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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Sorgen, ihr stilles Hoffen und ihre Zärtlichkeit zugewendet, ihn umgeben mit ihren geheimsten Träumen, ihn geliebt, wie ihr treues warmes Herz lieben muß. Und erst so spät mußte das alles vor ihm stehen, aufleuchtend in einem Augenblick und in kurzem grellen Erglühen wie ein fallender Stern vor seinen geblendeten Blicken niederziehen; – erst damals, da ihre Wege sich schieden. –

Trocken und heiß verlief der Sommer.

In wolkenlosem Blau spannte sich der Septemberhimmel über Wald und Heide. Nur auf den fernen Höhenrücken lag ein dünner, silberweißer Schleier. Das dürre Gras am Heidesaum dunstete vor Hitze, und am Waldrand leuchteten die roten Stämme der Föhren, als ob sie glühend geworden wären in den heißen Sonnenstrahlen. Vom Waldboden strömte eine schwere, harzgetränkte Luft auf wie ein warmer Hauch, in den die regungslosen Zweige ihren duftenden Schweiß hinuntertropften.

Der Jäger lag an Grase an einer einsamen Stelle, wohin nur ein wohlvertrauter Fuß durch die Farne und das Heidekraut den Weg fand.

Aus dem Ried erhoben sich die Kiebitze und schrieen und zankten in der Sonnenluft. Abseits, an einem Stamme, hämmerte ein Specht. Durch das Schilf blitzte der kleine Wasserspiegel des Weihers regungslos.

Und wie er es von Kind auf so gern gethan, musterte Hubert die nächsten Gegenstände, die braunen Halme, um welche die Mücken tanzten; die feinen Moosballen, die sich dazwischen durchzogen. Gerade über seinem Kopfe, als wenn er gar nicht da wäre, schlug eine Spinne in geschäftiger Eile ihren Faden zwischen zwei Berberitzenzweigen. Ein paar kleine Heuschrecken stelzten sorglos umher, rieben die Beine aneinander und erregten ihr schwirrendes, scharf klingendes Sonnenlied. Und rings umher gab es Antwort, daß die Luft zu zittern schien von der Tausendfältigkeit des Geräusches.

Dann sah Hubert wieder sinnend in das weißliche Blau über den Baumkronen hinauf.

Und plötzlich drückte ihn diese luftlose Stille. Er sprang auf, so daß er die fleißige Arbeit der Spinne zerriß und die kleinen Schreier am Boden erschrocken durch das heiße Gras wegschnellten.

Unwillig, als ob der stille Sonnenschein auf dem verlassenen Fleck ein Unheil brüte, warf er die Büchse über die Achsel und schlug sich durch die knackenden Büsche.

(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüten



Spargelgrün. Die meisten Liebhaber des Spargels kümmern sich wenig um die Pflanze, die uns die saftigen Stangen liefert, und doch ist dieselbe in mancher Hinsicht interessant und eigenartig. Ist nicht das Spargellaub wunderbar gestaltet? So fein und zierlich, daß es den duftigsten Schmuck eines Blumenstraußes abzugeben vermag! Und dieses Spargellaub ist der eigentliche Schöpfer der „Stangen“, die wir genießen. Während des Sommers schießt es hoch und buschig empor, arbeitet im Sonnenlicht, erzeugt eine Fülle Materials, auch das dem Spargel seinen Wohlgeschmack verleihende Asparagin, und die Pflanze führt das Ergebnis dieser unermüdlichen Arbeit seines Laubes zu dem weitverzweigte kriechenden Wurzelstocke und nährt mit ihm im nächsten Frühling die schönen Spargelsprossen.

