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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Bauten und Anlage vieler segensreichen Verkehrswege dem vom dreißigjährigen Kriege ausgesogenen Lande wieder zu neuer Blüte verhalf, einen Orangeriegarten anlegen und sein Sohn erbaute dalelbst 1732 ein Orangeriehaus mit künstlerisch vollendeter Sandsteinfassade in französischem Stile.

Das Schloß in Coswig i. A.

Von den andern Schlössern der Herrschaft Bernburg ist noch das zu Coswig von Bedeutung. Es gehörte zuerst zum Fürstentum Zerbst und fiel nach Erlöschen der dortigen Linie als Erbteil an Bernburg. Auch seine Schicksale sind mannigfacher Art. 1547 wurde es von den Spaniern eingenommen und zerstört; aber Fürst Wolfgang baute es wieder auf und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in stiller Zurückgezogenheit daselbst. In der späteren Zeit wurde es mehrfach Witwensitz anhaltischer Fürstinnen, welche die prächtige Aussicht auf die Elb-Auen und den Strom dem glänzenden Hofleben vorziehen mochten. Nun ist es, seiner Pracht entkleidet, zur Strafanstalt geworden und im Volksmunde hat es eine eigentümliche Bedeutung, wenn man von jemand sagt: er residiert in Coswig. Den Schlössern in Plötzkau und Nienburg a. d. Saale ist es nicht viel besser ergangen. Das eine wurde zur Domäne geschlagen und das andere in eine Fabrik verwandelt. Die Schlösser zu Zerbst und Dornburg, welche als Stammland der Kaiserin Katharina II. von Rußland eine weite Berühmtheit erlangt haben, gehören ihrer Bauart nach der Rokokozeit an. In ihnen finden wir noch die wunderbarsten Stuckarbeiten eines Simonetti und Knobelsdorff, die mit den besten Erzeugnissen ihrer Zeit auf gleiche Stufe gestellt werden können.

Das alte Schloß in Köthen hat sein Aussehen stark verändern müssen, seit die dortige Fürstenlinie ausgestorben ist und das Gebäude der Regierung zur Benutzung überlassen wurde. Die frühesten Anlagen des fürstlichen Hauses wurden 1547 ein Raub der Flammen, und erst Fürst Johann Georg I. ließ an dieselbe Stelle 1597 bis 1602 durch die Schweizer Baumeister Peter und Franz Niuron aus Genf, welche auch beim Dessauer Schloßbau thätig waren, den größten Teil der jetzt noch stehenden Gebäude aufführen. Einen Anblick, derselben gewährt uns der untere Teil unseres Bildes auf S. 351, während der obere den Neubau zeigt, der unter dein vorletzten Herzog Heinrich, welcher zum Katholicismus übertrat, gebaut wurde. Das ganze Schloß war von einem breiten Graben, über den vier Zugbrücken führten, umgeben und außerhalb dieser Gräben legte Fürst Ludwig in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die seiner Zeit weit berühmten Gärten an, welche sich in großer Ausdehnung um das nchloß herum zogen und mit ihren Laubengängen, Bosketten, Tempeln, Lusthäuschen und andern „ergötzlichen“ Anlagen in Deutschland nicht ihresgleichen hatten. Der jetzige Schloßgarten ist nur ein kleiner Rest dieser Herrlichkeiten und in demselben ragt noch eine mächtige Eiche empor, unter welcher einst der für Poesie und Litteratur begeisterte Fürst Ludwig von Anhalt mit den Mitgliedern der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ seine Tafelrunde hielt. Er hatte diesen Orden ins Leben gerufen nach dem Vorbild der berühmten „Accademia della Crusca“ in Florenz, deren Name (crusca heißt Kleie) auf den Zweck hinwies, „die Sprache von Fehlern zu reinigen wie das Mehl von der Kleie“; auch die „Fruchtbringende Gesellschaft“ sollte den Zweck haben, „daß man die Hochdeutsche Sprache in ihrem rechten wesen und stande, ohne einmischung frembder ausländischer Wort, aufs möglichste und thunlichste erhalte etc.“ Als Sinnbild wählte er den Indianischen Palmbaum und die Mitglieder trugen jeder eine goldene Medaille, auf deren einen Seite der Palmbaum mit der Ueberschrift: „Alles zu Nutzen“ und der Unterschrift: „Die Frucht bringende Gesellschaft“ abgebildet war, während auf der anderen sich das Sinnbild mit dem Sinnspruch und der Gesellschaftsname des betreffenden Trägers befand. Fürst Ludwig selbst hatte den Namen „der Nährende“ und als Sinnbild ein Weizenbrot mit dem Wahlspruch: „Nichts Besseres“ angenommen. Der Palmorden fand bald große Verbreitung über ganz Deutschland und neben hohen Herren und Fürsten – selbst der Große Kurfürst hatte sich unter dem Namen „der Untadelige“ eingetragen – bekannten sich die meisten namhaften Gelehrten und Dichter der damaligen Zeit zu dem edlen Panier, das für die Erhaltung der „teutschen Muttersprache“ errichtet war. Im Schlosse zu Köthen aber befand sich der große Sitzungssaal; seine Wände waren mit Teppichen ausgehängt, in welche die Sinnbilder, Namen und Wappen jedes einzelnen Mitgliedes eingewebt waren. Wenn nun auch von all diesen äußeren Dingen nichts mehr im Schlossse zu finden ist, so hat doch der Lauf der Jahrhunderte die Spuren der großen Zeit nicht verwehen können und der Same, den sie ausgestreut in den deutschen Landen, hat reichlich tauseudfältige Frucht gebracht. –

Die Line Anhalt-Köthen war 1847 erloschen und als 1863 der letzte Herzog von Bernburg die Augen schloß, wurde das ganze Land zum Drittenmal seit Bestehen der Askanischen Herrschaft wieder

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0350.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2021)