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verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Abenteuer suchten. Dieses hier, das sagte er sich mit heiterer Ruhe, hatte er nicht eingefädelt.

Aber seine heitere Ruhe wich doch einer unerträglichen Spannung, als er gegen Sechs heimkam und seine Zimmer durchschritt, sie auf ihre gefällige Ordnung prüfend.

In seinen Ohren brauste es. Er mußte ein Glas Wasser trinken, um seine Nerven zu beruhigen.

Er hatte genau dasselbe Gefühl wie damals, als er zuerst den Dirigentenschemel bestieg und die erste Oper leitete. Ihm fiel die ganze Situation so deutlich wieder ein, daß er plötzlich das rosige, dicke Gesicht des ersten Hautboisten wieder vor sich sah und die Glatze des Mannes, über die von hinten her Haarsträhne nach vorn gekämmt waren, die nun wie Sardellen aussahen. Die Oper aber war „Die Weiße Dame“. Noch hing der Theaterzettel eingerahmt in irgend einer Ecke des Musikzimmers.

„Komm, o holde Dame, sag’ an, wie ist Dein Name.“ Der Tenor damals hatte „einen Knödel im Halse“ gehabt und René hörte ihn im Geist deutlich singen:

„Komm o ho holde – he Da – hame.“

Die elektrische Klingel ließ ihren schrillen Ton erbeben.

René fühlte, wie ihm Knie und Hände zitterten.

Nein, es war nicht möglich, sie konnte es nicht sein, sie würde es nicht sein – –

Er hörte, wie die Wirtschafterin, die auf den Besuch vorbereitet war, die Außenthür öffnete – zum Verzweifeln langsam öffnete. Dann ein Kleiderrauschen auf dem Korridor.

Die Thür öffnete sich.

Die zögernd eintretende Gestalt war verschleiert. Aber René erkannte sie doch.

Er ergriff die beiden Hände und zog die unsicher Schreitende weiter ins Zimmer hinein, dem Licht zu.

„Wie gefährlich,“ murmelte er, „welche holde Thorheit.“

Lilly schlug den Schleier zurück und warf mit der gleichen Bewegung ihren Mantel ab.

„Was wagt Liebe nicht!“ rief sie.

(Fortsetzung folgt.)


Gefährliches Kochgeschirr.

Von M. Hagenau.

Von Zeit zu Zeit liest man in Tagesblättern Nachrichten über Unglücksfälle, die ganze Familien betroffen haben. Alt und jung hatte sich mit gutem Appetit an die Tafel gesetzt und tapfer dem von der sorgsamen Hausfrau bereiteten Mahl zugesprochen. Vortrefflich hatte es gemundet, aber siehe da, am Abend oder im Laufe der Nacht erkrankte eins der Familienmitglieder nach dem andern und der herbeigerufene Arzt erklärte, daß hier eine Vergiftung vorliege, eine Vergiftung durch die im Hause selbst zubereiteten Speisen. In den allermeisten solcher Fälle war jede verbrecherische Absicht ausgeschlossen, das Gift war durch Zufall, Unvorsichtigkeit, Unwissenheit in die Speisen geraten oder hatte sich in denselben gebildet. Das schwere Leid, das über die Familie ergangen war, hätte vermieden werden können, wenn Hausfrau und Köchin in der Gesundheitslehre und der so hochwichtigen Küchenchemie mehr bewandert gewesen wären. Einen solchen Vorwurf wollen allerdings die wenigsten hinnehmen; es wird da ein Sündenbock gesucht und auch leicht gefunden. Man sagt dann, der Kochtopf sei schlecht gewesen, er habe Blei, Kupfer oder ein anderes Gift enthalten und an die Speisen abgegeben. Möglich ist das wohl. Es giebt recht gefährliche Kochtöpfe, welche das Leben und die Gesundheit der Menschen bedrohen können; aber so gar häufig kommen gegenwärtig diese giftigen Kochtöpfe nicht vor, während durch unzweckmäßige Behandlung der Speisen schweres Unheil angerichtet werden kann.

