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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

die Umwandlung der Formation der Kriegervereine in ein langgestrecktes Rechteck, um so die Besichtigung durch den Kaiser entgegenzunehmen. Derselben folgte dann die feierliche Ansprache des Kaisers. Unser Bild zeigt einen Teil der Festversammlung, wie sie sich während des Feldgottesdienstes darstellte. Es giebt in malerischer Wirkung eine lebendige Anschauung der bei der Feier vereinten Elemente. Wir sehen den Kaiser und sein Gefolge, den protestantischen Geistlichen bei der Predigt, dahinter die Kriegervereine mit ihren Fahnen, neben Kanzel und Tribüne allerlei geistliche und weltliche Ehrengäste, vor allem aber solche Veteranen, die als Invaliden des Gehens nicht mehr fähig sind und meist in ihren Krankenstühlen der Feier beiwohnen mußten. Auch eine der braven Samariterinnen aus dem Kriegsjahre, das rote Kreuz auf weißer Binde am Arm, hat Platz auf dem Bilde gefunden. Mit treffsicherer Kunst hat es der Maler verstanden, eine Zahl charakteristischer Veteranenköpfe mit Porträttreue wiederzugeben. Untenstehend finden die Leser zwei weitere bei der Gelegenheit gezeichnete Porträtskizzen Papes.

Das Hahnreiten in der Mark. (Zu dem Bilde S. 613.) Wenn die letzte Aehre in der Scheuer geborgen ist und der Landmann sich des reichen Erntesegens freut, erklingt der Jubel über die vollbrachte schwere Arbeit allenthalben und aller Hände regen sich, um das Erntefest zu bereiten nach echter alter deutscher Sitte. In den Dörfern des Osthavellandes feiert man es durch einen besonders hübschen Brauch, welchen wir heute im Bilde wiedergeben: durch das sogenannte Hahnreiten. Blumengewinde zieren den Festplatz und sonntäglich geputztes fröhliches junges Volk mischt sich lachend und scherzend mit dem bedächtigeren Alter, dessen Herz aber mit der Jugend und ihren Spielen wieder jung und frisch wird.

Alles drängt zu gegebener Stunde nach dem Schauplatz dieses län[dl]ichen Turniers hin. An einer bekränzten Stange ist ein Querholz mit einem auf einer Spindel festgedrehten hölzernen Vogel befestigt, der allerdings mehr an einen Adler als an einen Hahn erinnert. Die Spindel ragt weit über den Kopf desselben hinaus. Nun kommen die jungen Burschen des Dorfes herangeritten und schlagen beim raschen Vorüberreiten mit der Hand gegen den Vogel. Ist der Hieb gewaltig genug und trifft er mit voller Handfläche, so wird der Vogel in eine derartige Drehung versetzt, daß er oben von der Spindel abfliegt. Das gelingt aber selten. Viele schlagen vorbei, und zwar einige mit solcher Wucht, daß sie gleich darauf ihren Sitz auf dem Pferde verlieren und am Boden liegen, zum Hauptspaß für die Zuschauer. Die Sieger werden dann zu einer Bude mit Preisgeschenken geführt und dürfen Taschentücher, Tabakspfeifen u. dergl. sich als Preise aussuchen, um dann, geschmückt mit den Trophäen des Sieges, sich mit der erkorenen Dame ihres Herzens in lustigem Reigen zu drehen.

Vom Berliner Veteranen-Appell.
Studienköpfe von W. Pape.

