verschiedene: Die Gartenlaube (1895) | |
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Nr. 24. | 1895. | |
Haus Beetzen.
Die Tage gehen hin, Rothe kommt täglich und täglich. Ditscha erkennt die treue starke Liebe seines Herzens mehr und mehr; es ist eine heiße Leidenschaft mit der ehrfürchtigsten Anbetung verbunden, so ritterlich, so zart und – so leicht verletzlich. Er ist schon verstimmt, wenn der derbe Onkel Ditscha neckend fragt: „Wieviel Küsse waren es heute? Hast Du gezählt? Fällt keiner mehr ab für den alten Onkel?“ Und kann nicht begreifen, daß Ditscha sich nicht beleidigt fühlt dadurch.
„Aber Kurt, der alte Mann ist wie mein Vater!“
„Ich liebe nicht,“ sagt er, „daß über solche Dinge, die mir heilig sind, Witze gemacht werden.“
„Aber Kurt – die Küsse –“
„Sind mir heilige Küsse,“ beharrt er, „wie Du mir heilig bist und unser Verhältnis es ist.“
„Du Idealist, Du lieber!“ sagt sie innig.
„Um Gotteswillen, Ditscha, Du lächelst? Thue es nicht, es berührt mich peinlich – in solchen Dingen verstehe ich keinen Scherz. – Und Du doch auch nicht, nicht wahr, Ditscha?“ fährt
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_389.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)