Für das Volkswohl ist es von hoher Bedeutung, daß namentlich in den weitesten Kreisen der Hausfrauen über diese Fragen sich klare Vorstellungen verbreiten; denn nur auf diese Weise können zahlreiche dieser zufälligen und oft verderblichen Vergiftungen vermieden werden. Wir wollen also an dieser Stelle diese Angelegenheit erörtern und zunächst prüfen, wodurch das Kochgeschirr an sich zur Schädigung der Gesundheit Anlaß geben kann.

Gefährlich ist das Kochgeschirr dann, wenn es aus einem Material hergestellt ist, das gesundheitsschädliche Stoffe enthält und diese an die Speisen abgiebt. Es handelt sich dabei stets um metallische Gifte wie Blei, Kupfer, Zinn u. dergl., denn selbst bei der irdenen Topfware wird zur Herstellung der Glasur Blei verwendet. Die in den Gefäßwandungen vorhandenen Metallmassen werden durch Säuren und Salzlösungen, die in den Speisen stets vorhanden sind, angegriffen und gehen in Gestalt verschiedenartiger chemischer Verbindungen in die Speisen über. Nicht alle der zur Herstellung von Kochgeschirr verwendeten Metalle sind in gleichem Maße gesundheitsschädlich. Am gefährlichsten ist das Blei; es ist ein heimtückisches Gift und die Erfahrung hat gelehrt, daß der Mensch bereits krank wird, wenn er längere Zeit hindurch täglich nur ein einziges Milligramm Blei einnimmt. In früheren Zeiten verfertigte man allerlei Geschirr aus stark bleihaltigen Massen, und Vergiftungen durch solche Kessel und Trinkbecher waren häufig. Gegenwärtig ist dieser Mißbrauch durch Gesetze wesentlich eingeschränkt. Leider ist es aber nicht möglich, die Verwendung von Blei zur Herstellung des Kochgeschirrs ganz und gar zu verbieten. Namentlich bei Anfertigung des irdenen Geschirrs muß man sich dieses Metalls bedienen, und zwar aus folgenden Gründen. Das gewöhnliche irdene Geschirr ist porös, es läßt die Flüssigkeiten, die in ihm aufbewahrt werden, durchschwitzen. Darum muß es, wenn man es im Haushalt zu Kochzwecken u. dergl. verwenden will, mit einer für das Wasser undurchlässigen Masse, mit der „Glasur“, versehen werden. Leider hält die ordinäre irdene Topfware beim Brennen keine sehr hohen Hitzegrade aus, wie dies beim Steingut und Porzellan der Fall ist. Darum ist man genötigt, zum Glasieren derselben leicht schmelzbare Glasflüsse zu gebrauchen, und diese werden gerade aus einer Mischung von Lehm und Bleiglanz bereitet. Beim Erhitzen dieses Gemenges entsteht die Glasur oder Aluminbleiglas. Werden solche Bleiglasuren sorgfältig und in richtigem Mischungsverhältnis hergestellt, so sind sie vollkommen unschädlich. Das Blei verbindet sich so fest mit der Kieselerde, daß die Glasur weder durch Essig noch durch andere in unseren Speisen vorkommende Säuren angegriffen wird. Leider wird nicht immer bei der Fabrikation die nötige Vorsicht verwendet und so kommen Töpfe in den Handel, deren Glasur Blei an die Speisen abgiebt. Folge davon sind dann Vergiftungen, die sich durch Schmerzen in der Magengegend, Uebelkeit, Erbrechen, Kolik, hartnäckige Verstopfung und Mattigkeit äußern. Werden aber solche Töpfe längere Zeit hindurch gebraucht, so können Personen, die aus ihnen essen, auch an der chronischen schleichenden Bleivergiftung erkranken.

