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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


„Kinder, ein Gedanke!“ rief der Hilfslehrer plötzlich, „wie, wenn das richtige Los da auch mit einem Gewinn heraus gekommen wäre? Sogleich laufe ich in den ‚Schwarzen Engel‘ und sehe in der Liste nach! Alsdann könnte ich ja vielleicht doch noch nächstes Jahr nach Afrika!“ Und damit hatte er auch schon die Hand an der Klinke und stürmte hinaus.

Der arme Kerl! Er ist weder im nächsten Jahr noch überhaupt in das Land seiner Sehnsucht gelangt. Nachdem er noch ein paar Jahre auf eine definitive Anstellung mit vollem Gehalt gewartet, ließ er sich bereden, einen Posten als Konservator im Landesmuseum in irgend einem thüringischen Kleinstaat anzunehmen. Dort ist er allmählich zwischen und mit seinen Sammlungen vertrocknet und versteinert, bis er schließlich als Titular-Hofrat starb und im Schatten jener thüringer Berge bestattet wurde, die er seit seiner Berufung nicht wieder verlassen hatte. Der Zeichenlehrer war ihm schon um etliche Jahre in die Ewigkeit vorausgegangen, nachdem er ungefähr um dieselbe Zeit mit dem Afrikaliebhaber den Dienst des Staates und der Kunst quittiert hatte, um als Gatte und Geschäftsteilhaber einer reichen Gaschäftsbesitzerin eine seinen tiefsten Neigungen völlig entsprechende Stellung zu finden.

Ich muß es übrigens den beiden zum Ruhme nachsagen, daß sie ihren Groll gegen den zerstreuten Mathematiker nicht alt werden ließen. Bei unserer Hochzeit – denn natürlich hatten Ida und ich uns durch die überraschende Wendung nicht irremachen lassen – waren sie alle drei friedlich beisammen und Kollege Meurer hielt einen schönen Trinkspruch, worin er unter anderem ausführte, daß ich nun doch jedenfalls das große Los gewonnen hätte. Er hat nie ein wahreres Wort gesprochen!

Als ihm aber damals mein liebes junges Frauchen für den schönen Trinkspruch dankte, lächelte er etwas verlegen und meinte mit seiner ganzen treuherzigen Offenheit: „Ach, wissen Sie, ich hatte mir die Rede eigentlich viel schöner ausgedacht. Ich hatte sie sogar aufgeschrieben, ja. Aber wie ich sie heute morgen suchte, konnte ich sie nirgendwo finden. Und jetzt fällt mir auf einmal ein, wo ich sie hingelegt habe. Nämlich in meine Logarithmentafel.“



Blätter & Blüten.


Einem der Besten, die thüringisches Volkstum poetisch geschildert haben, dem Verfasser der „Bilder und Klänge aus Rudolstadt in Volksmundart“, Anton Sommer, soll in seiner Vaterstadt ein Denkmal gesetzt werden. Die kleinen Bändchen, in denen Sommer seit dem Jahre 1849 die Lieder und Schwankdichtungen herausgab, welche bald in innigem Volkston, bald in kräftig humorvoller Prosa die Schönheit und Eigenart der Heimat und allerlei köstliche Originaltypen ihrer Bevölkerung schildern, haben noch bei Lebzeiten des Verfassers eine große Verbreitung weit über die Grenzen der Heimat gefunden. Nicht wenig hat dazu die verständnisvolle Würdigung beigetragen, welcher R. Keil dem dichterischen Wirken des Rudolstädter Garnisonpredigers vor zwanzig Jahren in der „Gartenlaube“ (vergl. Jahrg. 1876, S. 193) zu teil werden ließ. Die Litteraturgeschichte hat denn auch inzwischen dem liebenswürdig-schalkhaften Humoristen einen Ehrenplatz neben Hebel und Reuter, Nadler und Stoltze eingeräumt; dem Thüringer aber sind die „Bilder und Klänge“ ähnlich ans Herz gewachsen wie dem Mecklenburger Reuters „Läuschen und Rimels“. Diesem Verhältnis entspricht auch der warme Ton, in welchem der Aufruf gehalten ist, der um Beiträge für das Denkmal bittet und den wir vom Ersten Bürgermeister der Stadt, Oskar Heinrich, mit der Bitte um Förderung des Unternehmens erhielten. In der schönen thüringischen Residenz an der Saale haben die Sammlungen schon begonnen und erfreuliche Ergebnisse erzielt. Alles aber, was Anton Sommer gesungen und gedichtet hat, ist in weiterem Sinne so echt volkstümlich deutsch, daß der Ausschuß für die Errichtung des Denkmals auch Beiträge von überall her aus dem Vaterland und aus allen Kreisen des Volks erwarten darf. Als Annahmestelle für Beiträge von auswärts wird die Rudolstädter Stadthauptkasse bezeichnet.


