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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


Bremens jüngste Bildungsstätte.

Von Dr. A. Beyer.
Mit Abbildungen nach Photographien
von Louis Koch in Bremen.
Datei:Die Gartenlaube (1896) b 0208 1.jpg

Das Museum für Völkerkunde in Bremen.

Die freie Hansestadt Bremen, welche in den letzten Jahren durch großartige gemeinnützige Unternehmungen, wie die Anlage des Freihafens, die Weserkorrektion u. dergl., so viel für Hebung von Handel und Schifffahrt gethan, hat sich durch das kürzlich eröffnete neue Städtische Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde ein neues Ruhmesblatt erworben und dadurch bewiesen, daß auch die geistigen Interessen in der Handelsstadt an der Weser in keiner Weise vernachlässigt werden. Wer, mit der Bahn in Bremen ankommend, aus dem neuen Hauptbahnhof heraustritt, dem fällt zu seiner Rechten sofort das stattliche hohe Gebäude des Städtischen Museums ins Auge, dessen schlichte Außenseite keineswegs das prächtige Innere vermuten läßt. Die Veranlassung zum Bau dieses Museums gab einerseits die völlig ungenügende Unterbringung der naturgeschichtlichen Sammlungen, anderseits die Handelsausstellung, welche 1890 einen Teil der großen Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrieausstellung in Bremen bildete. Dank dem bereitwilligen Entgegenkommen und der Opferfreudigkeit Bremischer Kaufleute konnte hier zum erstenmal der Versuch gemacht werden, durch Vorführung der mannigfachen Produkte überseeischer Länder ein anschauliches Bild des Bremischen Handels zu geben. Der große Erfolg dieser Handelsausstellung, welche noch drei Jahre lang in dem provisorischen Holzbau im Bürgerpark erhalten blieb, ließ den Wunsch rege werden, die mit so vielen Kosten aus allen Ländern herbeigebrachten Sammlungen für die Dauer in einem eigenen Gebäude festzuhalten. Dasselbe sollte zugleich dazu dienen, die städtischen Sammlungen für Naturgeschichte und Ethnographie aufzunehmen. Man wollte eine Art Handelsmuseum ins Leben rufen, welches sowohl dem großen Publikum zur Unterhaltung und Belehrung wie dem Kaufmanns- und Gewerbestande zu fachmäßiger Unterweisung und Benutzung dienen sollte. In kurzer Zeit war durch namhafte Spenden seitens der Sparkasse und privater Kreise eine Summe von 400 000 Mark aufgebracht, wozu der Staat den gleichen Betrag gab, so daß eine Bausumme von 800 000 Mark vorhanden war. Im Februar 1892 wurde mit dem Bau begonnen. Die innere Ausschmückung des Gebäudes, die Ueberführung und Neuordnung der Sammlungen aus der alten Handelsausstellung und dem Domsanbau nahm ebenfalls längere Zeit in Anspruch, so daß die Eröffnung erst im Januar d. J. erfolgen konnte. Das Gebäude besteht aus einem großen rechteckigen Kerne von 60:43 m Größe, in dem sich die Ausstellungsräume befinden, und einem mehrfach gegliederten Vordergebäude von 30:15 m, welches die Eingänge, Treppen, den Hörsaal und sonstige Räume enthält. Außer dem Erdgeschoß giebt es in dem Gebäude noch zwei Stockwerke. In den Kellerräumlichkeiten befindet sich unter anderem auch ein etwa 15 m langes Aquarium. Was die innere Einrichtung anlangt, so stellt das Bremer Museum gewissermaßen einen neuen Typus dar, indem es weit mehr als andere Museen auf den Laien Rücksicht nimmt. Bei strengster Wahrung des wissenschaftlichen Charakters bei der Aufstellung der einzelnen Objekte ist man bestrebt gewesen, die Wissenschaft möglichst zu popularisieren und dabei auch den Kunstgeschmack zu befriedigen.

Durch das von zwei riesigen Sphinxen eingefaßte Portal, an dessen Seiten sich die Büsten Darwins und Alexander von Humboldts befinden, treten wir in die auch dekorativ sehr wirkungsvoll gehaltene Vorhalle. Die Decke hat eine symbolische Darstellung der 12 Himmelszeichen zum Schmuck, während die Zwickelbögen in der Mitte der Hauptwand mit allegorischen Figuren ausgefüllt sind. Auf der einen Seite der junge, von Wissensdrang erfüllte Forscher mit der in leuchtender Schrift angebrachten Devise „ad astra" (zu den Sternen empor); auf der andern der Greis, der das Rätsel der Natur vergeblich zu lösen gesucht und dem seine melancholische Fauststimmung auf dem Gesichte geschrieben steht; auf seinem aufgeschlagenen Buche lesen wir das Wort „Ignorabimus“ (wir werden es nicht wissen)! In den übrigen Feldern sind Attribute des Handels und der Schiffahrt angebracht. Alle diese Bilder rühren vom Dekorationsmaler O. Bollhagen her, der auch die großen Wandgemälde im Hauptraum geschaffen hat. An den Wänden der Vorhalle befinden sich Abgüsse von Altertümern aus Guatemala, ein Geschenk der Centralverwaltung der königlichen Museen in Berlin; links ist ein großes Modell des Kaiser Wilhelm-Denkmals in Bremen aufgestellt. Aus diesem Vorraum gelangen wir in den prächtigen durch alle drei Stockwerke reichenden Lichthof, der im Verhältnis von 16:26 m Größe gehalten und mit Glasdach versehen ist, wodurch überallhin volles Tageslicht verbreitet wird. Der Gesamteindruck ist ein großartiger. Auch hier trägt der feinsinnige plastische und malerische Schmuck viel zur Gesamtwirkung bei. So bemerken wir in den Nischen, welche die obere Hälfte des Raumes aufweist, plastische, vorzüglich modellierte allegorische Darstellungen der Erdteile, des Handels, der Schiffahrt, der Industrie und Landwirtschaft, in den Hauptzwickeln dagegen Originalfresken, welche die Zoologie, Botanik, Mineralogie, Prähistorik darstellen.

Unsere Abbildung vom Lichthofe zeigt uns diesen prächtigsten Teil des Museums von der chinesischen Abteilung aus gesehen. Im Vordergrunde seitwärts stehen zwei stilvolle Schränke mit chinesischen und japanischen Gegenständen, darunter eine schöne Sammlung chinesischer Musikinstrumente.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0208.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)