Das Spargelgrün arbeitet just wie alle anderen Pflanzenblätter, aber das zierliche Gebilde ist kein Blatt. Die Blätter des Spargels sehen ganz anders aus. Die kleinen rötlichen Schuppen an den eßbaren Stangen sind die einzigen wahren Blätter, welche die Pflanze hervorbringt, und die vielfach verästelten grünen Fäden des zierlichen Laubwerkes sind lauter Blütenstiele. Nur einige wenige von ihnen tragen kleine gelblichgrüne Glockenblumen, aus denen später die glänzend roten Beeren hervorgehen, die meisten sind fehlgeschlagen – bleiben nur Blütenstiele, die aber durchaus nicht zwecklos sind, sondern die Stelle der Blätter vertreten und wie diese arbeiten. Was hat wohl den Spargel veranlaßt, solche Launen zu entfalten? Forschen wir ein wenig in seiner Entwicklungsgeschichte, die weiter als die geschriebene Geschichte der Menschheit zurückreicht. Dieses Küchengewächs gehört zu der lieblichen und poetisch verklärten Gruppe der Lilienpflanzen und hatte wohl früher gleich diesen lange, dünne und saftige Blätter. Der Boden, auf dem es wuchs, und der Himmel, unter dem es blühte, veränderten sich mit der Zeit. Die Regen in jener Gegend wurden seltener und der sumpfige Grund verwandelte sich in trockenen Boden. Da rangen die Lilienpflanzen gegen diese Unbill der Natur und die meisten von ihnen gingen ein; eine aber wußte sich dem trockenen Standort, auf dem sie nunmehr angewiesen war, anzupassen. Sie warf ihre Blätter ab und erzeugte dafür eine Menge grüner Zweige und harter Blätterstiele, welche der Dürre besser trotzen konnten. Sie behauptete sich durch diese Aenderung, aber die Lilie hatte sich in den Spargel verwandelt. Fremdartig steht der Spargel unter den anderen grünen Pflanzen unserer Flora, auf unserem heimischen Boden das seltene Beispiel einer blattlosen Pflanze, deren Zweige die Arbeit der Blätter übernommen haben und dem unkundigen Blicke als Spargellaub, als wunderbar gefiedertes Blatt erscheinen. *     

Die deutsche Volksdichterin Katharina Koch, auf welche die „Gartenlaube“ wiederholt aufmerksam gemacht und deren Charakterbild Professor K. Weiß-Schrattenthal nach ihrem Tode im Jahrgang 1892, Nr. 28, entworfen hat, ist dem deutschen Volke bisher nur in einem Theil ihrer Dichtungen bekannt geworden. Es ist von ihnen nur bis auf vereinzelte zerstreut erschienene Proben die kleine Auswahl erschienen, die vom genannten Schriftsteller vor vielen Jahren herausgegeben wurde. Die Teilnahme, welche diese Auswahl in weiten Kreisen gefunden hat, das Interesse, das sich nach dem Tode der hochbegabten Dichterin kundgab, hat den Herausgeber veranlaßt, eine Gesamtausgabe ihrer Gedichte vorzubereiten, deren Erscheinen nunmehr bevorsteht. Das Buch wird außer den gesamten Gedichten auch die Erinnerungen von Katharina Koch enthalten, die lange Jahre als einfache Magd in ihrem Heimatsort Ortenburg in Niederbayern dahinlebte, bis der Erfolg jener Veröffentlichung ihr Los etwas besser gestaltete. Der Reinertrag des Buches ist bestimmt, für einen Denkstein verwendet zu werden, der in Ortenburg in der Nähe des Grafenschlosses errichtet werden soll. Kleinere Beiträge zu einem solchen hat Professor Weiß-Schrattenthal bereits nach ihrem Tode erhalten. Das Buch wird in nächster Zeit im Selbstverlage des Genannten (Preßburg, Kisfaludygasse 22) erscheinen.