Aus einem Tagebuch der Ehegatten Pestalozzi, das dieselben im ersten Jahre ihrer Ehe gemeinschaftlich führten und von welchem ein Bruchstück sich in der Urschrift erhalten hat, macht die „Preußische Schulzeitung“ interessante Mitteilungen. Der vortreffliche großangelegte Charakter der Frau des großen Pädagogen offenbart sich in den Aufzeichnungen in schlichter ergreifender Weise. Anna Pestalozzi, die Tochter des Züricher Kaufmanns Schultheß, hat einen vollen Anteil an ihres Mannes Wirken und Schaffen, Plänen und Sorgen gehabt. Ihre kräftige haushälterische Natur ermöglichte ihm erst die Versuche, seine Reformgedanken der Haus- und Volkserziehung probeweise zu realisieren; ohne sie zum Vorbild hätte er „Lienhard und Gertrud“ schwerlich geschrieben. Die äußerlichen Mißerfolge, das Fehlschlagen seiner Erwartungen konnte freilich auch sie von dem Mann ihres Herzens nicht fernhalten. Ein frohes unerschütterliches Gottvertrauen gab ihr allen Heimsuchungen gegenüber einen festen Halt, dies um so sicherer, als sie sich in diesem Zug des Gemütes mit ihrem Gatten begegnete. Gleich im ersten Jahre der Ehe, das sie auf jenem Gut Neuhof verbrachten, welches Pestalozzi mit Hilfe seines Schwiegervaters auf einer Strecke öden Heidelands erworben, hatten sie eine sehr ernste Prüfung zu bestehen. Die wirtschaftlichen Absichten, die zu dem Ankauf geführt hatten, konnten nicht erreicht werden. Der Vater war sehr unzufrieden. Sie waren beide tief niedergedrückt und stellten sich das Grausamste vor, das ihnen begegnen könnte: die Trennung eines vom andern. In jenen Tagen schrieb Frau Anna in das Tagebuch die zuversichtlichen Worte: „Wir entschlossen uns, diese Schickung Gottes mit Standhaftigkeit anzunehmen und seine weiteren Verhängnisse ruhig zu erwarten und uns fest überzeugt zu halten, daß auch diese Widerwärtigkeiten uns noch zum Segen dienen müssen.“

Am 13. August 1769 wurde ihnen ihr Sohn Jakob geboren. Es ist derselbe, von dem Pestalozzi gelegentlich erzählt hat, er habe ihn in Rousseauscher Manier ziemlich wild aufwachsen lassen. Das hat ihn aber nicht gehindert, seinen Geist früh zu bilden. Ein späteres Tagebuch, das Pestalozzi 1774 über die Erziehung seines Sohnes führte und von dem ebenfalls nur ein Bruchstück vorhanden ist, beweist, daß er dem Knaben schon in dessen viertem Jahre „Anschauungsunterricht“ nach der neuen von ihm erfundenen Methode gab, auch „Arbeitsstunden“. In der That konnte der kleine Jakob schon im sechsten Jahr lesen und schreiben, ja er machte damals sogar ein Gedicht an seine Tante „Bäbe“, die in Leipzig verheiratete Schwester des Vaters, das gar naiv zärtlich ausklingt:

„Du liebe, liebe Tante,
Ich will Dir schreiben
Und das gli, gli,
Das kann nüt anderst sy.“