Ein letzter Rat. (Zu dem Bilde S. 617.) Viele Ratschläge werden in den Wind geschlagen; aber der „letzte Rat“, der von einem Kranken- und Totenbette aus erteilt wird, hat stets ein besonderes Gewicht und gerät viele Jahre, oft ein ganzes Leben hindurch, nicht in Vergessenheit. Auf dem Bilde von T. E. Duverger sieht man den tiefen Eindruck, den des sterbenden Vaters Rat auf den Sohn hervorruft. Noch einmal hat der Alte seine Lebenskräfte zusammengerafft, um mahnend und warnend dem Sohn ins Herz zu reden. Hinter solcher Mahnung steht der Tod mit seinem furchtbaren Ernst; bald wird die Hand starr und fühllos daliegen, die sich noch einmal erhoben hat, um einem Irrenden den rechten Weg zu zeigen. Und dieser steht zerknirscht und reuig am Sterbelager. Nicht gering mag seine Schuld sein; er hat nicht für die Seinen gesorgt, ist mit leichtfertigen Genossen verderbliche, vielleicht bis an den Rand des Verbrechens führende Bahnen gewandelt. Frieden und Glück hat sich an seinem häuslichen Herd nicht niedergelassen; man braucht nur in das sorgenvolle Antlitz seiner Gattin zu sehen, die mit dem kleinsten Kind auf dem Schoß kein Wort des Sterbenden zu verlieren scheint. Auch die kleine Tochter horcht gespannt hinüber; nachdenklich steht ihr ältester Sohn da, während der jüngste nicht weiß, was da vor sich geht, und neugierig auf die Gruppe blickt. Neben dem Ermahnten steht sein Bruder, aufmerksam zuhörend, aber mit dem beruhigenden Gefühl, daß ihm die ernsten Mahnworte nicht gelten, zu denen er keinen Anlaß gegeben hat. Die alte Mutter aber, treu besorgt, daß kein unberufenes Ohr erlausche, was hier im Kreise der Familie vor sich geht, versichert noch einmal die Thüre durch den Riegel. Das Bild ist ein stimmungsvolles Familiengemälde, das an eine Landschaft erinnern mag, die von den Strahlen der scheidenden Sonne beleuchtet wird. †     

Waldbrände. (Zu dem Bilde S. 625.) Dürre und heiße Sommertage sind über das Land gekommen. Wir schreiten durch den duftenden Nadelwald, trocken ist die Waldstreu und das dürre Gestrüpp bricht knisternd unter unsern Tritten zusammen. Zu solchen Zeiten bildet der kühle Wald eine gewaltige Ansammmlung des feuergefährlichsten Materials. Nur ein geringer Anlaß, ein kleiner Funken ist nötig, um eine der furchtbarsten Naturerscheinungen, den Waldbrand, hervorzurufen. Da saust das Dampfroß durch den Forst, ein Funken entsprüht der Lokomotive und das glühende Kohlenstückchen wird weit in den Wald hineingeschleudert. Wie Zunder glimmt die ausgedörrte Waldstreu, ein Rauchwölkchen entquillt dem Boden und bald züngeln Flämmchen an dem Gestrüpp empor. Vom Winde getrieben, breitet sich der Brand in sprungweisem Vorwärtsdrängen am Boden aus, seine glühenden Arme immer weiter nach rechts und links ausstreckend. Die Bäume bleiben noch verschont, vorderhand hält sich das Lauffeuer im Waldesgrunde, die dürre Bodendecke verzehrend. Lawinenartig wächst es jedoch von Minute zu Minute; mit zunehmender Geschwindigkeit schreitet es vorwärts, es läuft und rennt endlich im wahren Sinne des Wortes und immer länger wird die feurige Linie, die in den herrlichen Wald hineinstürmt. Höher werden zugleich die Flammen. Nun ergreifen sie die dürren Aeste der niedrigen und zuletzt der höheren Bäume, dunkelrot züngeln die Flammen an den Nadelhölzern empor und wüten zuletzt in den Baumkronen; zu dem Lauffeuer hat sich das Wipfelfeuer gesellt. Die Flammenglut facht der Wind an; Feuergarben fliegen empor und hoch über den Baumkronen schwingt sich das Flugfeuer, entfernte Waldbestände in Brand setzend.

Die Schnelligkeit, mit welcher jetzt die Feuersäulen fortschreiten, wird geradezu unheimlich; nicht nur der Wald ist bedroht; auch Mühlen, Gehöfte, Dörfer und selbst kleinere Städte, die inmitten der Wälder liegen, schweben in höchster Gefahr. Vergebens sucht der Mensch durch Ziehen von Gräben, durch Fällen von Bäumen Lücken im Walde zu schaffen, vergebens will er die Flammen durch Flammen bekämpfen und durch Gegenfeuer, die er vor dem fortschreitenden Brande anzündet, seinem Fortschreiten eine Schranke setzen. Unaufhaltsam tobt die furchtbare Gewalt vorwärts, alles mit Dampf und Qualm erfüllend und einen heulenden Sturmwind erzeugend.

