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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Sevillaner Stickerinnen.
Gemälde von E. Gabelsberger.


gegangenen Menschenleben betrug 375. Dr. L. Häpke hat für die Jahre 1889 bis 1892 die Nachrichten über Unglücksfälle auf Kohlenschiffen gesammelt und gefunden, daß in dieser Zeit 7 Kohlenschiffe gänzlich verbrannten, 2 mit brennender Ladung in einen Nothafen einliefen und 8 verschollen blieben. Diese Trauerliste darf aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Auf welche Ursachen sind nun diese Selbstentzündungen der Kohlen, die man auch auf dem festen Lande in größeren Kohlenlagern, in Gasanstalten, Fabriken u. s. w. beobachtet, zurückzuführen?

Schon Justus v. Liebig wies darauf hin, daß der Gehalt der Kohlen an Schwefel und Eisen die Gefahr der Selbstentzündung besonders erhöhe. Manchmal sind die Kohlen von Schwefel- und Wasserkies derart durchsetzt, daß sie wie Messing glänzen. Diese Kiese zersetzen sich nun an der Luft, indem der Schwefel sich mit dem Sauerstoff verbindet und der Kies in schwefelsaures Eisen umgewandelt wird, wobei Wärme entwickelt wird. Dieser Vorgang wird beschleunigt, wenn die Kohlen feucht geworden sind oder wenn die Kohle zu klein zerfallen ist. In der That lehrt die Erfahrung, daß die meisten Selbstentzündungen auf Kohlenschiffen in der feuchtwarmen Luft der Tropen vorkommen. Anderseits erklärt sich das Häufen der Schiffsbrände in der Gegend vom Kap Horn dadurch, daß die Schiffe gegen widrige Winde kämpfen müssen, wobei die Kohle in der Ladung zerkleinert wird und geringere oder größere Mengen Wasser in den Laderaum dringen.

Die Kiese sind aber nicht die alleinige Ursache der Selbstentzündung; Dr. Otto Volger sucht dieselbe in der porösen Beschaffenheit der Kohle, wodurch die Luft in ihr verdichtet wird und eine Erhitzung zu stande kommt.

In England und Deutschland wurden von seiten der Behörden die eingehendsten Untersuchungen über diese Selbstentzündungen angestellt und verschiedene Vorschriften erlassen, die nur für den Fachmann von Interesse sind; aber man kann leider nicht sagen, daß infolge dieser Bemühungen die Zahl der Schiffsbrände dieser Art abgenommen hätte. Besser ist dagegen der Erfolg in der Bekämpfung der Gasexplosionen auf Kohlenschiffen.

Jede Kohle ist mehr oder weniger mit brennbaren Gasen, namentlich mit dem sogenannten Grubengas, gesättigt. Dieses Gas entweicht durch Risse und Spalten aus der Kohle; mischt es sich mit 8 bis 10 Teilen Luft, so entsteht ein höchst gefährliches Gemenge, das, durch einen Funken oder Licht entzündet, eine furchtbare Explosion verursacht. Beim Verladen und während der Seefahrt wird die Kohle zerkleinert und das Gas kann nun leichter aus den frischen Rissen und Spalten entweichen. Es sammelt sich im Laderaum an und kann auf dem Schiffe ebenso wie in Bergwerken eine Explosion herbeiführen. Diese Explosionen sind bald geringfügig, bald aber so gewaltig, daß das Schiff starke Beschädigungen erleidet und Menschen verwundet oder getötet werden. Das deutsche Reichsamt des Innern hat vor einiger Zeit eine Schrift herausgegeben, in welcher Mittel zur Verhütung der Gasexplosionen angegeben sind. Laut derselben darf das Kohlenlager des Schiffs nur mit einer zuverlässigen Sicherheitslampe betreten werden; eine Ventilation innerhalb der Kohlenmasse muß unterbleiben, weil dadurch die Zersetzung der Kohlen begünstigt wird, wohl aber muß eine kräftige Oberflächenventilation eingeleitet werden, um die zwischen Kohlen und Deck sich sammelnden brennbaren Gase zu entfernen. Auch ist die Thatsache festgestellt worden, daß die Explosionsgefahr bei abnehmendem Luftdruck wächst, darum muß die Beobachtung eines Barometersturzes den Schiffer zur doppelten Vorsicht mahnen.

Die Selbstentzündungen der Kohle, die auf dem Lande vorkommen, sind weniger bedeutungsvoll, da sie Menschenleben nicht bedrohen und ihre Bekämpfung sich leichter gestaltet. Sie ereignen sich nur dort, wo Kohlen, in größeren Mengen aufbewahrt, hoch geschichtet werden und den Einflüssen von Wind und Wetter ausgesetzt sind. Als besonders selbstentzündlich erwiesen sich in Berlin die Preßkohlen oder Briquetts, denn in drei Jahren wurden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_605.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2022)