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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Nr. 44.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Die Lampe der Psyche.

Roman von Ida Boy-Ed.

     (4. Fortsetzung.)

5.

In gewissen Zwischenräumen empfand die Herzogin das Bedürfnis, sich den Interessen des hohen Gemahls teilnehmend und fördernd zuzuwenden.

Sie hielt dies für ihre Pflicht als liebende Gattin, und als solche sich vor der Welt zu zeigen, war sie stets ängstlich bemüht. An die Heirat des herzoglichen Paares hatte sich seinerzeit ein arger Zeitungsklatsch geheftet: man sprach davon, daß die Tochter des kleinen, mediatisierten Fürsten eine Neigung zu dem Arzt ihres Vaters im Herzen getragen habe; man wollte wissen, daß auch der Herzog sich nur widerwillig zu einer Ehe habe bestimmen lassen und daß bei der Wahl schließlich die Freundschaft mit gesprochen, die ihn mit dem fast berüchtigt lebenslustigen Vater der jetzigen Herzogin verband. „Wenn ich denn ins Joch soll,“ sollte er gesagt haben, „wähle ich die Prinzessin Agathe, die hoffentlich ein wenig von dem Temperament und Esprit ihres Vaters geerbt hat.“ Der Herzogin waren diese Klatschereien nicht verborgen geblieben, und da sie in Wahrheit keinerlei andere Neigung im Herzen gehabt als die schüchterne und dankbare für den, der ihr Gatte geworden, so fühlte sie das nicht immer glücklich zum Ausdruck gebrachte Bedürfnis, dem Hof etwas zu „beweisen“. Daneben war sie jahraus jahrein besorgt, zu bethätigen, daß der leichtsinnige Ton am Hof ihres Vaters nicht auch ihr, einer regierenden Fürstin Ton sei, und ergab sich einer christlichen Wohlthätigkeit, bei deren Formen, Grenzen und Geist sie längst nicht mehr Herrin, sondern das Werkzeug ihrer „Helfer“ war.

Jene kurzen, programmmäßig vorher ausgearbeiteten Beweise von Anteilnahme an einer Sache, zu der die Herzogin ihrer Veranlagung nach gar keine seelische Beziehung gewinnen konnte, wirkten immer ungemein frostig. Es war ungefähr so, als hätte die Herzogin bei der Frage an ihre Oberhofmeisterin: „Liebe Gräfin, was habe ich heute alles zu thun?“ anstatt der Antwort: „Um elf Uhr wollten Hoheit die Gnade haben, den Pastor Bücking zum Vortrag über das Diakonissenheim zu empfangen und um zwölf Uhr hatten Hoheit huldvollst den Volksküchen einen Besuch in Aussicht gestellt,“ die andere Antwort empfangen: „Von elf bis zwölf Uhr dachten Hoheit sich gnädigst für Musik und Seine Hoheit den Herzog zu interessieren.“

Die ganze Umgebung der Herzogin und die Damen, welche zu näherem Verkehr herangezogen wurden, wurden allemal von einer gewissen Angst ergriffen, wenn ein solcher „Beweis von geistiger Uebereinstimmung der hohen Gatten“ in Aussicht schien, denn die Sache ward immer ungeschickt angefangen und endete mit einer Verstimmung des Herzogs.

Die Herzogin überraschte den Herzog mit einem Konzert in ihren Gemächern, in welchem Künstler sangen, die gerade beim Herzog mißliebig geworden waren, und

Der Heimat zu!
Nach einem Gemälde von H. Bacon.
Photographie im Verlag von Braun, Clément & Cie. in Dornach.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_741.jpg&oldid=- (Version vom 21.7.2023)