In Ländern mit fortgeschrittener Forstkultur sind derartige ungeheure Waldbrände gottlob seltener; hier pflegt der Forstmann durch Anlage von Schneisen, durch Unterbrechen großer Nadelwaldungen durch Laubholzbestände im voraus einem etwaigen Waldbrande Grenzen zu ziehen und das Rettungswerk zu erleichtern. Anders aber liegen die Verhältnisse in Waldländern, die erst der Kultur erschlossen werden, wo inmitten unermeßlicher Urwälder Weiler und Dörfer aus leicht gezimmerten Häusern bestehen. In ihnen können Waldbrände die schwerste Prüfung über den Menschen verhängen. Er muß ihnen weichen, muß Haus und Hof, Hab’ und Gut der Flammenglut preisgeben und noch dem Himmel danken, wenn er das nackte Leben zu retten vermag. Dann ist der Wald der Schauplatz herzzerreißender Scenen, wie eine solche aus den Hinterwäldern Nordamerikas so meisterhaft von Hans Bohrdt wiedergegeben wurde. Der Anblick dieses Bildes erinnerte uns an die ergreifende Schilderung des Waldbrandes in Wisconsin, die im Jahrgang 1871 (Seite 783) der „Gartenlaube“ von einem Augenzeugen gegeben wurde. Innerhalb einer Woche stand dort eine Waldstrecke von tausendfünfhundert englischen Quadratmeilen in Flammen und ihre unerbittliche Glut verzehrte nicht nur Dörfer und Städte, sondern raffte auch über tausend Menschenleben dahin. Wenn auch bei uns in Deutschland solche Schreckensscenen seit Menschengedenken nicht vorgekommen sind, so ist doch der Schaden, der durch Waldbrände alljährlich verursacht wird, ein sehr bedeutender. Das wirkungsvolle Bild H. Bohrdts wird durch die „Gartenlaube“ Millionen Lesern vor Augen kommen. Möchte doch sein Anblick den vielen Tausenden, die so gern in des Waldes kühlen Schatten bei schwüler Sommerhitze sich retten, als Mahnung dienen, daß man im Walde mit dem Feuer vorsichtig umgehen und auf den Genuß des Rauchens in der würzigen Luft überhaupt verzichten sollte! Wie viele herrliche Tannen sind durch achtlos fortgeworfene Cigarrenstummel in traurige verkohlte Baumstümpfe verwandelt worden! Wir verlangen, daß die grünen Hallen des Waldes dem Volke zur herrlichsten Erholung geöffnet bleiben; da hat aber auch der Gast im Walde die Pflicht, den Forst zu schonen! *      


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Herrn A. F. in München. In der That besteht in Siebenbürgen ein Verein, der die dort ansässigen Deutschen zusammenfaßt. Der genaue Name desselben lautet: „Verein Angehöriger des Deutschen Reiches in den siebenbürgischen Teilen des Königreiches Ungarn zu Hermannstadt“, Vorsitzender ist Herr Buchhändler Georg Meyer daselbst. Der Zweck des Vereins, seine in Siebenbürgen wohnenden oder durchreisenden hilfsbedürftigen Landsleute nach Kräften zu unterstützen, verdient gewiß Ihre Teilnahme, da der Zuzug von unterstützungsbedürftigen Landsleuten, welche in den unteren Donauländern und dem Orient Arbeit suchen, gerade in diesem östlichsten Gebiete deutschen Volkstums ein sehr großer ist.


Inhalt: Sturm im Wasserglase. Roman aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Von Stefanie Keyser (3. Fortsetzung). S. 613. – Das Hahnreiten in der Mark. Bild. S. 613. – Ein letzter Rat. Bild. S. 617. – Gesprächige Frauen. Von Rudolf Kleinpaul. S. 618. – Die Frage der „Selbstentzündung“. Von C. Falkenhorst. II. S. 620. – Der Veteranen-Appell auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin. Bild. S. 621. – Die braune Marenz. Erzählung von Charlotte Niese (1. Fortsetzung). S. 623. – Waldbrand im fernen Westen. Bild. S. 625. – Blätter und Blüten: Die Berliner Veteranenfeier auf dem Tempelhofer Felde. S. 627. (Zu dem Bilde S. 621.) – Das Hahnreiten in der Mark. S. 628. (Zu dem Bilde S. 613.) – Ein letzter Rat. S. 628. (Zu dem Bilde S. 617.) – Waldbrände. S. 628. (Zu dem Bilde S. 625.) – Kleiner Briefkasten. S. 628.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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