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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

florentinischen Republik zu bemächtigen und von da aus halb Italien zu unterwerfen. König Ferrante von Neapel scheint gleichfalls um den Plan gewußt zu haben und hätte vermutlich, falls er gelang, die andere Hälfte Italiens an sich gerissen.

Der Hauptmann Giovan Battista da Montesecco, päpstlicher Condottiere[1] und dem Grafen völlig ergeben, wurde ins Vertrauen gezogen und ihm die Ausführung des Handstreichs übertragen. Dieser, ein ruhiger und anständiger Mann, erhob Bedenken, aber Graf Riario wußte ihm Lorenzo als einen gefährlichen Feind des Papsttums hinzustellen, durch dessen Ränke er selbst an Besitz und Leben bedroht sei. Francesco de’ Pazzi und der Erzbischof versicherten ihm überdies, das Regiment der Medici sei in Florenz verhaßt und ihr eigener Anhang dort so mächtig, daß die ganze Stadt mit Jubel beistimmen werde, wenn der Streich gefallen sei. Eine Audienz beim Papste, wo er dessen persönlichen Befehl empfing, mußte das Gewissen des Bedenklichen vollends beschwichtigen.

Daß Lorenzo nicht der Mann war, sich lebend das Steuer entreißen zu lassen, begriff ein jeder, und sein Tod war von Anfang an eine beschlossene Sache. Aber auch in dem jüngeren Bruder, so sehr er freiwillig hinter Lorenzo zurücktrat, lebte der starke Geist seines Hauses, außerdem war er besonders beliebt und es lag auf der Hand, daß bei Lorenzos Tode das Volk sich alsbald um Giuliano als seinen Erben und Nachfolger scharen würde. Also kamen die Verschwvrenen beim Fortgang ihrer Beratungen zu dem Schluß, daß auch Giuliano fallen müßte.

Die Brüder zu treffen, schien ihnen nicht schwer, da beide gewohnt waren, unbegleitet und arglos unter ihren Mitbürgern umher zu gehen. Aber der zu erwartende Aufruhr im Volke machte militärische Unterstützung nötig, deshalb sollte Montesecco mit zwei anderen päpstlichen Condottieren eine ansehnliche Truppenmacht an den Grenzen der Romagna zusammenziehen, um auf den ersten Wink Florenz von drei Seiten überfallen zu können.

Lorenzo von Medici.

Diese Bewegungen zu maskieren und die militärischen Dispositionen in der Stadt vorzubereiten, begab sich Montesecco im April des Jahres 1478 nach Florenz. Ein Auftrag des Grafen führte ihn in die persönliche Gegenwart Lorenzos, mit dem er über einen vorgeschützten Kriegszug in der Romagna unterhandeln sollte. Der wahre Zweck war, Ort und Persönlichkeiten in Augenschein zu nehmen. Lorenzo, der sonst so Scharfblickende, ließ sich völlig täuschen und mit einer Courtoisie, die den Abgesandten überraschte, stellte er aufs entgegenkommendste dem Grafen Riario seine Dienste zur Verfügung. Montesecco konnte in dem Manne, der ihn so wohlwollend empfing, den feindseligen Ränkeschmied, der ihm geschildert worden war, nicht erkennen und Lorenzos leutselige Umgangsformen, sein persönlicher Zauber, dem sich selten jemand entzog, machten einen so tiefen Eindruck auf den ehrlichen Kriegsmann, daß er fortan, wie es scheint, nur noch mit halbem Herzen bei der Sache war und ungern die weitere Verständigung unter den Verschworenen vermittelte.

Gleichzeitig war Francesco de’ Pazzi nach Florenz gereist, um seinen Oheim Messer Jacopo, das Haupt der Familie, für den Plan zu gewinnen. Der alte Herr hatte sich anfangs entschieden ablehnend verhalten und sträubte sich auch jetzt noch lange; erst als ihm durch Montesecco bestätigt wurde, daß der Papst selber hinter der Verschwörung stand, stieg auch ihm der Taumel zu Kopfe und er ließ sich in einen Anschlag verstricken, in dem für seine grauen Haare wenig Ehre zu holen war. Sein Beitritt zog den Rest der Familie Pazzi mit dem ganzen Anhang nach, ausgenommen Renato dei Pazzi, einen stillen Gelehrten, der das Attentat mißbilligte, und Guglielmo, Lorenzos Schwager, welcher gar nicht eingeweiht wurde.

