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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

und nimmt nebst zwei Mitgliedern ihrer Familie bei einem jungen, eigens zu diesem Zwecke nach England berufenen indischen Fürsten Unterricht. Seit Juni 1888 treibt die hohe Frau Hindustani. Es ist nicht lange her, daß der sogenannte Gaikawar, der Fürst des britisch-indischen Vasallenstaates Baroda, nebst seiner Gemahlin, der sogenannten Maharami, bei der Königin Viktoria in Windsor zu Gaste war. Notabene, der Titel Gaikawar bedeutet eigentlich so viel wie Kuhhirt; Maharami ist das Femininum zu Maharadscha, Großkönig.

Diese Fürstlichkeiten hatte die Königin Viktoria schon im Jahre 1887 bei ihrem fünfzigjährigen Regierungsjubiläum kennengelernt. Aber damals verstand die Königin noch kein Wort Hindustani und die Großkönigin noch kein Wort Englisch. Anders im Jahre 1892. In der Audienz, welche die Königin der Maharami jetzt gewährte, redete die Fürstin ihre Oberlehnsherrin in erträglichem Englisch an, und die Königin erwiderte ohne Mühe in der Sprache Hindostans. In derselben fand sie auch ein freundliches Wort für die zwei kleinen indischen Prinzen, welche der Audienz beiwohnten. Die kleinen Jungen hatten wie gewöhnlich große Brillanten an den Fingern und an den Mützen. Die Diamanten, Perlen und Smaragden, welche die Fürstin an ihrer hellroten Jacke trug, sollen das Schönste gewesen sein, was man an Juwelen in Windsor bei Tageslicht jemals gesehen hat! Daß die Dame etwas gelernt hatte, war ebenfalls ein Juwel.


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Die Frage der „Selbstentzündung“.

Von C. Falkenhorst.
II.
Die Selbstverbrennung des menschlichen Körpers. – Selbstentzündungen als Folge der Lebensthätigkeit (Heu).

Am 13. Juni 1847 wurde in Darmstadt Emilie Gräfin von Görlitz in ihrer Wohnung tot und halb verbrannt aufgefunden. In dem Augenblicke, als man in das Zimmer eindrang, stand in demselben ein Schreibtisch, ein sogenannter Kaunitz, in Brand und die Leiche der unglücklichen Gräfin lag etwa zwei Fuß von demselben entfernt auf dem Boden. Ihr Anblick war schauerlich; der Kopf war auf ein Drittel seines ursprünglichen Umfanges zusammengeschrumpft und in einen runden unförmlichen schwarzen Klumpen verwandelt, der Hals war weniger zerstört als das Haupt, immerhin aber erstreckten sich die Spuren des Feuerbrandes über die Brust bis einen Zoll unter der Herzgrube.

Von seiten des Gerichts wurde eine Untersuchung eingeleitet, die mit dem Ergebnis abschloß, daß die Gräfin durch irgend einen unglücklichen Zufall ums Leben gekommen war, und selbst von gerichtsärztlicher Seite wurde der Möglichkeit Raum gegeben, daß der Tod in diesem Falle die Folge einer „Selbstverbrennung“ sein könnte.

Die öffentliche Meinung jedoch begnügte sich nicht mit diesem Gutachten; es erhoben sich vielmehr in Zeitungen Stimmen, welche rundweg erklärten, daß an der Gräfin ein Verbrechen begangen, daß sie ermordet worden sei und daß der Mörder die Leiche nachträglich verbrannt habe, um die Spuren seiner That zu verwischen. Die Angelegenheit erregte um so mehr Aufsehen, als in einigen Zeitungen, wie z. B. in der Nummer des „Deutschen Zuschauers“ vom 1. Oktober 1847, der Graf von Görlitz, der Gatte der Verbrannten, des Mordes beschuldigt wurde. Der Artikel des „Deutschen Zuschauers“ wurde in jener bewegten Zeit eifrig nachgedruckt; war doch seine Spitze gegen die „Korruption der höheren Stände“ gerichtet. Er erinnerte an die kurz zuvor erfolgte Ermordung der Herzogin von Praslin durch ihren Gatten und erwähnte mit Wohlgefallen, daß unter den Pariser Proletariern der Vorschlag gemacht worden war, einen Verein zur sittlichen Besserung der höheren Stände zu gründen. Diese empörende Verdächtigung veranlaßte den Grafen von Görlitz zu einer dringenden Eingabe an das Hofgericht um Einleitung eines Verfahrens gegen ihn und seine Diener, und in der That wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens beschlossen und der Mörder ermittelt; aber nicht der Graf war schuldig, sondern nach dem Wahrspruch der Geschworenen Johann Stauff, ein Diener der Gräfin, der, wie er später selbst gestand, sein Opfer erdrosselt, aus dem Kaunitz Goldsachen gestohlen und, um die Spur seiner That zu verwischen, die Leiche zum Teil verbrannt hatte.

