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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

„Hier, neben denen des Herrn Sonneck, aber ich werde wohl selbst hinunter müssen, um da Ordnung zu stiften!“

Damit ging er und die beiden blieben allein. Sonneck war offenbar tief verstimmt durch jene Erzählung, und Reinhart schien gleichfalls den peinlichen Eindruck verwischen zu wollen, denn er fragte ablenkend: „Was ist denn das für eine Neuigkeit, auf die Bertram vorhin anspielte? Soll ich sie nicht endlich erfahren?“

„Gewiß, ich wollte nur allein mit Dir darüber sprechen. Es handelt sich da um meine Zukunftspläne. Du weißt es ja durch meine Briefe, daß die Laufbahn da drüben in Afrika für mich zu Ende ist, auch wenn ich genesen bin.“

„Ja, Lothar, und das muß ein furchtbarer Schlag für Dich gewesen sein!“ rief Reinhart mit leidenschaftlich aufflammender Teilnahme. „Noch im besten Mannesalter zur Unthätigkeit verdammt zu werden – das hältst Du ja gar nicht aus!“

„Vielleicht halte ich es besser aus, als Du denkst,“ entgegnete Lothar mit einem vielsagenden Lächeln. „Die Zeit der inneren Kämpfe liegt jetzt hinter mir. Ein Leben, wie ich es mehr als zwanzig Jahre lang geführt habe, giebt immer noch Gelegenheit zur Thätigkeit. Ich habe viel Wertvolles gesammelt und aufgezeichnet, das alles nun geordnet und ausgearbeitet werden muß, und das wird Jahre dauern. Ueberdies – was wirst Du sagen, wenn ich Dir das Geständnis mache, daß ich im Begriff stehe, mir ein häusliches Glück zu gründen?“

„Du willst heiraten?“ rief Ehrwald in unverkennbarer, aber offenbar freudiger Ueberraschung. „Nun, das ist ein Entschluß, den ich mit tausend Freuden begrüße, zumal jetzt! Der Gedanke, wie Du die vollständige Aenderung Deines Lebens ertragen würdest, hat mir oft schwer auf der Seele gelegen. Du hast das Sehnen nach Liebe und Heimat ja stets mit Dir herumgetragen, und was mir als eine Fessel erschien, galt Dir als das höchste Glück, aber Du hättest Dich nie gebunden ohne eine wahre, tiefe Neigung. Hast Du sie so spät noch gefunden?“

„Ja, so spät noch!“ wiederholte Sonneck ernst. „Vielleicht allzu spät, denn der Altersunterschied zwischen mir und meiner Braut ist sehr bedeutend und mitten in all’ dem Glück liegt es mir doch fast wie ein Vorwurf, wie eine Schuld auf der Seele, daß ich ein junges Wesen, das noch gar nichts vom Leben kennt und weiß, an das meinige gefesselt habe. Ich kann meiner Gattin keine Jugend mehr geben und wenn sie das je fühlen, wenn sie unglücklich werden sollte an meiner Seite –“

„Ein Weib, das Du liebst und an Dein Herz nimmst, wird nicht unglücklich!“ fiel Ehrwald beinahe stürmisch ein. „Was sie auch aufgeben mag um Deinetwillen, sie tauscht Besseres dafür ein. Nein, Lothar, wehre das nicht ab, ich kenne Dich wie kein anderer, ich darf es sagen! Aber nun laß mich endlich Näheres hören. Jetzt will ich wissen, wer Deine Braut ist!“

„Du hast sie ja soeben gesehen!“ Lothar wies lächelnd nach dem Schreibtische hinüber. „Dort steht ihr Bild.“

„Elsa?“ Reinharts Augen richteten sich groß und starr auf den Freund. „Elsa von Bernried? – Sie ist Deine Braut?“

„Gewiß. Ueberrascht Dich das so sehr? Freilich, Deine weise Theorie von der ‚sogenannten Jugendliebe‘, die im Grunde eine Kinderthorheit ist, bestätigt das nicht. Du siehst, bei mir hat sie stand gehalten, denn eigentlich habe ich klein Elsa schon damals in Kairo geliebt, wenn ich auch noch nicht ahnte, was sie mir dereinst werden sollte.“

