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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


Rheines gedachte, während er sich selbst den rauschenden Lustbarkeiten und Hoffestlichkeiten hingab, deren Schauplatz die Säle und Gemacher des Schlosses und seiner prunkvollen Gärten waren. Eines jener Bilder trägt die Unterschrift „Passage du Rhin en présence des ennemis 1672“ („Uebergang über den Rhein in Gegenwart der Feinde“). Jetzt, zweihundert Jahre später, hatte auch eine Passage du Rhin stattgefunden. Sie aber hatte die Deutschen von Sieg zu Sieg geführt und zu Herren des Schlosses werden lassen, in dem nun, jenem gemalten Ruhm zum Spott, die Waffenbrüderschaft der deutschen Völker in dem festen Zusammenschluß zu Reich und Kaisertum seine machtvolle Krönung fand. Dem freudigen Stolz, mit welchem wir heute auf den erhabenen Vorgang zurückblicken, hat Rudolf von Gottschall in dem schwungvollen Gedicht auf der ersten Seite dieser Nummer begeisterten Ausdruck gegeben.

Die Große Vestalin. (Zu dem Bilde S. 41.) Unter den Priesterinnen des Altertums nahmen die Vestalinnen Roms eine ebenso bevorzugte wie eigenartige Stellung ein. Die Einsetzung derselben wird dem König Numa zugeschrieben. Der runde Tempel der Vesta, eigentlich nur eine überbaute Feuerstätte des heiligen Feuers, lag mit dem zu ihm gehörigen Hain am Abhange des Palatin gegeu das Forum hin. Ein durch Matten umspannter Raum enthielt die für den Dienst der Götter nötigen Vorräte, ein anderer das Palladium und mehrere verborgene Heiligtümer; der Tempel selbst mit dem Herdfeuer war bei Tag für jedermann zugänglich und nur in der Nacht durften Männer ihn nicht betreten. Hier herrschte die größte Reinlichkeit; die Geräte des heiligen Dienstes mußten einfaches Thongeschirr sein, alle Waschungen mit frischem Quellwasser stattfinden. Anfangs gab es vier Vestalinnen, später sechs – der Pontifex Maximus, der Oberpriester, wählte sie aus den besten Familien der Stadt und sie standen unter seiner Oberaufsicht. Zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahre traten sie ein und verpflichteten sich, dreißig Jahre lang der Göttin zu dienen. In den ersten zehn Jahren lernten sie; in den zweiten übten sie den Dienst aus und in den dritten zehn unterrichteten sie die Novizen. Tag und Nacht mußten sie das heilige Feuer hüten; vor Ablauf der dreißig Jahre durften sie nicht an das Glück der Ehe denken. Außer der Pflege des heiligen Feuers waren sie hauptsächlich mit dem Schöpfen, Tragen und dem Gebrauche des reinigenden Wassers beschäftigt. Dieses Wasser durfte nur ein fließendes sein, aus dem Tiberstrom oder den Quellen der Stadt, namentlich aus der Quelle der Egeria geschöpft werden. Die Vestalinnen trugen es auf ihren Köpfen herbei; sie durften es nie auf die Erde stellen. Erlosch einmal das heilige Feuer, so durfte es an keiner Flamme neuentzündet werden, welche für alltägliche Bedürfnisse bestimmt und durch sie entweiht war: das Feuer mußte entweder an der Sonne, seinem Urquell, entzündet oder hervorgerufen werden, indem man ein Stück Holz von einem fruchttragenden Baume so lange rieb, bis sich eine Flamme bildete. Sehr streng bestrafte man die Vestalinnen, die ihre Pflicht vergaßen.

Doch wie hart die Strafen sein mochten für das Verschulden der heiligen Jungfrauen: groß waren auch die Auszeichnungen, die ihnen zu teil wurden. Wir sehen auf dem Bilde von Henri Motte, wie die „Große Vestalin“, die Oberin, welcher die anderen Gehorsam schuldeten, auf ihrem von zwei Schimmeln gezogenen Wagen, unter Vorautritt der Liktoren mit ihren Fasces, durch die Straßen der Stadt dahinfährt. Alles Volk, jung und alt, verneigt sich ehrfurchtsvoll und läßt ihr den Weg frei; ja selbst die höchsten Behörden mußten den Vestalinnen bei solcher Begegnung den Vorrang einräumen. Vor allem hatte sie das Vorrecht der Gnade, da der zur Strafe geführte Verbrecher, wenn sie seinen Weg kreuzte, freigelassen werden mußte. Vor jedem Angriff schützte ihre Begleitung und ihre Fürbitte gereichte allen Angeklagten zum Heil. So sehen wir die Priesterin, in der einfachen Tracht, von welcher abzuweichen ebenfalls ein strafbares Vergehen war, hehr und stolz, im vollen Bewußtsein ihrer Würde, auf die ihr huldigende Menge herabsehen. †      

