Seite:Die Gartenlaube (1895) 580.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

0


Blätter und Blüten.


Heinrich v. Sybel †. Wenn wir noch jüngst, in Nr. 3 dieses Jahrganges, von der seltenen Rüstigkeit und Schaffensfreudigkeit des 78jährigen großen Geschichtschreibers Heinrich v. Sybel berichten und Kunde von dem Abschluß des siebenten Bandes seines epochemachenden, bedeutenden Geschichtswerkes über die Gründung des neuen Deutschen Reiches geben konnten, so müssen wir heute schmerzerfüllt den Tod des greisen Gelehrten melden. Am 1. August starb er an einer Lungenlähmung im Hause seines Sohnes, des Professors der Archäologie an der Universität in Marburg, wo er zu Besuch weilte.

In dem Lebensabriß des unvergeßlichen Forschers, dem wir das Bildnis des nunmehr Verewigten beifügten, haben wir seiner Hauptwerke gedacht und seinen Entwickelungsgang in kurzen Zügen geschildert. Ihm verdankt das deutsche Volk vor allem die erwähnte mustergültige Geschichte der Begründung des neuen Reiches, und wenn auch dieses Lebenswerk des Verblichenen nicht abgeschlossen vorliegt, so hofft man doch, daß die Ausgabe des achten, des Schlußbandes, nach den hinterlassenen Aufzeichnungen möglich sein wird. In Heinrich v. Sybel betrauert das Vaterland einen seiner besten Söhne, verliert die deutsche Geschichtschreibung den größten ihrer lebenden Vertreter.

Sedan. (Zu dem Bilde S. 568 und 569.) „Schwer zu verstehen ist,“ sagt Moltke in seiner Geschichte des deutsch-französischen Krieges, „weshalb wir Deutsche den zweiten September feiern, an welchem nichts Denkwürdiges geschah, als was unausbleibliche Folge war des wirklichen Ruhmestages der Armee, des ersten September.“

So unser unvergeßlicher Schlachtendenker, der nach ernstem Wägen zu dem kühnen Wagen schritt: dem Befehl zum Rechtsabmarsch der III. Armee, zur Unterbrechung des Vormarsches auf Paris, als die kaum glaubliche Kunde von Mac Mahons abenteuerlichem Zuge zur Vereinigung mit Bazaines in Metz eingeschlossener „Rhein-Armee“ sich mehr und mehr bestätigte. Nun ging von Süden her die III. Armee, von Osten die Maas-Armee auf Mac Mahon los, die Schlacht von Beaumont am 30. August schaffte völlige Klarheit und durch die meisterhaft geleiteten, rastlosen Märsche der beiden deutschen Heere wurde Mac Mahon gegen die belgische Grenze gedrängt, so daß ihm nichts übrig blieb, als sich bei der kleinen Grenzfestung Sedan zum letzten Kampfe zu stellen, ein verzweifelter Fechter, dessen Streiter sich nur noch schlagen konnten, wo sie standen, unfähig zu marschieren und zu manövrieren. Von allen Seiten wurde das Franzosenheer eingekreist: die Schlacht war gewonnen, schon ehe sie begann, das Schicksal des unglücklichen Heeres und des ratlosen Kaisers in seiner Mitte besiegelt, noch bevor die ersten deutschen Kanonenschüsse den Franzosen das unabwendbar hereinbrechende Verhängnis verkündeten.

Wenn wir dankbar freudigen Herzens den Nationalfesttag, den 2. September feiern, der die Kapitulation der feindlichen Armee zum Abschluß brachte, dann wollen wir auch der genialen Heeresleitung gedenken, die zu jenem Erfolge führte, nicht minder des Heldenmutes der deutschen Streiter, die in den heißen Kämpfen des 1. September mustergültig durchführten, was die Heeresleitung ihnen zugewiesen.

