahrhunderte stammenden romanischen Kapelle ein byzantinisches, schwarzes Madonnenbildnis aus Holz mit dem Jesuskind auf dem Arme die höchste Verehrung der Gläubigen genießt. Die Sage meldet, daß hier in grauer Zeit ein Heidentempel gestanden; die alte Kultstätte hat die christliche Kirche übernommen und sie der Gottesmutter geweiht, welche die Herrscher von Bayern zur Patronin des Landes erkoren haben. Darum ist es auch ein frommer Brauch, daß die Herzen der bayerischen Landesfürsten hier in silbernen Gefäßen beigesetzt werden.


Vor der Berufswahl.

Warnungen und Ratschläge für unsere Großen.
Die deutsche Lehrerin im Ausland.

Wenn meine Nichte im Examen durchfällt, schicke ich sie nach England,“ sagte vor zwei Jahren meine Tischnachbarin im Hotel in Friedrichroda zu mir. „Dann lassen Sie sie gut kochen lernen,“ erwiderte ich, „sie kann, wenn sie sich erst mit der englischen Küche vertraut gemacht hat, mehr verdienen als manche Lehrerin, die nicht im Examen durchgefallen ist, der es aber an fremdsprachlichen Kenntnissen und Musik fehlt.“

Etwas von oben herab wurde ich von der Dame belehrt, daß es sich um die Nichte einer Dame von Stellung handle, welcher der Deutsche Lehrerinnenverein in London schon eine gute Stelle verschaffen würde, wenn der Herr Direktor selber darum schriebe. Meine bescheidene Bemerkung, daß genannter Verein sich durch die Empfehlung einer ungenügenden Kraft doch wohl nicht würde schaden dürfen, würdigte die Frau Direktorin keiner Antwort, sie wußte ja nicht, daß der Zufall sie gerade neben ein Vorstandsmitglied des Vereins gesetzt hatte. Meine damalige Tischnachbarin ist aber die einzige nicht, die da meint, für das Ausland seien alle die längst gut genug, die in Deutschland nicht vorwärts kommen, und doch stellt kaum eine andere Nation der Erde größere Ansprüche an die Lehrerin als gerade die englische. Dazu kommt, daß die Konkurrenz durch englische Lehrerinnen, denen die Universitätsstudien offen stehen, immer stärker wird

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_197.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)