Das schnellste Schiff der Welt. Wenn bisher unter den Schiffen die Torpedoboote die Palme der Schnelligkeit hielten und darin selbst den gefeiertsten Passagierschnelldampfern der Weltmeere um 20 bis 25% vorausblieben, so hat neuerdings eine andere Klasse von Fahrzeugen den kleinen Meerespiraten den Rang abgelaufen, nämlich die sog. Torpedobootjäger, deren jüngster im letzten Jahre die Werft von Thornycroft u. Komp. in Chiswick verlassen hat. Wie lange dieser bei etwa 250 Tonnen Gehalt rund 56 m messende Dampfer den Ruhm des schnellsten Schiffes behalten wird, kann man angesichts der schnellen Fortschritte auf dem Gebiete des Schiffsbaues nicht wissen, aber vorläufig ist er mit seiner auf den ersten drei Fahrten erzielten Durchschnittsgeschwindigkeit von 28,6 Knoten – zeitweilig bis 29,27 Knoten – in dieser Hinsicht die bedeutendste Leistung der Schiffsbaukunst. Zum Vergleich möge dienen, daß die schnellsten Passagierdampfer der nordamerikanischen Route um mehr als 6 Knoten hinter dem „Daring“, so heißt der neue Torpedojäger, zurückbleiben, und daß letzterer die Oceanfahrt von England nach New York, welche heute noch 5 bis 51/2 Tage dauert, in der That in 4 Tagen 5 Stunden machen könnte, wenn seine geringen Kohlenvorräte das erlaubten. In der That würde die Höchstgeschwindigkeit des „Daring“ und seiner Schwesterschiffe sich nur wenige Stunden, jedenfalls aber nicht für den Zeitraum eines vollen Tages, unterhalten lassen, denn dieser Schnelligkeit steht ein so unverhältnismäßiger Aufwand von Dampfkraft gegenüber, daß das Fahrzeug, selbst wenn es eben völlig mit Kohlen gefüllt wäre, doch schon in 10 bis 15 Stunden die Vorräte verbraucht haben würde. Ueberhaupt ist ja die Frage des Kohlenverbrauches und der kolossalen Maschinen der heikelste Punkt beim Bau geschwinder Dampfer und gern würde man, wenigstens bei den Schnellschiffen der Kriegsmarine, die Dampf- zu Gunsten der elektrischen Maschine ganz verlassen, wenn das bei größeren Schiffen möglich wäre. Aber der „Daring“ z. B. würde, sollte er anstatt durch Dampf durch Elektricität aus mitgeführten Accumulatoren getrieben werden, für seine 4800 Pferdekräfte – selbst wenn diese Höchstleistung nur 2 Stunden andauern sollte – das Vierfache seines Gesamtgewichtes in Accumulatoren mitführen müssen, was natürlich nicht möglich wäre. Wenn auf großen, bereits sehr kostspielig arbeitenden Oceanschnelldampfern etwa 1,5 Pferdekräfte auf jede Tonne Schiffsinhalt kommen, so sind es bei den Torpedobootsjägern, sofern sie mit voller Kraft arbeiten, zehnmal soviel! Auf längeren Reisen laufen daher auch diese Fahrzeuge stets nur mit mäßiger, höchstens 1/5 bis 1/10 ihrer Maschinenkraft erfordernder Schnelligkeit. Bw.     

Ein hoher Schuldner. Wenn es auch heutzutage noch vorkommt, daß fürstliche Herren in Geldverlegenheiten geraten, so nehmen sich solch unangenehme Verhältnisse doch golden aus gegen das finanzielle Elend, unter welchem in vergangenen Jahrhunderten selbst das Oberhaupt des Deutschen Reiches zu leiden hatte. Auch Kaiser Maximilian konnte ein Lied von dem ewigen Geldmangel singen, der so viel Beschämendes und Demütigendes mit sich brachte. So schrieben unterm 27. Mai 1496 die königlichen Räte zu Worms an den „Letzten Ritter“, daß, da er kein Geld gesandt habe, die Speisung seiner Gemahlin und des Hofgesindes stille stehe, nur durch große Mühe und Vorkehrung höchstmöglichen Fleißes hätten sie es dahin gebracht, daß wenigstens die allergnädigste Frau und ihre Jungfrauen noch drei oder vier Tage gespeist werden könnten. Würde jedoch kein Geld kommen, so würde die Speisung ganz aufhören. Der deutschen Kaiserin drohte also der Hungertod infolge Geldmangels! Der freundliche Leser wird fragen, ob denn niemand da war, der der Kaiserin geborgt hätte? Darauf muß man leider antworten, daß eben der Kredit schon so in Anspruch genommen war, daß kein Mensch mehr weiter etwas auf Borg geben wollte. Ein Jahr vorher, als sich

die römische Königin in Mecheln aufhielt, war es ähnlich gegangen; die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_323.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2023)