Unser Bild versetzt uns in die späten Nachmittagsstunden des 2. September. Die Donner der Schlacht sind verhallt, Napoleon hat unserm König seinen Degen überreicht, König Wilhelm hat das prophetische Wort gesprochen: „Ich fürchte, dieser welthistorische Sieg bringt uns den Frieden noch nicht!“ und nun ist er von der Höhe von Frénois, wo er dem Kampfe beigewohnt, mit seinen Paladinen aufgebrochen, um beim Ritt über das Schlachtfeld seine wackeren Soldaten zu begrüßen, die freudig Blut und Leben eingesetzt haben und die dem glorreichen Kriegsherrn entgegenjubeln in stürmischer Begeisterung. Bei Donchéry hat er den tapferen Württembergern seinen Gruß entboten, hatte selbst für die in der Schlacht gefangenen Franzosen – auf der Maasinsel Iges – ein freundliches Wort und jetzt erscheint er auf der Höhe bei Floing, wo die Kavalleriedivision Marguerite unter Gallifets Führung sich in tollkühner Attacke auf die siegreich vordringenden Streiter des 11. und 5. Corps gestürzt hatte, aber von dem Feuer der unerschrockenen Infanterie niedergemäht, hinweggefegt wurde. So dicht bedeckt war das Gefilde von toten Reitern und Rossen, daß erst Raum geschafft werden mußte für den König und seine Begleiter, den Kronprinzen, Moltke, Roon und Bismarck. Siegesfroh flattern die Banner dem Kriegsherrn entgegen, hoch schwingt der Offizier den Säbel in der Linken, den wunden rechten Arm in der Binde, und auch die schwer getroffen danieder liegenden Krieger wenden das leuchtende Antlitz dem Heldenkönig zu. Wie umdrängen die Tapferen „Unsern Fritz“, dessen III. Armee heute ihr Meisterstück gemacht hat, das ihrem Führer den Marschallstab einbringen wird, wenn Metz gefallen ist, die von Friedrich Karls Scharen umklammerte Feste.

Und nun vorwärts nach Paris, wo der morsche Kaiserthron zusammenbricht, wo aber mit gewaltigem Krähen der gallische Hahn sich erhebt, nachdem der napoleonische Kaiseradler sich verblutet hat – vorwärts nach Paris!

Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Eichen zu Ivenack. Unser heutiger Gang führt uns in das Heimatland Fritz Reuters. Und zwar ganz in der Nähe von des Dichters Geburtsort Stavenhagen liegt der Park von Schloß Ivenack, dessen prächtigsten Schmuck die Gruppe uralter Eichbäume bildet, zu der wir diesmal wallfahrten. Das Alter dieser Bäume wird von kundiger Seite auf über tausend Jahre geschätzt. Es sind ihrer zehn – die „letzten Zehn vom Regiment“, denn gewiß bilden sie den Restbestand eines ganzen Waldes von gleichem Alter. Die größte der Eichen hat bei einer Höhe von 33½ m einen Umfang, der einen halben Meter vom Erdboden 11,50 m, einen Meter höher noch immer 9,80 m beträgt. Die anderen sind nur wenig kleiner.

Deutschlands merkwürdige Bäume: Die Eichen zu Ivenack.

Eine von ihnen, die kaum sechs Männer zu umspannen vermögen, ist im unteren Stamme hohl, eine größere Anzahl Personen findet Platz in dem Raume. Die Sagen, die sich an die Bäume knüpfen, stehen im Zusammenhang mit der Zeit, da Ivenack noch Nonnenkloster war. Von der stärksten Eiche berichtet eine derselben, sie sei von einer Nonne gepflanzt worden, welche, obwohl sie Braut war, von ihren Angehörigen ins Kloster gebracht worden war. Sie habe ihren Verlobungsring um den zarten Stamm des aufsprossenden Baumes gelegt, seitdem habe derselbe an dem Wachstum desselben teilgenommen und halte den Stamm, wenn auch dem Auge nicht sichtbar, noch heute umschlossen.

Die hinteren Bielenstöcke an der Furkastraße. (Zu dem Bilde S. 577.) So reich und wechselreich auch die Hochalpenscenerie ist, welche sich vor dem Reisenden beim Durchpilgern der Furkastraße entfaltet, so erschließt sich die eigenartige Schönheit des von dem Paß durchzogenen Gotthardmassivs doch erst demjenigen ganz, der auch in die Seitenthäler der Straße ein wenig eindringt. Hier öffnen sich dem erstaunten Blicke neue gewaltige Bergketten, Gletscher und Hochthäler, die man auf der Straße in solcher Nähe nicht ahnt. In einem solchen Seitenthale hat der Maler unseres Bildes die wundersam geformten Felsennadeln aufgenommen, welche die „Hinteren Bielenstöcke“ zubenannt sind. Sie erheben sich in ihrer phantastischen Gestaltung auf einem 2910 m hohen Felsenkamm, welcher das Thal des Siedelngletschers von dem des Tiefengletschers scheidet. Der Abstecher von der Furka, welcher dem Reisenden diesen großartigen Anblick ermöglicht, nimmt hin und zurück kaum zwei Stunden in Anspruch. Daß diese trotzigen Felszacken noch unbestiegen sind, läßt sich leicht vorstellen; die Mühe des Emporkletterns muß auch nur wenig lohnend erscheinen bei der nahen Nachbarschaft eines so aussichtsreichen Hochgipfels wie der Gallenstock, dessen Höhe 3597 m beträgt und der jeden Sommer vielfach bestiegen wird.


Inhalt: [wird hier z. Zt. (noch) nicht transkribiert]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Juius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_580.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2023)