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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


brachten, für eine einzige Tulpenzwiebel 13000 holl. Gulden zu zahlen, diese tolle Liebhaberei beruhte nur zum geringeren Teil auf öder Geldspekulation, man vergeudete im 17. Jahrhundert in barbarischer Weise, wofür man heute raffinierten, wenn auch ebenso vergänglichen Blumenluxus ersteht.

Im Blumenladen.

Von dem Millionär des Westends, der sich ohne Wintergarten und weite Gewächshäuser ungemütlich in seiner Nabobvilla fühlen würde, bis zu der kleinen Nähterin im Osten, die ihr Blumenbrettchen mit seinem blühenden und duftenden Reichtum so pflegt, daß es eine Lust für jeden ist, der hinaufschaut, sitzt die Liebe zur Blume in allen Herzen. Man muß es wissen, daß die blasse Armut darauf nicht verzichtet, einen Rosenstock, eine Fuchsie, eine „Blattpflanze“ in der dürftigen Stube zu haben, daß die erbärmlichste Spelunke in Berlin etwas Grünes, und sei es eine verkrüppelte Erbsen- oder Bohnenranke, im Scherben aufweisen kann. Man muß zugesehen haben, wie diese unter der Peitsche des Hungers und in übermenschlich harter, harter Arbeit vor der Zeit alt und grau gewordenen Arbeiterfrauen in der Markthalle um einen „Topp“ feilschen, darin irgend eine unglückliche Geranie oder Aster wuchert, wie sie mit zärtlicher Sorgfalt das „Blümken“ pflegen und aufziehen, welch kindliche Freude sie über jeden neuen Knospenansatz, jede sich erschließende Blüte, jedes frisch keimende Blatt empfinden. Wenn der Topf „eingeht“, so verursacht das fast so viel Kummer wie die Krankheit eines der zahlreich um Mutterns Füße herumkrabbelnden „Jöhren“, und ehe man sich entschließt, ihn wegzuwerfen, muß er völlig abgestorben, absolut „trocken“ sein. Die jammervollsten Stümpfe werden monatelang liebevoller noch als ihre blühenden Gefährten begossen und in die Morgensonne gestellt, und wenn sie sich dann doch noch einmal erholen – du lieber Gott, die Freude! Es ist gar nicht abzuschätzen, welchen unermeßlich hohen Wert die Blumen gerade in dieser Zeit der sozialen Gegensätze haben, sie, die beinahe das einzige Mittel sind, ins Herz der Aermsten einen Strahl reiner Lebensfreude zu senden. Diese auf Dachfirsten, an Hoffenstern, die nur im Juli dann und wann ein verlorener Sonnenstrahl bescheint, in Kellerlöchern und neben Schornsteinen angebrachten hängenden Gärten sind zehntausendmal mehr, als ein bloßer grüner Schmuck des steinernen Riesenlabyrinths; sie sind eine nie versiegende, reich fließende Quelle köstlicher Anregungen für das Gemüt der Armen und Bedrängten. Ihre Blumen sind ihr einziger Luxus ...

Hier wird die Blume, schmiegsam und gefällig, mit zum Proletarier, die Königin steigt von ihrem Thron herab und nimmt Knechtsgestalt an, hier entfaltet sie aber auch dafür ihren größten Segen, und hier scheint sie mir ungleich schöner als ihre vornehmen Schwestern in den modischen Blumenläden, in den prunkenden Vorgärten. Was hier Sache des Herzens, Liebe und innige Freundschaft ist, wird anderwärts leicht zur kühlen Höflichkeit, zu eitler Schaustellung oder zur kahlen Industrie. Die junge Braut, der ihr Verlobter zum Geburtstage ein wunderbares Geflecht der teuersten und seltensten exotischen Blüten schickt, mag dem Bräutigam noch so zugethan sein, das bietet ihr sein Geschenk nicht, was dem kleinen Fräulein in der Dachkammer seine heißgeliebte Topfparade Morgen für Morgen spenbet. Nur was uns ganz gehört, was wir selbst erworben oder aufgezogen haben, kann uns ganz glücklich machen. Nächstdem richtet sich der Wert einer Blumenspende nach der Persönlichkeit des Spenders, nach unserer Gesinnung für ihn und erst in letzter Reihe nach ihrer in Geldziffern auszudrückenden Kostbarkeit. Eine vertrocknete Grasnelke, die du plötzlich in irgend einem Gedichtbuche wiederfindest und die dir einen nie vergessenen Sommertag von neuem in blendender Klarheit vor Augen rückt – warum rührt sie dich und macht dich weinen, während du für die duftenden Prachtwerke, die man dir zum heutigen Ehrentage sandte, kaum mit einem flüchtigen Kopfnicken danktest?

Sträußchenverkäuferin.

Der Blumenkultur im Hause, die unseren Lieblingen nur von der Seite des Gemütes näher tritt, steht die industrielle gegenüber, die für den Markt arbeitet und in ihnen oft nur ein „Geschäft“ sieht wie in anderen Handelsartikeln. Ueber die zum Teil sehr großen Handelsgärtnereien Deutschlands und besonders seiner bedeutenderen Städte ist oft und viel geschrieben worden; wem es einmal vergönnt war, die gewaltigen

Ländereien einer hervorragenden Erfurter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_417.jpg&oldid=- (Version vom 26.10.2019)