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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


In Holland berauschte er sich an Wasserlüften und Kanalperspektiven; auf Lacroma, der Insel des Kronprinzen Rudolph, badete er im trockenen Südlicht Dalmatiens; bei Lundenburg, in dem herrlichen Saupark des Fürsten Liechtenstein, sah er die ölglatte Thaya unter Wasserpflanzen fließen. Nervöse Unruhe trieb ihn immer weiter; eine Laune warf ihn 1880 nach Paris. Zu leidend, um die Stadt genießen zu können, floh er nach Fontainebleau in dessen Waldidylle. Heimgekehrt, malte er nach einer dort entstandenen Skizze das reizende Birkenwäldchen, dessen Reproduktion diese Nummer bietet. In Goisern endlich, dem lieblichen Dorfe bei Ischl, entdeckte er die eigentliche Schindlerwelt. Das Goiserer Thal, dieses herzige Amphitheater, voll von hüpfendem Wasser, kreisenden Mühlrädern, blühendem Unterholz, mutwillig geformten Felsbrocken, wohnlichen Häuschen und anderen kleinen Alltagsraritäten, wurde ihm eine unausschöpfbare Quelle von Motiven. Der halbe Schindler ist da herausgeflossen. Das Publikum begann nachgerade entzückt zu sein von diesen Schätzen der Idylle, es fanden sich Schindler-Liebhaber ein, ein großer Kunsthändler kaufte alles von der Staffelei weg! Die Sonne schien wieder … Die Kunst des Meisters hatte mittlerweile französische und holländische Einflüsse überwunden und war durch eine Welt von Braun und Grau zur aufrichtigen Naturfarbe gelangt. Jetzt erst waren die Versuche vorbei, war ein selbständiger Meister ausgereift. Und nun fand er jenes Plankenberg, das durch ihn zu kunstgeschichtlicher Berühmtheit gelangt ist. Eines Tages fuhr er von Sankt Pölten nach Wien. Da deutete jemand links ins Land hinein und sagte: „Dort drin liegt ein altes Schloß des Grafen Althan, Murstetten.“ Dieses alte Schloß ging Schindler nicht mehr aus dem Kopfe. Er suchte es mit seiner Frau auf, fand aber nur noch Trümmer davon, denn die Franzosen hatten es Anno dazumal zerstört. Bloß der Park war noch vorhanden, eine Art verflossener Park, verblichenes achtzehntes Jahrhundert, mit ausgewucherten Taxushecken, halb versunkenen Sphinxen, verfallenen Wasserbecken und Terrassenstufen, und das alles voll rot, weiß und rosa blühender Obstbäume, so lustig und so betrübt zugleich. Ach, wie könnte man da Maler sein! Wie schade, daß nicht einmal eine Hütte zur Unterkunft geblieben! Da riet der Kutscher, ein Viertelstündchen weiter zu fahren, nach Plankenberg, da hätten die Franzosen das Schloß nicht zerstört.

So fuhren sie nach Plankenberg und fanden richtig einen gewaltigen, weißsteinernen, öden Kasten, mit einer Halle im Erdgeschoß und einer Menge von Sälen und thorgroßen Fenstern, alles in schauderhaftem Zustand, aber durchaus herstellungsfähig. Das ist es! sagte Schindler und ging zum Fürsten Liechtenstein, der ihm die unbewohnte Baracke für einen Pappenstiel auf dehnbare Frist vermietete. Nun begann auf Schloß Plankenberg die glücklichste Zeit des Meisters. Der verwilderte Garten lebte durch neue Kultur auf und wurde in seinem reizvollen Gemisch von alter Verkommenheit und neuem Gedeihen höchst anziehend. Der Meister besorgte eigenhändig seine Gemüse- und Blumengärten, und wenn sie so waren, wie er sie brauchte, dann malte er sie. Die Plankenberger Gartenlandschaften gehören zu dem Kostbarsten, was Schindler geschaffen. Im großen weißen Hause herrschte Behagen, zwei Töchter wuchsen frisch heran, Musik erklang, Gäste kamen, Bild auf Bild entstand. Das Dorf, die ganze Umgebung sah in ihm seinen Herrscher. Und er hatte ja auch jenes Stück Niederösterreich kunstberühmt gemacht. Einige seiner herrlichsten Gemälde sind aus dieser bis dahin ungewürdigten Natur geschöpft, so die vielbewunderte kleine „Kartoffelernte“ und die großartige „Pappelallee“. Ja, die Pappelallee! Der niederösterreichische Landesausschuß hatte eines Tages beschlossen, alle Pappeln an den Landstraßen des Kronlandes aushauen zu lassen und statt dieses kurzlebigen Baumes dauerhaftere zu pflanzen. Da bat Schindler um Aufschub für ein herrliches Stück Pappelallee, das er schon längst malen wollte; mit Pappeln gleich grünen Obelisken und einer Krümmung, daß dem Perspektiviker das Herz im Leibe lachte. Und der Landesausschuß ging darauf ein und Schindler malte einige seiner Hauptbilder, deren Heldin jene Allee ist.

