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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Beim Brothändler.

Gegenüber meinem Stammsitze ist ein Barbier. Er macht wie alle anderen Leute in Dschedda jetzt glänzende Geschäfte und vermag der Nachfrage nicht zu genügen. In langer Zeile sitzt die Kundschaft vor der Bude auf der Straße und wartet geduldig stundenlang, bis die Reihe an sie kommt. Der Nachbar Kaffeewirt reicht Wasserpfeifen, Scherbet und Kaffee dazu. Der Meister drin in der Bude schert drauf los, so gut er kann. Er hat keinen Gehilfen, nur ein Lehrjunge steht mit einem kleinen runden Handspiegel in Bereitschaft, um ihn, wenn die Prozedur zu Ende ist, dem Geschorenen vorzuhalten, damit dieser seinen Bakschisch darauf lege. Der Figaro ist auch Fußheilkünstler und Zahnarzt. Die ausgezogenen Zähne, darunter viel gesunde, hängen, wie Perlenschnüre an Faden gereiht, am Fenster als Trophäen seiner Kunst.

Es kommen drei Männer, lassen sich an meiner Seite nieder und bestellen Thee, der ihnen in kleinen Gläschen gebracht wird, und Wasserpfeifen. Der eine ist ein persischer Pilger, aus dem Gebiet von Irak, der andere, mit mächtigem Turban, eine Art Grandseigneur von Dschedda; der dritte, ein Tellal, d. h. ein Warenmakler, trägt über dem Arm einen kleinen Teppich. Er hat ihn vom Perser zum Verkauf erhalten und eine Kundschaft dafür gefunden. Der Handel soll nun abgeschlossen werden. Käufer und Verkäufer sitzen ruhig nebeneinander, rauchen ihre Pfeifen und reden von Tagesneuigkeiten, während der Tellal leise bald mit dem einen, bald mit dem andern spricht; er bittet diesen, etwas zuzulegen, jenen beschwört er, etwas nachzulassen, und erhält von beiden ebenso leise eine kurze Antwort. Allmählich werden seine Gebärden lebhaft, seine Bewegungen dramatisch, seine Augen feurig rollend; er wird dringend, als der Abschluß sich etwas lange hinzögert. Er sagt dem Einen: „Ich bitte Dich, lege noch 10 Piaster zu! Beim Leben Deines Hauptes! Wir bekommen sonst nichts!“ Gleich nachher raunt er dem andern ins Ohr: „Nun höre mein letztes Gebot! Um Deines Bartes willen, gieb den Teppich dafür hin, er ist, bei Allah, nicht mehr wert; traue meiner Erfahrung!“ Der Verkäufer willigt endlich ein; da tritt der Tellal schweigend einige Schritte zurück, nimmt seinen Tarbusch samt dem darum gewundenen Tuch vom Kopfe, wischt sich damit den Schweiß von der Stirn, atmet auf und sagt mit feierlicher Stimme: El hamdu lillah! Gott sei Dank! Käufer und Verkäufer scheiden voneinander mit höflichem Gruß, ohne von nun an weiter ein Wort zu verlieren, denn der Tellal besorgt alles weitere.

Eine solche Art, Geschäfte abzuschließen, hat manche Vorzüge in einem Lande, wo man gewohnt ist, immer vorzuschlagen und zu feilschen.

Vom Meidan gehen sternförmig die Bazare aus, meist zwei bis drei Meter breite, überwölbte oder mit Matten bedeckte lange Gänge, die ihr Licht von oben erhalten. Der ganzen Länge nach laufen die Läden der Kleinkrämer, der „Bakals“, Viktualienhändler, Obstverkäufer, Kesselflicker, mit aller Art Waren gefüllt, alles derart ausgekramt und aufgestellt, daß man es mit einem Blicke übersehen kann, gleichsam eine fortwährende Messe. Andere, welche Budenmiete nicht bezahlen können oder nicht bezahlen wollen, Brotverkäufer, Flickschuster, Stiefelputzer, haben ihren Kram daneben am Boden oder irgendwo in einer stilleren Ecke auf einer Matte ausgebreitet.

Obstverkäufer

Die Bazarstände sind durchschnittlich nur vier Schritte breit und ebenso tief, der Raum der schmalen Straße dazwischen ist dicht gefüllt von der Menge, welche sich mit Mühe und nicht ohne Gefahr durch- und aneinander hindrängt, denn auch Reiter, beladene Pferde und Kamele kommen durch den Bazar, und ihnen muß das Gewühl der Pilger, Packträger, Handlungsgehilfen, Schreiber, Soldaten, Diener, Wasserträger, Tabakspfeifenvermieter, Weiber, Kinder und Straßenköter Platz machen.

Ein dichter unerträglicher Weihrauchqualm durchzieht den

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_456.jpg&oldid=- (Version vom 26.10.2019)