Ehrwald stand noch immer da und sah ihn an, mit einem seltsamen Ausdruck, als könnte er das eben Gehörte nicht begreifen, dann aber sagte er kurz und beinahe schroff: „Du hast in dem Kinde nur den Vater geliebt, der Dir einst so nahe stand.“

„Du scheinst das ja besser zu wissen als ich,“ scherzte Sonneck. „Aber Du hast mir noch nicht einmal einen Glückwunsch gesagt.“

„Ich wünsche Dir Glück!“ sprach Reinhart langsam, indem er ihm die Hand reichte. „Wann wirst Du Dich vermählen?“

„Sobald als möglich. Du hörst ja, wie es mit Helmreich steht. Er hat nur noch Monate zu leben, und was er auch an dem Kinde gesündigt haben mag, ich kann dem totkranken Manne gerade jetzt seine Enkelin nicht nehmen. Ich hoffe es durchzusetzen, daß unsere Vermählung schon in sechs Wochen in aller Stille gefeiert wird, und dann bleiben wir vorläufig hier. Mir ist der Aufenthalt in Kronsberg ja ohnehin bis zum Herbste vorgeschrieben; wir werden ihn ausdehnen, bis wir dem Professor die Augen zugedrückt haben. Auf diese Weise verliert er Elsa nicht, sie kann nach wie vor sein Haus und seine Pflege überwachen, aber ich werde dafür sorgen, daß die Krankenpflege selbst in andere Hände gelegt wird. Als Gatte habe ich das Recht dazu und werde es brauchen. – Doch da höre ich den Achmet schon in Deinen Zimmern. Komm, Reinhart, sie liegen hier gleich nebenan!“

Er öffnete eine Seitenthür und trat in das Nebengemach, aber Reinhart folgte ihm nicht sogleich. Im Begriff, an dem Schreibtisch vorüber zu schreiten, blieb er plötzlich stehen und blickte wieder auf das Bild der kleinen Elsa, so unverwandt, als suchte er in dem Gesichte des Kindes die Züge, die er heute nacht im hellen Mondlicht gesehen hatte.

„Lothars Braut!“ murmelte er halblaut. „Ja freilich, da werden wir wohl Frieden schließen müssen, oder doch wenigstens Waffenstillstand. – Ob sie mir wohl wieder so verächtlich die Wege weisen wird, wenn ich mit ihm nach Burgheim komme?“

Er lachte kurz und spöttisch auf, und mit einer beinahe rauhen Bewegung das Bild bei Seite schiebend, richtete er sich hoch auf und folgte seinem Freunde.

(Fortsetzung folgt.)


Osterzeit.

(Zu dem nebenstehenden Bilde.)

Glocken vom Turme, Glöckchen im Grund –
Bricht’s aus dem Boden schon blühend und bunt.
Fröhliches Ostern kam auf die Welt,
Hänschen, hast Du den Hasen bestellt?
Such’ unter Büschen, such’ unterm Stroh,
Sieh, Vetter Fritz, der lächelt schon so!
Kannst Dir doch denken: nach sieben Semestern
Weiß er Bescheid in den heimlichsten Nestern,
Nestern, wo farbige Eier liegen –
Und alle soll unser Hänschen kriegen!

Glocken vom Turme, Glöckchen im Grund –
Hänschen dazwischen mit jubelndem Mund.
Dicht an den Wurzeln drei prächtige Stück’,
Eier vom Hasen, – das nenn’ ich Glück!
Hänschen und sieh doch, wer hinter Dir lacht
Und was die Trude für Augen macht!
Fritz, der Vetter, ist auch nicht weit –
Gelt, sie ist prächtig, die Osterzeit?
Bringt an den Tag, was sorgsam versteckt …
Da haben die beiden wohl auch was entdeckt.

Glocken vom Turme, Glöckchen im Grund,
Was sich hier findet, bald wird es kund.
Hält ihr der Schelm ein Sträußchen entgegen,
Sieht sie ihn an und lächelt verlegen.
Zwei Herzen in heiligem Osterdrange –
Da glaub’ ich beinah’, es dauert nicht lange
Und Vetter Fritz und die lustige Base –
Still!
Gott segne dich, freundlicher Osterhase!
  Karl Busse.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0228.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)