Ein Nebenbuhler des Diamanten. Es ist bekannt, wie oft wichtige Entdeckungen den sonderbarsten Zufällen ihr Dasein verdanken. Das Porzellan, der Phosphor sind bei alchimistischen Versuchen erfunden worden. Die fruchtlosen Bemühungen um das Perpetuum mobile haben erhebliche Fortschritte im Maschinenwesen gezeitigt, und heutzutage ist es wiederum das unablässige Bestreben, den Diamanten auf künstlichem Wege herzustellen, was schon manche wichtige Entdeckungen als Zufallsgewinn abgeworfen hat. Unter diesen aber ist die neueste und vermutlich wichtigste der sogenannte „Karborund“, ein Körper, der gleichzeitig von Schützenberger in Paris und von Atcheson in Pennsylvanien entdeckt wurde, in Amerika sofort den Anlaß zur Bildung einer großen industriellen Gesellschaft gab und auf der großen Chicagoer Weltausstellung bereits als patentiertes Fabrikerzeugnis dem Publikum vorgelegt wurde.

Was ist nun der Karborund, der nach den wissenschaftlichen Untersuchungen der Chemiker mit der Härte und Unschmelzbarkeit des Diamanten eine völlige Unverbrennlichkeit und, für die technische Verwendung der Hauptpunkt, eine verhältnismäßig billige Herstellung verbindet?

Man hat zum Zweck der Herstellung künstlicher Diamanten oft den Versuch gemacht, eine Masse pulverisierten Kohlenstaubes durch einen starken elektrischen Strom teilweise zu schmelzen, um dann aus dem bei diesem Prozeß frei werdenden Kohlenstoff Diamanten zu krystallisieren.

Thatsächlich sind bei diesen Versuchen mehrfach kleine diamantähnliche Krystalle gefunden worden, welche man lange für schwarze Diamanten hielt, obgleich sie einige von diesen abweichende Eigenschaften besitzen.

Bei der Anwesenheit von Kieselstoff in der verwendeten Kohlenart entstehen diese kleinen Körperchen reichlicher, und bei ungefähr gleichen Mengen von Kohlen- und Kieselstoff entstand endlich der merkwürdige Körper, dessen Härte, Feuerfestigkeit und Unschmelzbarkeit so groß ist, daß man ihn technisch noch über den Diamanten zu stellen berechtigt ist, der „Karborund“. Seine feinsten puderartigen Teile sind hart genug, den Diamanten und andere Edelsteine zu polieren, was bisher mit dem Staube des Diamanten selbst geschehen mußte; gröberes Pulver dient zum Glasschleifen und Aetzen, sowie zum Schmirgeln harter Metalle; kleine, aus dem Karborundpulver hergestellte Steinchen, Rädchen oder Scheiben werden zum Glasschneiden und zum Einsetzen in chirurgische Instrumente (z. B. in Zahnsägen etc.) gebraucht. Größere Schleifscheiben oder -räder endlich können, in schnelle Drehung versetzt, jedes Glas, Metall oder andere harte Körper mit unübertrefflicher Schnelligkeit abschleifen, zerschneiden oder polieren, der härteste Stahl wird von der Karborundscheibe zerschnitten wie Holz von der Säge. Gerade das Schleifen der Metalle anstatt der langsamen Bearbeitung mittels stählerner Werkzeuge gewinnt aber neuerdings so große Bedeutung, daß die Karborund-Schleifscheibe allein hinreichen würde, der neuen Entdeckung eine Zukunft zu verschaffen. Eine solche steht ihr ohnehin schon offen, da der billige Karborund den Diamanten als Arbeitsmittel für den Glaser, Schleifer, Steinschneider etc. sicherlich sehr bald verdrängen wird. Die Herstellung ist, wenn sie im großen betrieben wird, bereits jetzt so einfach, daß sie sich kaum noch vervollkommnen lassen wird. Ein etwa zwei Meter langer Ofen aus feuerbeständigen Steinen wird der Hauptsache nach mit ungefähr zwei Centnern Koaksmehl, kieselhaltigem Sand und Seesalz gefüllt, und dieses Gemisch durch einen starken elektrischen Strom gewaltig erhitzt. Nach siebenstündiger Glut findet man fast 25 Prozent der wertlosen Rohmaterialien in Karborund verwandelt.

