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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Eindrücken, und nach dem heutigen Tage wirst Du vollends Glück in der Gesellschaft machen – zumal bei den Frauen!“

Es war derselbe forschende Blick wie vorhin, der bei den letzten Worten das Antlitz des jungen Mannes streifte, aber dieser warf beinahe unwillig den Kopf zurück und seine Lippen kräuselten sich verächtlich. „Was kümmern mich die Frauen! Mich zieht es in die Ferne. Hier ist alles noch so zahm und europäisch, hier ist man noch eingeengt von tausend Formen und Fesseln, aber wenn ich droben auf jenen Höhen stehe und in die Wüste hinaus blicke, die sich so weit, so endlos vor mir ausdehnt, dann ist’s mir immer, als wäre dort allein, in dieser grenzenlosen Weite die Freiheit zu finden – die Freiheit und das Glück!“

Ueber Sonnecks Gesicht zog ein flüchtiges Lächeln bei diesem stürmischen Ausbruch, aber seine Stimme klang tiefernst, als er sagte:

„Du wirst Dich auch noch bescheiden lernen. Fesseln giebt es überall, und wenn man sie sich selbst schmieden sollte, und ein Glück ist diese schrankenlose Freiheit nicht! Es kommt eine Zeit, wo man sie gern hingäbe für – doch was nützt das Predigen! Solch ein vierundzwanzigjähriger Feuerkopf glaubt ja doch nicht, was ihm der Erfahrene sagt, und will alles besser wissen. Dich muß das Leben erst in die Schule nehmen, einstweilen bin ich Dein Mentor und werde dafür sorgen, daß Du nicht gar zu tolle Streiche machst.“

Die Volksmenge kam jetzt in Bewegung, das Wettfahren war zu Ende und damit die letzte Nummer des Programms erledigt, auch die Zuschauer auf den Tribünen brachen auf. Der ganze Platz vor der Rennbahn war gefüllt mit an- und abfahrenden Wagen und dazwischen drängten sich Reiter und Fußgänger.

Herr von Osmar saß mit seiner Tochter bereits im Wagen, und am Schlage stand Lord Marwood, der sich etwas umständlich von der jungen Dame verabschiedete. Er mußte aber leider die Bemerkung machen, daß sie sehr zerstreut war und kaum zuhörte.

Sie schien irgend etwas in der Menge zu suchen und mußte es wohl jetzt gefunden haben, denn die dunklen Augen strahlten plötzlich auf, während eine leise Röte das schöne Antlitz färbte. Francis folgte der Richtung jenes Blickes, dort drüben stand Sonneck mit Reinhart Ehrwald und beide grüßten herüber. Der junge Lord biß sich auf die Lippen, er brach plötzlich das Gespräch ab und trat mit kühlem Gruße zurück. Der „Abenteurer“, auf den er so vornehm herabsah, war ihm bisher nur unbequem gewesen, jetzt sah es beinahe aus, als könne er gefährlich werden.

(Fortsetzung folgt.)


Wie bekämpft man die Abmagerung?

Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch.


Nicht nur der ästhetische Sinn stellt die Schönheitsanforderung an den menschlichen Körper, daß derselbe eine gewisse Fülle besitze, die Formen eine bestimmte Rundung haben: auch die medizinische Wissenschaft weiß die Wichtigkeit eines in normalen Grenzen stattfindenden Fettansatzes für die Gesundheit des Individuums zu schätzen. Und so wie die plötzliche Abmagerung den Körper verunstaltet, den Gesichtsausdruck verändert, die Ebenmäßigkeit des Körperbaues stört, die Muskeln straffer hervortreten läßt, den Bewegungen die Anmut nimmt und die Wellenlinien der Schönheit beeinträchtigt, so gilt auch dem Arzte das rasche Schwinden des Fettpolsters, die wesentliche Abnahme des Körpergewichtes als ein sehr wichtiges und zugleich ungünstiges Symptom, das zuweilen einen höchst beachtenswerten Weckruf bildet, ein Alarmzeichen, daß im Organismus bedrohliche Vorgänge von statten gehen. Ist doch der plötzliche Verbrauch des aufgespeicherten Fettes nicht selten das erste sichtbare Zeichen eines Lungenspitzenkatarrhs oder einer im Körper sich entwickelnden bösartigen Neubildung, häufig aber nur die Folge einer ungünstigen Beeinflussung des Nervensystems durch psychische Momente wie Sorge, Kummer, Aerger und Kränkung. Abmagerung ist immer der Ausdruck eines fehlerhaften Ganges des Stoffwechsels. Sie deutet an, daß die Ernährung des gesamten Körpers beeinträchtigt ist, daß in dem Haushalte des Organismus mehr ausgegeben wird als eingenommen werden kann, wobei das Fett, welches als Spardepot den Organismus vor zu raschem Verbrauche schützen soll, verzehrt wird.