Mittlerweile tauschte Graf Riario mit Lorenzo freundschaftliche Briefe und suchte ihn durch die Aussicht auf eine Versöhnung mit dem Papste nach Rom zu locken. Dort hätte er leichter mit ihm aufgeräumt und die Mitverschworenen hätten freie Hand bekommen, sich in Florenz Giulianos zu entledigen. Aber Lorenzo zögerte, zu kommen, und in nutzlosem Warten verstrich die Zeit. Schon wurde der Papst ungeduldig und klagte, sich mit eiteln Schwätzern eingelassen zu haben. Lange durfte nicht mehr zugesehen werden, denn die Verschwörung hatte unterdessen eine so große Ausdehnung angenommen, daß das Geheimnis nicht mehr sicher war, und ebensowenig konnte man erwarten, daß sich Lorenzo auf die Länge über die Rüstungen an der Grenze werde Sand in die Augen streuen lassen.

Endlich schien die Gelegenheit günstig. Der Papst hatte einem sechzehnjährigen Neffen des Grafen Riario, der in Pisa studierte, den Purpur verliehen. Diesen, der den Befehl hatte, sich ganz von dem Erzbischof leiten zulassen, holten die Verschworenen pomphaft nach Florenz und quartierten ihn in Messer Jacopos Landsitz auf Montughi, einem vor der Stadt gelegenen Hügel, ein. In seinem glänzenden Gefolge konnten sie ihre Leute und ihre Anstalten bergen; außerdem mußte der Gast, der als Kardinal und als Anverwandter des Papstes Anspruch auf Beachtung hatte, den Verkehr mit dem Hause Medici vermitteln.

Die Brüder luden ihn gleich zu einem festlichen Empfang auf ihre Villa bei Fiesole und dort sollte der Verabredung gemäß der Streich fallen, aber Giuliano, durch Unwohlsein verhindert, hielt sich ferne. So fiel der Anschlag ins Wasser, denn die Verschworenen wagten nicht, die Brüder gesondert anzugreifen, sie glaubten nur sicher zu gehen, wenn sie beide an einem Ort und in einer Stunde fassen konnten.

Nun wurde der 26. April als der Sonntag vor dem Himmelfahrtsfeste zur Ausführung anberaumt. Der Kardinal, ein willenloses Werkzeug, mußte den Brüdern ankündigen, daß er sie an diesem Tage in der Stadt besuchen und im Dom die Messe hören werde.

Im Palaste Medici wurde zu einem großen Festmahl gerüstet, das die glänzendste Gesellschaft von Florenz vereinigen sollte. Diesmal hofften die Verschwörer bestimmt, sich beider Brüder auf einmal zu versichern, und demgemäß wurden die Rollen ausgeteilt: Montesecco sollte den Streich gegen Lorenzo führen, der kräftigere Giuliano wurde Francesco de’ Pazzi und Bernardo Bandini, einem ruinierten Lebemann, der sich mit Leib und Seele den Pazzi verschworen hatte, zugeteilt, während der Erzbischof den Regierungspalast mit Bewaffneten überfallen und Jacopo de’ Pazzi mit den Seinigen durch die Straßen sprengen sollte, um das Volk zur Freiheit aufzurufen.

Aber es war, als ob ein Vorgefühl den arglosen Giuliano in diesen Tagen begleite. Als alles zum Schlage bereit war, ließ er sein Erscheinen bei Tafel absagen mit der Entschuldigung, daß er unpäßlich sei; in der Kirche jedoch, beim Hochamt, hoffe er nicht zu fehlen.

Die Nachricht, die Francesco am Vorabend den Verschworenen überbrachte, änderte abermals den ganzen Plan. Man saß noch tief in der Nacht beisammen und ratschlagte. Statt beim Gastmahl sollten die Brüder nun in der Kirche fallen, und der feierliche Augenblick der Wandlung wurde zum Signal gewählt. Diesen Anlaß ergriff Montesecco, um sich zurückzuziehen: er hatte als Dienstmann des Grafen den blutigen Auftrag übernehmen zu müssen geglaubt, als er aber zum Verrat die Tempelschändung

  1. Anführer von Söldnerscharen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 851. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_851.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2023)