Pestalozzis Nachkommenschaft war keine große. Wir entnehmen derselben Quelle noch einige Nachrichten über den Sohn und dessen Familie. Jakob erhielt 1782 in einer Erziehungsanstalt in Mülhausen (Elsaß) seine weitere Erziehung und kam dann zum Kaufmann Battier in Basel, wo er die Handlung erlernte. 1788 kehrte er nach dem Neuhof zurück, übernahm das Gut und verheiratete sich 1791 mit Anna Magdalene Fröhlich von Brugg, die ihm in seinen bald sich einstellenden schweren Leiden – Rheuma und Gicht – eine treue Pflegerin, den Eltern eine liebende Tochter war. Er starb – nur 32 Jahre alt geworden – am 15. August 1801. Seine Mutter bedauerte es schmerzlich, daß weder sein Vater, „der ein großes Werk in Burgdorf angefangen“, ebensowenig wie sie selbst, da sie in Hallwil bei Freunden war und die Nachricht seiner schweren Erkrankung dort spät eingetroffen war, bei seinem Ende zugegen sein konnte. „Aber Gott vergönnte mir noch die unaussprechliche Freude,“ schreibt sie in einem Briefe, „ihn in einer Engelsgestalt auf seinem Lager zu sehen; seine Miene und sein Mund waren Beweise der Güte seines Gottes, daß er ihn zum Engel in seinen Himmel aufgenommen hat.“ Jakob hinterließ einen Sohn, Gottlieb, der die Gerberei erlernte, später aber den Neuhof übernahm. Er verheiratete sich mit der Schwester Joseph Schmids, des Gehilfen Pestalozzis in Yverdon. Aus dieser Ehe stammte ein Sohn: Karl, Professor am Polytechnikum in Zürich und Oberst; er starb Ende der 80er Jahre ohne Nachkommen. Jetzt ist die Familie ganz ausgestorben.


Das Goldland Ophir und das Wort „Afrika“. Ueber den dunklen Ursprung des Namens „Afrika“ stellt Dr. Carl Peters in seiner jüngsten Schrift „Aequatorial- und Südafrika nach einer Darstellung von 1719“ (Geographische Verlagsbuchhandlung Dietrich Reimer, Berlin) folgende interessante Hypothese auf: Steckt nicht in unserm Worte Afrika (Afr-ika) noch die alte Wurzel von Ophir? Man muß im Auge behalten, daß diese Wurzel im Althebräischen aus den drei Buchstaben: aleph (spiritus lenis), pe (sprich ph) und resch (sprich r) bestand. Mit diesen drei Lauten wurde das Wort in der Heiligen Schrift geschrieben, welche ja überhaupt ursprünglich keine Vokale kannte. Die Vokalzeichen wurden bekanntlich zur Bequemlichkeit der Leser erst um das 7. Jahrhundert nach Christi Geburt hinzugefügt. Der Vokal o sowie das i in der letzten Silbe sind für unsere Beurteilung demnach ohne Bedeutung. Im Arabischen wird Ophir direkt âfir geschrieben. Ist es nun nicht wahrscheinlich, das ’FR (hebräisch Ophir, arabisch âphir gesprochen) der Name für Afrika oder doch den südlichen Teil von Afrika ist? Daraus entstand in adjektiver Form das griechische Nesos oder Gaia (Insel oder Land) afrike und das lateinische terra Africa, was eigentlich das ophirsche Land oder Ophirland bedeutet. An Wahrscheinlichkeit gewinnt diese Annahme dadurch, daß man ja in der Nähe von den heutigen Goldfeldern Südafrikas, in Zimbabye, Ruinen von Siedelungen entdeckte, die in grauer Vorzeit ein vielleicht semitisches (phönizisches) Volk dort anlegte und in welcher, wie untrügliche Spuren beweisen, Gold in großen Mengen gewonnen wurde. Das berühmte Ophir Salomos wäre demnach ein Teil Südostafrikas und von diesem Landstriche, der uns auch heute wieder mit einem Goldregen überschüttet, hätte der Weltteil Afrika seinen Namen erhalten. *     

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0115.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)