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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Wand, nach Terburgs Münsterer Kongreßbild vom Jahre 1648, dem sogenannten „Westfälischen Frieden“, der in der Londoner Nationalgalerie hängt. „In Wien wird ein Kongreß stattfinden, gehen Sie hin,“ sagte er. Und Isabey war geborgen. Er machte in Wien Furore. Vor seiner Wohnung in der Leopoldstadt mußten Schranken errichtet werden, um nur das Gedränge der vornehmen Equipagen zu regeln. Alle Bevollmächtigten am Kongresse ließen sich bei ihm in Sepia malen, für ihr eigenes Geld; diese Studienköpfe gehören jetzt dem Grafen Stackelberg, Nachkommen des russischen Kongreßgesandten, und sind zu einem Album vereint in der Ausstellung zu sehen.

Das Kongreßbild selbst stellt, gleichfalls in Sepia, eine Vollsitzung der Bevollmächtigten der acht Signatarmächte dar; sie findet in einem Saal des Ministeriums des Aeußeren statt, der mit einem Bilde Leopolds II. geschmückt ist. Die Sitzung ist aber nicht im Gange. Die Herren sind vielmehr in einem vielseitigen Nichtsthun begriffen, das der Künstler sehr geschmackvoll einzuteilen wußte. Sie lassen sich eben nur verewigen. Ohne alle Schwierigkeiten ging es aber bei der Arbeit nicht ab und Isabey mußte selber Diplomat sein, um manchen dieser Diplomaten herumzukriegen. So wollte Wilhelm von Humboldt durchaus nicht sitzen, da er seiner Häßlichkeit wegen geschworen habe, niemals einen Heller auf sein Porträt auszugeben. Damit dieser Schwur nicht gebrochen werde, malte ihn Isabey umsonst, und hinterher scherzte Humboldt: „Ich habe nichts für mein Bild gezahlt, allein Isabey rächte sich, indem er mich ähnlich machte.“ Schwieriger war es freilich, den siegreichen Herzog von Wellington zu besiegen. Das Bild war bereits so gut wie fertig, als der Sieger von Waterloo ankam, um Lord Castlereagh zu ersetzen. Wohin nun mit ihm in diesem Bilde, ohne die ganze Anordnung zu stören? Da schlug Isabey vor, ihn ganz an den Rand zu stellen und ihn durch den Fürsten Metternich gleichsam einführen zu lassen. Der Herzog wollte aber nicht am Rande stehen und vollends nicht bloß im Profil gesehen sein. Da redete ihm Isabey ein, sein Profil erinnere, wenn man sich eine Halskrause darunter denke, auffallend an das Heinrichs IV. Damit ließ sich Wellington fangen und gab sich zufrieden. Das Blatt ist jedenfalls das Hauptwerk Isabeys, wenn auch die Köpfe, in der Art jener mehr plastischen als malerischen Zeit, ein wenig an Medaillen erinnern. Als Miniaturmaler, der er war, führte er alles mit außerordentlicher Sorgfalt aus und umgab das Bild mit einer bedeutsamen Einfassung, welche die Wappen der Dargestellten und die Medaillonbildnisse ihrer Souveräne enthält. Das Bild gehört der Königin Viktoria von England, die es in besonderer Huld der Ausstellung überlassen hat. Im Godefroyschen Stich hat es seinerzeit den Weg um den Erdball gemacht.

Zur Orientierung unserer Leser möge folgende kurze Erklärung des auf S. 368 und 369 wiedergegebenen Bildes dienen, in der wir die hervorragendsten Persönlichkeiten hervorheben. Auf der linken Seite des Bildes, vom Standpunkte des Beschauers aus, erblicken wir den Vertreter Preußens, Fürst Hardenberg, der im Vordergrunde auf einem Stuhle sitzend dargestellt ist; hinter ihm steht der Herzog von Wellington. Weiter gegen die Mitte zu sehen wir Fürst Metternich, dessen Handbewegung andeuten soll, daß er den eintretenden Wellington der hohen Versammlung vorstellt. Ueber seiner rechten Schulter blickt der Kopf des Franzosen Marquis de Noailles hervor, während über den linken Arm des Fürsten der russische Graf Nesselrode sich vorbeugt. Den Mittelpunkt des Bildes nimmt der Vertreter Englands Lord Castlereagh ein, der, die Beine übereinander geschlagen, auf einem Stuhle sitzt und den Rücken dem Tisch zuwendet. Hinter dem Lord an der gegenüberliegenden Seite des Tisches sitzt der österreichische Freiherr von Wessenberg-Ampringen, mit einem Ordensstern auf der linken Brust und einer Feder in der Hand. Hinter ihm steht hochaufgerichtet Fürst Razumoffsky (Rußland) und neben diesem in einer hellen Uniform Lord Stewart (England). Wenden wir unsere Betrachtung der rechten Seite des Bildes zu, so bemerken wir am Rande auf dem äußersten Stuhl Graf Stackelberg, einen der russischen Diplomaten, und neben ihm den Franzosen Talleyrand, der seinen rechten Arm auf den Tisch stützt. Von den vier Personen, die stehend im Hintergrunde dargestellt sind, ist die zweitnächste dem Rande des Bildes W. von Humboldt, zu seiner Rechten befindet sich der bekannte österreichische Publizist Friedrich von Gentz.