Auf dem Rückzug. (Zu dem Bilde S. 49.) So geht es in der Welt! Kaum hat man sich mit Puppe, Bilderbuch und Vesperbrot behaglich auf der Hoftreppe eingerichtet (sie ist kein hervorragender Aufenthalt, aber für bescheidene Gemüter nicht ohne Annehmlichkeit!), so stößt das feindliche Schicksal in Gestalt des frechen schwarzen Gesellen hernieder, und nur die schleunigste Flucht kann vor seinem fürchterlichen Schnabel retten. Das schöne Butterbrot, der angebissene Apfel, der noch eben so süß schmeckte – alles hin, man muß froh sein, das nackte Leben und die Puppe zu retten, und so schnell, als die dicken unbehilflichen Beinchen vermögen, nach aufwärts streben, wo der rettende Mutterarm die beiden Schicksalsverfolgten aufnehmen und hoffentlich auch dem frechen Raubgesellen einen ordentlichen Hieb versetzen wird. Dann werden sie sich wieder trösten, die zwei drolligen Dickerchen, die Hermann Kaulbach, der Schilderer so vieler ergötzlicher Familienscenen, uns hier mit gewohntem Humor vorführt. Bn.     



KLEINER BRIEFKASTEN.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

L. Zr. in Rostock. Sie stellen als einer der ältesten Abonnenten der „Gartenlaube“, der im Besitz von 32 Jahrgängen unsres Blattes sich befindet, an uns die Anfrage, wer wohl der älteste Abonnent der „Gartenlaube“ sei. Die Beantwortung dieser Frage kann nur durch unsre Leser erfolgen. Die ältesten Abonnenten würden diejenigen sein, welche die „Gartenlaube“ seit ihrer Begründung, also seit 1853 halten. Selbstverständlich würde es uns herzliche Freude bereiten, so alte und treue Freunde mit Namen kennenzulernen.

G. W., Rotenburg i. H. Wir danken Ihnen für Ihre gefl. Mitteilung, die uns einen neuen Schleichweg eines alten Geheimmittelkrämers enthüllt hat. Vor „Dr. Dressels Nervenfluid“ ist schon oft und viel, auch in der „Gartenlaube“, gewarnt worden, und es macht das Mittel nicht besser, daß der Herr „Dr.“ es zur Abwechslung einmal nicht direkt anpreist, sondern als Strohmann einen Herrn in Leipzig-Connewitz vorschiebt, an welchem das „Nervenfluid“ angeblich Wunder gewirkt haben soll. Das Nervenfluid ist nach einer früheren Bekanntmachung des Karlsruher Ortsgesundheitsrats ein mit Menthol versetzter alkoholischer Auszug der Arnikablüten. Es ist demnach lediglich eine neue Auflage des Roman Weißmannschen Schlagwassers, vor dem ebenfalls schon vielfach gewarnt worden ist. Sie haben also sehr wohl gethan, daß Sie, ehe Sie sich weiter einließen, erst Erkundigungen bei der „Gartenlaube“ einzogen.


Inhalt: Zum 18. Januar. Gedicht von Rudolf von Gottschall. Mit Randzeichnung. S. 37. – Fata Morgana. Roman von E. Werner (2. Fortsetzung). S. 38. – Eine Ausfahrt der Großen Vestalin. Bild. S. 41. – Kieler Sprotten und Bücklinge. Von Georg Hoffmann. S. 42. Mit Abbildungen S. 42, 43, 44, 45, 46 und 47. – „Vons.“ Erzählung von Hermine Villinger. S. 47. – Auf dem Rückzug. Bild. S. 49. – Blätter und Blüten: Die Kaiserproklamation in Versailles S. 51. – Die Große Vestalin. S. 52. (Zu dem Bilde S. 41.) – Ein Nebenbuhler des Diamanten. S. 52. – Auf dem Rückzug. S. 52. (Zu dem Bilde S. 49.) – Kleiner Briefkasten. S. 52.



An unsere Leser.

      manicula Um den praktischen Interessen der Familie zu dienen, haben wir in dem Anzeigeteil der „Gartenlaube“ eine besondere Rubrik, den „Kleinen Vermittler“ eingeführt. In denselben werden Anzeigen, welche Stellengesuche und Stellenangebote, Unterricht und Pensionatswesen betreffen, Inserate über Kauf und Verkauf von Grundstücken, sowie überhaupt Ankündigungen aus dem täglichen Kleinverkehr zu besonders ermäßigtem Insertionspreise aufgenommen. Das Wort in gewöhnlicher Schrift kostet 15 Pf., in fetter Schrift 20 Pf. Wir empfehlen den „Kleinen Vermittler“ der freundlichen Beachtung unserer Leser. Die Anzeigen sind an die Anzeigen-Administration der „Gartenlaube“ (Herrn Rudolf Mosse in Berlin), also nicht an den unterzeichneten Verlag, zu richten. Der Verlag der „Gartenlaube“. 


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0052.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)