Der „Prozeß Görlitz“ wurde damals als „denkwürdigster Kriminalfall“ bezeichnet und in der That ist er für die Geschichte der gerichtlichen Medicin von hoher Bedeutung, da während der Verhandlungen die höchst sonderbare Lehre von der Selbstverbrennung des menschlichen Körpers, die beinahe zwei Jahrhunderte lang von Gerichtsärzten und Richtern geglaubt worden war, zu Grabe getragen wurde.

Von verschiedenen Seiten wurde anfangs behauptet, daß die Gräfin von Görlitz durch „Selbstverbrennung“ ums Leben gekommen sei. Was verstand man wohl unter dieser Selbstverbrennung? Im Jahre 1663 tauchte zuerst die Nachricht auf, daß ein Mensch sich von selbst entzündet habe und verbrannt sei. Seit jener Zeit bis zum Jahre 1850, also im Laufe von 187 Jahren, wurde die gerichtsärztliche Litteratur durch 45 „wohlverbürgte“, sehr umständlich mit Nennung der Namen, des Ortes und der Personen, des Jahres und des Tages erzählte Fälle von Selbstverbrennung bereichert.

Wir wollen nur kurz beispielshalber einige der berühmtesten Selbstverbrennungen erzählen:

Ein italienischer Priester, Namens Bertholi, ging auf den Markt in Filetto, um Geschäfte daselbst zu besorgen, er übernachtete bei einem seiner dort wohnenden Schwäger; in seinem Zimmer ließ er sich ein Sacktuch zwischen Schulter und Hemd legen und nachdem er allein war, begab er sich an das Lesen seines Gebetbuches beim Lichte einer Oellampe. Einige Minuten darauf hörte man ein ungewöhnliches Geräusch und den Priester schreien. Einige Leute, die nun herbeieilten, fanden Bertholi auf dem Boden liegen und umgeben von einer leichten Flamme, die sich mit der Annäherung der Leute entfernte und zuletzt verschwand. Bei der Untersuchung des Verletzten fand sich die äußere Haut des rechten Armes und der Fläche von den Schultern abwärts bis zu den Lenden von dem Fleische abgelöst. Die Schultern, welche von dem Sacktuch geschützt waren, waren nicht verletzt, das Sacktuch selbst zeigte keine Spur von Brand, an allen beschädigten Teilen war das Hemd vom Feuer verzehrt und überall, wo die Kleidungsstücke nicht verbrannten, war auch am Körper kein Brandmal zu bemerken. Ueber diesen von einem italienischen Bader, Namens Battaglia, verbürgten Fall wurden lange Abhandlungen geschrieben und als Ursache der Erscheinung „menschliche Elektricität“ angenommen, an die brennende Oellampe hat keiner der Gelehrten des achtzehnten Jahrhunderts gedacht!

In einem zweiten Falle handelte es sich um eine achtzigjährige Frau, die gar nichts mehr trank als Branntwein, sie fing an zu brennen, auf einem Sessel sitzend, und verbrannte, obwohl man reichlich Wasser auf sie goß, bis alles Fleisch am Körper verzehrt war; es blieb nur das Skelett, im Sessel sitzend, zurück. Ein Pfarrer, Namens Boineau, erzählte in einem Schreiben vom 22. Februar 1749 von diesem Ereignis; er selbst wohnte der Verbrennung nicht bei und sah die Flamme nicht.

Einer dritten Person begannen die Finger der rechten Hand von selbst zu brennen, welche bei Berührung die Beinkleider und die Finger der linken Hand entzündeten; dieses Feuer brannte fort im Sande und konnte durch Wasser nicht gelöscht werden.

In den meisten Fällen, in welchen Selbstverbrennung vorgekommen sein sollte, hatte niemand den Vorgang des Verbrennens selbst beobachtet, sondern man hatte in der Regel nur die verbrannten Leichen gefunden und auf Selbstverbrennung geschlossen. So fand man auch im Jahre 1725 die Ueberreste der Frau eines Einwohners von Reims, Namens Millet, verbrannt in der Küche, anderthalb Fuß von dem offenen Kamin entfernt. Es erhob sich gegen den Mann der begründete Verdacht, er sei der Mörder seiner Frau, aber Sachverständige erkannten eine menschliche Selbstverbrennung und Millet wurde als unschuldig freigesprochen.

Die absonderliche Idee der Selbstverbrennung entstand zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_620.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)