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In das Wohnzimmer zurückgekehrt, setzte sich Frau Fanny neben Wolf von Schindler und begann ihn auszufragen. „Nun, wie hat Ihnen meine Freundin gefallen?“

„Sehr nette Dame! Muß mal schön gewesen sein!“

„Nicht wahr? Sie ist sogar jetzt noch sehr hübsch!“

„Hm!“

„Und hat solch’ scheußliche Tochter!“

„Was hat sie?“ Wolf blickte Frau von Schmidtlein überrascht an. Es war nicht ihre Art, sich so kräftig auszudrücken.

Fanny erwiderte harmlos lächelnd seinen Blick. „Ja, das Fräulein Sinders, welches Ihnen gestern so schlecht gefiel, ist die Tochter der Frau von Sindsberg.“

Ohne Wolfs Antwort abzuwarten, stand sie auf und begab sich nach der andern Seite, wo der Hauptmann eben dem „schönen Berlau“ seine neue Jagdflinte zeigte. Vorsichtig nahm er die Schloßteile auseinander und erklärte die Konstruktion so eifrig, daß er ganz rot davon wurde. Fanny betrachtete ihn liebevoll, während sie ihm nähere Auskunft über Frau von Sindsberg und ihre Tochter gab; sie freute sich über seine Lebhaftigkeit, und daß er trotz seines Leidens so gesund aussah. Wie reich war sie doch an der Seite dieses prächtigen Menschen, und wie arm alle rings um sie! Die beiden Lebemänner da, mit ihrem vielen Gelde, die ihr Glück beständig in öden, leeren Vergnügungen suchten und nichts fanden als Ueberdruß, wie bettelarm waren sie im Vergleich mit ihr! Und erst die bedauernswerte Erna, die ihren geliebten Gatten verloren hatte! O, nur das nicht!

Mit einer beinahe ängstlichen Bewegung legte sie ihren Arm in den des Hauptmanns, welcher dadurch in seinen lebhaften Darlegungen gehindert wurde! Ohne ein Zeichen der Ungeduld hielt er inne und drückte zärtlich ihren Arm. „Was willst Du, Fannutschka?“ fragte er freundlich.

„Nichts, Liebster!“

Bald darauf verabschiedeten sich die beiden Herren, nachdem sie mit dem Hauptmann eine Rebhuhnjagd für morgen verabredet hatten.

„Wann wirst Du zurückkommen, Otto?“ fragte Frau von Schmidtlein. „Ich habe Frau von Sindsberg mit ihrer Tochter für morgen abend zum Thee eingeladen, Du solltest dabei sein!“

Der Hauptmann begann mit unternehmender Miene seinen grauen Schnurrbart zu drehen und versprach, pünktlich zur Stelle zu sein, da er ein Rendezvous mit jungen Schauspielerinnen niemals zu versäumen pflege, eine Renommage, die Fanny gutmütig lächelnd anhörte. Berlau lachte noch im Korridor über diesen „famosen Witz“, während ihm der Hauptmann in den Ueberrock half.

Im Zimmer stand Wolf von Schindler vor Fanny und fuhr mißmutig durch seinen rötlichen Bart. „Sie müssen mir etwas versprechen, ehe ich gehe. Wenn die Damen jetzt öfters bei Ihnen verkehren werden, müssen Sie von –“

„Sie meinen, ich soll Fräulein von Sindsberg nichts davon sagen, daß Sie es waren, der –“

„Natürlich! Ueberhaupt, reden Sie ihr ein, sie hätte sich verhört!“

Fanny schüttelte mit gemachtem Ernste zweifelnd ihr Haupt. „Ich weiß doch nicht recht, ob Sie das verdienen! Wenn ich wenigstens wüßte, ob Sie es bereuen!“

„Bereuen ist gegen mein Prinzip,“ sagte Schindler achselzuckend, „aber ich will zugeben, ich habe ihr unrecht gethan.“

„Was heißt das?“

„Na, sie ist am Tage recht hübsch!“

„Sie haben sie gesehen?“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 369. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0369.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)