Seite:Die Gartenlaube (1895) 751.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)


Das Haupttreppenhaus mit der Gruppe der freispechenden Justiz.

Räumlichkeiten gelangt. Der Schmuck dieser Halle, die wir unseren Lesern im Bilde vor Augen führen, mit dem Schlußstein auf dem Boden in der Mitte, ist reich und von tiefer, symbolischer Bedeutung. Die vier Fenster liegen

so, daß sie auf die verschiedenen Gegenden des Deutschen Reiches hinweisen. Das nach Süden gelegene deutet auf die Kunst, mit den Wappen der Städte Nürnberg und Augsburg, das nach Norden gerichtete auf Handel und Schiffahrt mit den Wappen der Städte Hamburg und Lübeck, das nach Osten zu angebrachte auf die Landwirtschaft mit den Wappen der Städte Königsberg und Marienburg und das nach Westen liegende auf die Industrie mit den Wappen der Städte Köln und Straßburg hin. Inmitten der Hallendecke wird symbolisch die Klarheit des Rechtes dargestellt. Vier seitliche Füllungen mit Schild, Schwertern und Schwurhänden deuten auf die Rechtspflege im Gebäude, vier weibliche Figuren auf die Tugenden der Richter, Weisheit, Gerechtigkeit, Entschlossenheit und Milde, hin. Ein im südöstlichen Hallenteil befindliches Relief versinnbildlicht die Untersuchung, während demselben gegenüber das Urteil symbolisiert wird. An den übrigen Wänden der Halle erblicken wir weiter Darstellungen der Vollstreckung und der Gnade.

An den südlichen Mittelteil der Halle stößt dann das Haupttreppenhaus an, bei welchem der Schmuck auf die Mitte der seitlichen Wände beschränkt worden ist. Hier treten uns zwei Kompositionen O. Lessings, „Erlösung und Verdammnis“, die freisprechende und die verurteilende Justiz vor Augen, Schöpfungen von bedeutendem künstlerischen Werte. In besonderem Bilde (S. 748) bieten wir unseren Lesern die Gruppe der verurteilenden Justiz, welche sich an der östlichen Seite befindet. Auf dem mit Lichtstrahlen geschmückten Giebel zerbricht die Justitia den Stab. Darunter sehen wir eine zerknirschte Männergestalt, zu deren Füßen ein klagendes Weib. Die freisprechende Justiz, welche oben unser Bild der Haupttreppe zeigt, giebt den Unschuldigen seiner Familie zurück. Auch die Korridore erhielten reichen künstlerischen Schmuck. Wir geben zum Beweis eine Abschlußwand der westlichen Korridorhalle, welche vor den Civilsenatssitzungssälen liegt und über einem schönen schmiedeeisernen Thor ein sinnreiches Reliefbild enthält. Die Meereswogen und die vom Sturm gepeitschten Eichen veranschaulichen die Unruhe der Natur im Gewitter, die hinter dem Regenbogen sich ausbreitenden Sonnenstrahlen die Beruhigung nach demselben. Der Zwist ist durch zwei kämpfende Drachen dargestellt, welche von der weiblichen Gestalt der Wahrheit mit dem Schwerte zu Ruhe gebracht werden.

Die große Wartehalle mit dem Schlußstein.

In den Senatssitzungssälen sind an den Eingängen, durch welche das Richtercollegium in den Saal tritt, interessante symbolische Schmuckwerke in Holzschnitzerei angebracht. Den gewaltigsten Eindruck aber ruft der große Sitzungssaal hervor, in welchem die vereinigten Senate tagen und künftighin die Hoch- und Landesverratsverhandlungen abgehalten werden. Unser Bild auf S. 750 zeigt den in den Farben Braun und Gold gehaltenen Saal, von der nördlichen Loge aus gesehen, während der Verhandlung. Die Decke und die Wände sind mit den Wappen der deutschen Bundesstaaten geschmückt. Fünf große Glasfenster, mit den bunten Wappen von 25 Städten, an welchen sich der Sitz eines Oberlandesgerichtes befindet, führen dem Saale Licht und Farbe zu. Der Raum ist, einschließlich der Galerien, 33,20 Meter lang, 12 Meter breit und 9,80 Meter hoch. Die Pfeiler werden nach oben durch Giebel abgeschlossen denen Waffenstücke und Helme als Zeichen der Staatsgewalt zur Zierde dienen. Konsolen, die mit Masken versehen wurden, leiten von den Giebeln über den Pfeilern zur Decke über. Die oberen Wandfelder zwischen diesen Pfeilern wurden mit Reichsadlern und einem Flammenbecken, von welchem sich Drachengestalten abwenden, geschmückt. An der den Fenstern gegenüberliegenden Wand sind die drei

Hauptthüren angebracht, deren geschnitzte Aufsätze Reichsadler, Krone und Reichsapfel tragen. Die dazwischen liegenden

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_751.jpg&oldid=- (Version vom 13.10.2021)