Die Behörden lassen von Zeit zu Zeit das im Handel vorkommende Geschirr auf die Beschaffenheit der Glasur untersuchen, aber jeden Topf können sie nicht prüfen lassen. Das Publikum muß also in dieser Hinsicht sich selbst zu schützen verstehen und es ist ihm das auch möglich, da eine Untersuchung der Glasur auf deren hygieinische Brauchbarkeit nicht schwierig ist. Schon seit langer Zeit wird zu diesem Zwecke folgendes Verfahren empfohlen: „Man fülle die zu untersuchenden Gefäße mit heißem, möglichst farblosem Essig, der etwa mit ein Drittel Wasser verdünnt ist, lasse das Gefäß an einer warmen Stelle des Herdes etwa eine Stunde lang stehen und gieße dann die Flüssigkeit in ein farbloses durchsichtiges Trinkglas. Nun bringe man in die Flüssigkeit einige Tropfen klarer Schwefelleberlösung, die man in der Apotheke bekommt. Wenn darauf die Flüssigkeit sich nur weißlich trübt, so war in ihr kein Blei gelöst: war wenig Blei gelöst, so färbt sich die Flüssigkeit bräunlich: wenn aber größere Mengen Blei gelöst waren, so färbt sie sich braunschwarz und es scheidet sich ein braunschwarzes Pulver (Schwefelblei) ab.“ Die Gefäße von letzterer Beschaffenheit sind nun besonders gefährlich.

Weit günstiger als die Töpfer sind die Fabrikanten des Eisengeschirrs gestellt. Da das Eisen leicht rostet, wird es vielfach mit einer Emailglasur versehen. Bei der Herstellung dieser Glasuren braucht man nicht zu Bleiverbindungen zu greifen und so sind auch die emaillierten eisernen Kochtöpfe fast durchweg so beschaffen, daß man in ihnen saure und salzige Speisen unbedenklich kochen kann.

Sehr häufig wurde ferner das Kupfergeschirr als gesundheitsschädlich bezeichnet. In der That sind die Kupfersalze giftig; ein Kind starb, nachdem es 1,25 Gramm Grünspan eingenommen hatte; Erwachsene können wohl durch eine Gabe von 10 Gramm getötet werden. Selbst in kleineren Mengen wirken die Kupfersalze schädlich, indem sie Schlund, Magen und Darm reizen und ätzen. Trotzdem sind hervorragende Forscher der Ansicht, daß man die Gefährlichkeit des kupfernen Geschirrs bedeutend übertrieben habe. Die Kupfersalze, die da entstehen, wenn man saure oder salzige Speisen in kupfernen Kesseln kocht, haben einen höchst auffallenden widerwärtigen Geschmack; die Speisen werden durch deren Beimengung geradezu ungenießbar, bevor sich in ihnen Kupfer in gefährlicher Menge gesammelt hat. Und doch sind im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Unglücksfälle bekannt geworden, in welchen Menschen, die aus kupfernen Kesseln oder Töpfen gegessen hatten, schwer erkrankten und selbst starben! In jüngster Zeit hat man die Ursache dieser Vergiftungen auf eine andere Weise gedeutet. Da das Kupfer durch Säuren, die in der Nahrung vorkommen, leicht angegriffen wird, pflegt man vielfach das Kupfergeschirr zu verzinnen, denn das Zinn erweist sich gegen derartige Einflüsse widerstandsfähiger. Mitunter wird zu solchen Zwecken schlechtes, stark bleihaltiges Zinn verwendet. Kocht man in solchen Gefäßen, so geht Blei in die Speisen über. Von dem Genuß derselben können nun Menschen erkranken; es handelt sich aber alsdann nicht um eine Vergiftung mit Kupfer, sondern um eine Bleivergiftung. Ein neues Licht auf die Erkrankungen nach Genuß verschiedener Speisen wurde anderseits durch die bakteriologische Forschung geworfen. Wir wissen heute, daß Nahrungsmittel, die längere Zeit stehen bleiben, sich leicht zersetzen. In ihnen entwickeln sich alsdann Bakterien verschiedener Art und sie können in den Speisen, ohne deren Wohlgeschmack wesentlich zu beeinträchtigen, sehr gefährliche Gifte erzeugen, die schon in den kleinsten Mengen gesundheitsschädlich wirken, ja selbst den Tod verursachen. Als man früher diese Thatsachen nicht kannte, glaubte man, daß derartige Vergiftungen durch die in dem Kochgeschirr vorhandenen Metalle erzeugt wurden. Das Kupfer mußte gewissermaßen den Sündenbock abgeben.

Diese neue Auffassung ist gewiß sehr berechtigt. Trotzdem darf man nicht vergessen, daß Kupfersalze doch giftig sind und ein andauernder

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verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1895, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_731.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2023)