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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

gleich. Wie bei diesem richtet sich seine Bezahlung nach Angebot und Nachfrage und ist auch in den verschiedenen Hafenstädten verschieden. In nordamerikanischen Häfen betragen die Heuern (immer bei vollständiger Beköstigung) bis zu 45 Dollar den Monat, in Deutschland dagegen nur 50 bis 60 Mark. Gelernte Schiffsköche, Schiffszimmerleute und Segelmacher erhalten 6 bis 10 Mark mehr.

Nach zweijähriger Fahrzeit als Vollmatrose hat der Seemann die Berechtigung, auf seine Kosten die Navigationsschule zu besuchen, sich auf das Steuermannsexamen vorzubereiten. Später macht er die Schifferprüfung für kleine Fahrt, dann für große (überoceanische) Fahrt. Hierzu gehören außer den nautisch-mathematischen und geographischen Kenntnissen auch solche in der Heilkunde, Gesetzeskunde und fremden Sprachen, vor allem Englisch. Der Steuermann erhält etwa 70 bis 90 Mark Heuer den Monat, der Kapitän 1200 bis 1800 Mark jährlich nebst einem nach den in Betracht kommenden Umständen verschieden bemessenen Anteil am Gewinn aus den erzielten Frachten etc. Neben diesen Bezügen an Geld wird allen Seeleuten eine dem Range angemessene Kost geliefert, zu der bei den Offizieren auch Wein und allerlei Delikatessen gehören.

Soll nun die Seefahrt in der Handelsflotte nur zum Uebergang in die Kriegsmarine führen, so ist es von Vorteil, zuvor die Steuermannsprüfung abzulegen, da diese – die nicht zu großen Geldmittel hierzu vorausgesetzt – sich bei einer Fahrzeit vom vierzehnten bis zum einundzwanzigsten Jahre erreichen läßt und zum einjährigen Dienst in der Marine berechtigt, also das spätere Avancement wesentlich fördert. Zu aktiven Seeoffizieren der Kriegsflotte können diese Einjährigen jedoch nicht aufrücken.

Ratsam ist weiter, als Matrose stets auf Segelschiffen zu fahren, da die seemännische Ausbildung auf den Dampfern nur eine sehr unvollkommene ist, was den Segelmatrosen auch dazu veranlaßt, den Kameraden vom „Steamer“ verächtlich als „Dampferknecht“ zu bezeichnen. Etwas anderes ist es hingegen für die jungen Leute, die auf Handels- und Postdampfern im Maschinendienst arbeiten und später zur Kriegsmarine übergehen. Sie sind dann für ihr Fach schon gut eingeübt und erzielen hierdurch Vorteile für die Zukunft.

Trotz der seit Jahren ungünstigen Verhältnisse im Welthandel ist auch unsere Handelsflotte im steten Aufsteigen begriffen. Sie beziffert sich in runden Zahlen auf etwa 3000 Segelschiffe und 1000 Dampfer mit einer Gesamtmannschaft von etwa 45000 Köpfen. Am stärksten ist an diesen Ziffern Hamburg (dem Verkehr nach der vierte Hafen der Erde) beteiligt, das bei einer Vermehrung von zwölf Dampfern im letzten Jahre jetzt mit 640 Schiffen, die einen Gehalt von etwa 700 000 Tonnen haben, die See befährt. An Gelegenheit zur Unterbringung frischer Kräfte fehlt es also auch hier nicht, um so weniger als ein großer Teil der „befahrenen Leute“ später in die Kriegsmarine oder unter fremde Flaggen geht, z. B. zur englischen oder amerikanischen, wo die Gehaltsverhältnisse günstiger liegen und deutsche Seeleute wegen ihrer Diensttüchtigkeit und Nüchternheit sehr beliebt sind. So liederlicher Schiffsdienst, wie ihn die berüchtigte „Crathie“ bei dem unglücklichen Zusammenstoß mit der „Elbe“ bewies, ist bei einer deutschen Mannschaft und auf deutschem Schiffe nicht denkbar. Wir wollen hierbei bemerken, daß die Gefahren des Seelebens – mögen sie auch vielfältig genug sein – doch gemeinhin überschätzt werden. Der Fall der „Elbe“ ist eine beklagenswerte Ausnahme, gleichzustellen mit den Katastrophen, wie sie ja auch zuweilen im Eisenbahnverkehr vorkommen. Der bis ins Ungeheuerliche wachsende Verkehr vermehrt in der Gegenwart allerdings die Gefahren, auf dem Lande sowohl als auf der See, Verbesserung der Schiffe und Rettungsmittel sorgen aber dafür, daß die persönliche Sicherheit der Seeleute auch immer mehr zunimmt, so daß sie oftmals Schiffbruch leiden können, ohne das Leben dabei einbüßen zu müssen. Freilich darf man hierin nicht allen Erzählungen der alten „Fahrensleute“ glauben. Sie haben meistens eine ebenso lebhafte Phantasie wie gewisse Jäger. Immerhin muß vorausgesetzt werden, daß der zur See gehende Knabe die ihm bevorstehenden Gefahren keineswegs fürchtet und daß er selbst Lust und Liebe zu dem schweren Berufe hat. Ihn nur zur See zu schicken aus Erziehungsgründen, weil er am Lande vielleicht dumme Streiche gemacht hat, ist meist vollständig verfehlt, unter gewissen Umständen sogar eine Grausamkeit, die von sehr üblen Folgen begleitet sein kann. Der Knabe, dem es von Natur aus nicht gegeben ist, den Beschwerden und Gefahren des Seelebens zu trotzen, wird sich mit der zu Tage tretenden Zaghaftigkeit die Verachtung und eine Behandlungsweise von seiten der nicht allzu sanft veranlagten Seeleute zuziehen, welcher die Eltern auch einen mißratenen Jungen jedenfalls nicht ausgesetzt sehen wollen, so lange sie noch einen Funken von Liebe für ihn haben. Das Seeleben eines solchen von der Familie Ausgestoßenen führt selten zur Besserung, viel eher aber dazu, daß er in irgend einem fremden Hafen vom Schiffe desertiert und dann so oder so in der Fremde vollends untergeht.