Es fehlt uns leider an Raum, um auf die hochinteressante Bildergalerie, die sich über alle Wände der Ausstellung zieht, weiter einzugehen. Prud’hon, Angelika Kauffmann, die Vigée-Lebrun, J. B. Lampi, George Dawe (der einst auch Goethe gemalt hat) und viele andere berühmte Porträtkünstler sind da mit Werken vertreten.

In den Schauschränken aber drängen sich Hunderte von reizvollen Miniaturen, die namentlich die Frauen- und Kinderwelt der Empire- und Kongreßzeit in allem Zauber ihrer Liebenswürdigkeit wiedergeben. Isabeys Frauenbilder fallen wieder besonders auf, schon weil er einen weitgeschwungenen weißen Schleier (damals „Wolke“ genannt) um Kopf und Brust seiner Schönen zu schlingen liebt; nicht sowohl aus eigener Manier, sondern, wie Mercier, der Sittenschilderer des Empire, schreibt, weil solche halbe Verschleierung, um den Reiz des Gesichts zu erhöhen, damals beliebt war. Von der Königin Hortense, der Gattin Ludwig Bonapartes, bis zur fabelhaft schönen Tänzerin Bigottini, welche Talleyrand eigens nach Wien engagieren ließ, um durch sie politische Geheimnisse erlauschen zu lassen, ist das eine ganze Schönheitsgalerie. Wie viel Romane könnten wir da erzählen; auf dem Kongreß war ja, wie der geistreiche Fürst von Ligne sagte, „jeder Mensch ein Roman“.




Ein unbedachtes Wort.

Novelle von M. Misch.
(2. Fortsetzung.)


Es dämmerte bereits in dem gemütlichen Stübchen der Frau Hauptmann Schmidtlein, als sich Frau von Sindsberg erhob, um Abschied zu nehmen. „Das war wieder einmal ein menschenwürdiger Nachmittag,“ lachte sie vergnügt und angeregt. „Ich habe bei Dir ganz vergessen, daß ich eine Theatermutter bin. Wenn Du erlaubst, bringe ich Dir morgen meine Marie.“

„Ich bitte Dich darum.“

Die Damen näherten sich der Thüre, als im Flur Stimmen laut wurden. „Mein Mann scheint Besuch mitzubringen,“ sagte Frau von Schmidtlein halblaut. „Soll ich Dich unter Deinem wirklichen Namen vorstellen, oder –?“

„Nur um Gotteswillen nichts vom Theater; ich kann es nicht vertragen!“

Die Herren traten ein. Fanny sah mit Vergnügen, daß Schindler dabei war, und begrüßte ihn mit einem so schelmischen Lächeln, daß er sie erstaunt anblickte.

„Liebe Erna, das ist mein Mann!“ begann Fanny nun heiter, und zu ihrem Gatten gewendet: „Und dies ist meine einzige, liebe Pensionsfreundin, die Du aus meinen Erzählungen bereits kennst! Frau Hauptmann von Sindsberg hat mir heute unerwartet die Freude gemacht, mich aufzusuchen. Herr Rittergutsbesitzer Berlau – Herr von Schindler, seines Zeichens Lebemann!“

„Ah, Herr von Schindler!“ drängte es sich auf die Lippen Frau Ernas, aber sie erstickte den Ausruf. Für die Uebersendung des Heftes danken, hieß sich verraten. Gewandt lenkte sie ab und nahm den von der Freundin gebotenen Sitz noch „für einen Augenblick“ ein. Das Gespräch kam bald auf ein Thema, das auch sie interessierte, die Jagd. Ihr Gatte war ein leidenschaftlicher Jäger gewesen, und sie entsann sich noch gut einiger Jagdabenteuer, die sie zum besten gab.

Man hatte um den runden Tisch Platz genommen; niemand wäre imstande gewesen, aus dem Aeußeren der Dame auf ihre jetzige bescheidene Stellung und Lebensweise zu schließen. Darauf hielt sie noch immer; und aus dem Schiffbruch ihrer Existenz hatte sie an Garderobe und Kostbarkeiten gerettet, was irgend ging. Den geöffneten Sammetmantel mit dem Nerzpelz – auch ein Ueberbleibsel früherer Zeiten – über den Stuhl zurückgeworfen, wahrte sie eine zugleich ungezwungene und gemessene Haltung. Die Herren benahmen sich denn auch mit großem Respekt gegen die plötzlich aufgetauchte Pensionsfreundin der Hausfrau, und sogar Schindler war nicht ganz so blasiert und herablassend wie gewöhnlich. Fanny saß still lächelnd dabei. Sie amüsierte sich köstlich über die ganze Situation und im besondern über ihre Freundin, deren gedrücktes Wesen von vorhin einer sicheren Ueberlegenheit Platz gemacht hatte. Sie plauderte und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0367.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)