Schreitet die Abmagerung fort, so wird nicht nur das Fett aufgezehrt, sondern auch der Eiweißbestand des Organismus angegriffen: das Fleisch des Körpers nimmt ab, die Muskeln büßen an Kraft ein, ihre Leistungsfähigkeit ist herabgesetzt, der gesamte Körperbau ist erschüttert. Das sehr abgemagerte, fettarme Individuum vermag infolge des Fettschwundes wie der Abnahme der Muskelkraft nicht längere Zeit zu gehen oder zu stehen, aber auch das Sitzen und Liegen wird ihm schwer und schmerzhaft, denn es fehlt ihm das in der Norm so mächtige Lager von Unterhautfett, welches wie ein Luftkissen äußeren Druck und Stoß schonend abwehrt. Dieser Schmerz giebt sich besonders in der Fußsohle, in der Hohlhand und am Gesäße, wo äußerer Druck bei den Bewegungen und Lagerungen des Körpers am stärksten und anhaltendsten wirkt, zumeist kund. Der stark Abgemagerte ist ferner sehr empfindlich gegen den Wechsel der Lufttemperatur, er friert sehr leicht und ist zu Erkältungen geneigt, denn er ist des Schutzes beraubt, welchen das Fett als schlechter Wärmeleiter auf die von diesem bedeckten und umhüllten Gewebe, sie vor Abkühlung wahrend, ausübt. Es wird aber weiters durch den raschen Schwund des Fettes eine schwere mechanische Störung in dem Aufbaue des Körpers herbeigeführt, die sich besonders durch Erschütterung der Struktur des Herzmuskels bedrohlich gestaltet, Herzschwäche mit allen ihren das Leben gefährdenden Erscheinungen herbeiführt. Endlich leidet unter dem gewaltsamen Verbrauche des Fettgewebes und der damit einhergehenden Schädigung des Eiweißbestandes des Körpers die Bildung der roten Blutkörperchen und die ganze Blutbeschaffenheit in wesentlicher Weise. Es ist also von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit, die Abmagerung schon in ihren Anfängen festzustellen, sie zu beachten und ihr, wo es nötig ist, durch geeignetes Verfahren Einhalt zu thun.

Bei Bekämpfung und Verhütung der Abmagerung muß nun vor allem in Betracht gezogen werden, wie überhaupt ein stärkerer Fettansatz im Körper stattfindet. Während man früher der Anschauung huldigte, daß nur gewisse Nahrungsstoffe, nämlich Fett, Stärke und Zucker, darum auch Fettbildner genannt, die Ansammlung von Fett im Körper fördern und die Verbrennung des gebildeten und abgelagerten Fettes vermindern, ist es jetzt festgestellt, daß auch bei der Zersetzung der eiweißartigen Stoffe, also bei Fleischnahrung, eine stetige Abtrennung von Fett erfolgt und daß jede Art von Ueberernährung, das heißt jede Zuführung von Nahrungsstoffen aller Art in einer zur Erhaltung des Organismus bedeutend übersteigenden Menge, zur Fettbildung führt, das Fett anmästet. Ein anderes, in dieser Beziehung förderliches Moment ist andauernde Ruhe, Mangel an körperlicher Bewegung bei reichlicher Nahrung, während erhöhte Muskelthätigkeit den Fettverbrauch im Körper steigert, die Zersetzung des Fettes zu Kohlensäure und Wasser beschleunigt. Sehr ausgiebige Ernährung, besonders mit einer Kost, in welcher Fette, Butter, Mehlspeisen, Kartoffeln, Süßigkeiten überwiegen, lange dauernde beschauliche Ruhe, langes Schlafen sind unerläßliche Erfordernisse einer Lebensweise, welche der Abmagerung Einhalt thun und eine stärkere Fettbildung zuwege bringen soll.

Auf diesen Grundsätzen beruht die zuerst von dem amerikanischen Arzte Weir-Mitchell gegen Blutarmut, Nervenschwäche und allgemeine Ernährungsstörungen empfohlene, nun aber auch von deutschen Aerzten häufig angewandte diätetische Kurmethode, die sogenannte Mastkur. Diese Kurmethode sucht den Zweck, binnen kurzer Zeit, im Laufe weniger Wochen, die ganzen im herabgekommenen Zustande befindlichen Ernährungsverhältnisse eines kranken, abgemagerten Individuums zu bessern, den allgemeinen Kräftezustand zu heben, Fett und Blut in reichlicher Menge zu bilden und so das Körpergewicht bedeutend zu steigern – dadurch zu erreichen, daß die betreffende Person in vollkommener körperlicher und geistiger Ruhe gehalten wird, also sich möglichst wenig bewegen und gar nicht arbeiten darf, dabei aber eine ungewöhnlich große Menge von Nahrungsstoffen zu sich nehmen muß. Am geeignetsten ist die Durchführung dieser Kur bei Entfernung der Patienten aus der gewohnten Umgebung, in einer eigenen Anstalt oder in einem Kurorte, wo es auch möglich ist, die bessere Verdauung und Anbildung der Nährstoffe durch Massage in geeigneter Weise zu unterstützen. Die Steigerung der Nahrungszufuhr, die Vermehrung der Mahlzeiten darf nur allmählich geschehen. Im

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0007.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)