Zum Schluß wollen wir noch einen Blick auf die Offizierscarriere in der Kriegsmarine werfen. Bei der stetigen Vermehrung der Flotte liegen die Avancementsaussichten auch hier verhältnismäßig günstiger als bei der Landarmee. Auch ist der Andrang von jungen Leuten hier nicht sehr groß, da die Anforderungen an dieselben in jeder Hinsicht ziemlich hoch gespannt sind. In der „kaiserlichen Verordnung über die Ergänzung des Seeoffizierkorps“ heißt es unter anderem: Der Äusbildungsgang vom Kadetten zum Seeoffizier vollzieht sich teils auf der Marineschule, teils an Bord von Kadetten- und Seekadetten-Schulschiffen. Die Einstellung als Kadett erfolgt einmal im Jahre, in der Regel im April. Der für den Eintritt als Kadett erforderliche wissenschaftliche Bildungsgrad, einschließlich Französisch und Englisch, ist nachzuweisen: entweder durch Vorlegung eines vollgültigen Abiturientenzeugnisses eines deutschen Gymnasiums oder Realgymnasiums (bei einem Alter bis zu 19 Jahren), oder durch Beibringung des Zeugnisses der Reife für die Prima einer solchen Lehranstalt und gleichzeitiges Ablegen der Kadetten-Eintrittsprüfung, oder durch Vorlage eines Zeugnisses über die bestandene Portepeefähnrichsprüfung der Armee (in beiden letzteren Fällen bis zu einem Alter von 18 Jahren).

Gleichzeitig mit der Anmeldung zur Einstellung als Kadett haben sich die Angehörigen zur Hergabe der für die Laufbahn erforderlichen Geldmittel zu verpflichten. Dieselben betragen für das erste Jahr 1770 Mark, das zweite Jahr 1220 Mark, das dritte Jahr 1620 Mark, mithin bis zur Beförderung zum Offizier etwa 4600 Mark. Nach erfolgter Beförderung zum Offizier ist für mindestens 10 Jahre eine jährliche Zulage von 600 Mark erforderlich, so daß für die Carriere im ganzen etwa 11000 Mark aufgewendet werden müssen, wofür der junge Mann freilich in allen Chargen finanziell besser gestellt wird als der Kamerad in der Landarmee – durch Tafelgelder, Kriegszulage bei Seefahrten und höhere Pensionsberechnung. Und schließlich hat er auch die Aussicht, einstmals die Admiralsflagge zu führen. Max Lay.     



Blätter und Blüten.



Bismarcks Geburtstagsfeier in Friedrichsruh. (Zu dem Bilde S. 272 und 273.) Als eine großartige Kundgebung des deutschen Einheitsgedankens ist die Feier von Bismarcks achtzigstem Geburtstag allüberall im Reiche wie im Ausland erlebt worden. Am umfassendsten und begeisterungsvollsten gelangte aber wohl der patriotische Charakter der Feier und ihr Zusammenhang mit Vergangenheit und Zukunft unserer nationalen Entwicklung am Geburtstage selber vor dem Gefeierten und durch ihn selber zum Ausdruck. Da richtete erst das Erscheinen der Rektoren sämtlicher Universitäten des Deutschen Reiches und ihre Begrüßung das Auge der Erinnerung zurück auf die Zeit, in welcher die deutschen Universitäten unter schwerer Bedrängnis das Ideal des deutschen Staates hegten und pflegten, dem dann Bismarcks thatenkühne Staatskunst unter gewaltigen Kämpfen Gestalt und Körper verliehen hat. Und der Sprecher dieser erlesenen Vertreterschaft deutschen Geisteslebens und deutscher Kultur, der Rektor der Universität Berlin, Professor Pfleiderer, knüpfte an diesen Rückblick das Gelöbnis für die Zukunft, die deutschen Universitäten würden auch fernerhin es als ihre hohe Aufgabe betrachten, den idealen Gedanken unserer nationalen Einheit rein und unentweiht durch den Kampf der Meinungen und der Interessen in den Herzen der deutschen Jugend zu erhalten. Der feierlichen Anrede entsprach dann die frohe Zuversicht, mit welcher Fürst Bismarck in seiner Erwiderung seine Hoffnung auf eine gedeihliche Weiterentwicklung des Reichs auf der gegebenen festen Grundlage äußerte. Gleichsam als eine Gewährleistung dieser Zuversicht aber erschien nunmehr die deutsche akademische Jugend selber, die „Hoffnung unserer Zukunft“, auf dem Plane.

Zu Tausenden hatten sie sich zusammengethan. Alle deutschen Universitäten und Hochschulen, alle Arten studentischer Verbindung und Vereinigung hatten ihre Vertreter gesandt; was den Korpsstudenten von dem Burschenschafter, was diesen von dem Nichtfarbenstudenten scheidet, war vergessen, zurückgetreten vor diesem Unternehmen der nationalen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_275.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2023)