Das ganze vorige Jahrzehnt verging, ohne daß die Wiener Kunstausstellungen das Geringste von dem nun Berühmten aufzuweisen hatten. Er malte abseits des Marktes für eine Gemeinde von Feinschmeckern, die immer größer wurde. In München erkannte man ihn noch früher als in Wien; in beiden Städten ernannten ihn die Kunstakademien zu ihrem Ehrenmitgliede. Der kunstsinnige bayrische Prinzregent erwarb Schindlersche Bilder und besitzt sogar die Photographien von allem, was Schindler je gemalt hat, in einem kolossalen Album vereinigt, wie nur noch eines existiert, im Besitze der Witwe. Ein Geschäftsmann war der Künstler auch jetzt noch nicht geworden. Mit der größten Leichtigkeit konnte er Bilder verschenken. Einmal stellte er der Münchener Künstlerschaft, die ihn so herzlich empfangen hatte, frei, sich ein beliebiges unter seinen Bildern auszuwählen. Ein andermal schloß er mit dem Opernsänger Winkelmann, den er zufällig immer nur an ungünstigen Abenden gehört, einen Tauschvertrag, wonach an dem Abende, wo der Sänger dem Maler wirklich gefallen würde, dem ersteren ein schönes Bild von ihm gehören sollte, wogegen Winkelmann ihm bloß sein Spielhonorar für jenen Abend abzutreten hätte. Winkelmann hielt es für Scherz, aber eines Morgens erschien bei ihm ein Schindlersches Gemälde mit den Zeilen: „Sie haben mir gestern als Tannhäuser wirklich gefallen, das Bild gehört Ihnen.“

Die Jahre 1890 und 1891 stellten ihn auf den Gipfel des Erfolges. Er brachte seine großartige Stimmungslandschaft „Pax“, die jetzt der kaiserlichen Gemäldegalerie angehört. Ein uralter Friedhof bei Ragusa hatte ihm dazu das Motiv gegeben und es war als Schlußbild von Vieren gedacht, welche die Lebenstragödie eines Mönches umschließen sollten. Und ein Jahr später wollte er auf der Jahresausstellung des Wiener Künstlerhauses mit achtundzwanzig Bildern erscheinen, die sein reifstes Schaffen zusammenfassen sollten. Die Jury glaubte zu ihrer Annahme nicht berechtigt zu sein und beschränkte die Zahl auf vierzehn. Aber auch diese bedeuteten einen Sieg auf der ganzen Linie, wie ihn noch kein Landschafter in Wien erlebt hat. Einer befreundeten Dame antwortete Schindler damals auf ihre Glückwünsche: „Wenn’s nur nicht zu spät wird! Zwei Jahre sollt’ ich noch leben, dann könnt’ ich meinen Kindern etwas hinterlassen.“ Dieses düstere Vorgefühl beherrschte ihn zu einer Zeit, wo ein Strom von Glück ihn dahintrug. Auch seine Schaffenskraft war noch so mächtig, daß er in den letzten dreizehn Monaten seines Lebens, von denen er drei in einer Wasserkuranstalt müßig verbringen mußte, nicht weniger als acht Bilder schuf.

Und diese Lebenskraft wurde plötzlich gefällt! Kurz vor seiner letzten Sommerreise hatte er mich noch ersucht, ihm als Kenner Hollands ein dortiges Seebad zu empfehlen, mit Wald am Meere, aber ohne modischen Luxus. Ich empfahl ihm Domburg, das ihm völlig einleuchtete. Aber er ging nach Sylt, schon unterwegs krank, und kam tot zurück. Sein treuester Schüler und vertrautester Freund, Karl Moll, jetzt selbst ein bedeutender Maler, brachte die Leiche sozusagen auf seinen Armen heim. Die Stadt Wien gewährte ihr ein Ehrengrab und die Bemühungen Molls brachten in ungewöhnlich kurzer Frist das schöne Denkmal im Stadtpark zustande … Künstlers Erdenwallen!




Tragödien und Komödien des Aberglaubens.[1]

Die „Hexe von Straßburg“.
Von Dr. P. Schellhas.

Der alte Aberglaube, der Erzfeind des Menschengeschlechtes, ist trotz aller Fortschritte des Wissens, trotz aller Aufklärung noch nicht völlig ausgerottet; noch immer beunruhigt und schädigt er die Menschen, und die schlimmste und gefährlichste Gestalt zeigt er auf dem Gebiete der Kurpfuscherei und des Zauber- und Hexenwesens. Bedarf es noch der Worte hierüber? Welches Elend ist schon über ganze Familien gebracht worden durch die ruchlosen Quacksalbereien von Wunderdoktoren, „heilkundigen“

Schäfern und im Rufe der Zauberei stehenden alten Weibern! Da wird im Dorfe, wenn der Typhus ausbricht, anstatt des Arztes der Schäfer geholt, und er verschreibt den „Fiebersegen“, einen unsinnigen Vers auf einem Blatt Papier, das der Kranke auf den Leib legen muß, oder es werden neun Kreuze in den Rauchfang gekratzt, oder man „bindet das Fieber ab“, indem man dem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0060.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)