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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

     Nördliche Brentagruppe, vom Campo Carlo Magno aus gesehen.

Vor wenig Wochen war in den Zeitungen zu lesen, daß Herr Oesterreicher neben einem seiner Gebäude einen neuen Speisesaal herstellen lassen will, der Raum für nahezu zweihundert Personen bieten soll. Diesen Raum zu gewinnen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die alte Kirche des ehemaligen Hospizes abreißen zu lassen, für welche er, selbstverständlich auf seine Kosten an anderer Stelle eine neue und schönere herstellt. Wo früher fromme Ordensbrüder still ihre Andacht hielten, werden jetzt befrackte Saisonkellner und elegante Kellnerinnen ihr Wesen treiben.

Nicht minder verschieden, im Vergleich zu jenen längst vergangenen Tagen, sind die Gäste, die damals hier ein Obdach suchten, und die heutige Sommerkundschaft des Hauses. Damals waren es mühselige Menschen mit Pilgerstab und Pilgermuschel am rauhen Gewande, heute Besitzer großer eiserner Kassen, Gelehrte und Würdenträger, von denen mancher ein Ordensband sich an seinem eleganten Gehrock anheften könnte. Bei allem dem herrscht ein freundlicher, geselliger Ton im Hause und auch um diesen macht sich der Wirt desselben verdient. Als einer der genauesten Kenner der Gegend und hervorragender Bergsteiger, stellt er sich gern selbst an die Spitze gemeinschaftlicher Ausflüge seiner Gäste und begleitet dieselben auf die umliegenden Höhen, auf welchen sich die Einblicke in die Eiswelt der tridentinischen und lombardischen Alpen aufthun.

Ja, empfehlenswert ist ohne Zweifel Madonna di Campiglio. Wer in behaglichster Weise in Lüften, wie sie hier wehen, einen Sommer verträumen will, der gehe in dieses von den Eisfeldern der Brenta-Alpen umstarrte deutsche Haus. Hier sind alle Register des Hochgebirges aufgezogen! Wasserfälle, wie die von Valasinella, Dolomittürme, die zu den höchsten von Tirol gehören, weite Gletscher, von welchen die Granitwälle des Adamello und der Presanella überlagert sind, und nicht weniger als sechzehn Hochseen, von deren Umrahmung der hier abgebildete Nambino-See eine zutreffende Vorstellung giebt, können nach kurzem Gange erreicht werden. Lohnend ist namentlich ein Abendausflug zu dem letzteren See. Man gelangt zunächst zu seinem östlichen Teil,

Lago di Nambino.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_657.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2021)