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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

von Gold. In der Gegend von Zimbabye wird noch heute Gold gefunden, und Bent zieht aus allen diesen Umständen den Schluß, daß die Ruinen Ueberbleibsel einer Kolonie sind, die zum Zweck der Goldgewinnung angelegt war, und die mit Rücksicht auf die Angriffe umwohnender feindlicher Völkerschaften zugleich als starke Festung diente. Neben solchen unzweifelhaft sehr alten Ueberresten fanden sich auch Spuren neuerer Ansiedlungen, Geräte, die offenbar von Kaffern herrührten, die vorübergehend in den Ruinen gehaust hatten. Als höchst auffallend ist noch die Thatsache hervorzuheben, daß Bent keinerlei Spuren von Toten, Begräbnisstätten oder Skelettresten gefunden hat, so daß Grabbeigaben, die sonst ein wertvolles Material für die Erforschung alter Kulturverhältnisse bilden, bis jetzt gänzlich fehlen.

Welches Volk hat diese rätselhaften Bauwerke inmitten des erinnerungs- und kulturlosen Südafrikas errichtet? Damit ist die bis jetzt ungelöste Frage aufgeworfen, die sich an die Ruinen von Zimbabye knüpft. Sie sind die letzten Marksteine auf einem gänzlich unbekannten und dunklen Gebiete der Menschheitsgeschichte. Die Meinungen der Gelehrten und der Afrikareisenden sind sehr verschieden, und eine befriedigende Lösung hat auch der Engländer Bent nicht gefunden, der seine Expedition nach Zimbabye hauptsächlich zu dem Zweck unternahm, um festzustellen, welchem Volke die Erbauung der dortigen Denkmäler zuzuschreiben ist.

Eine der häufigsten Annahmen ist die, welche wir schon in den oben wiedergegebenen Aeußerungen der alten portugiesischen Missionare ausgesprochen finden, nämlich, daß Zimbabye das aus der Bibel (I. Könige, Kap. 9 und 10; II. Chronika, Kap. 8 und 9) bekannte goldreiche Ophir sei, von wo Salomo auf dreijährigen Reisen mit den Schiffen seines Verbündeten, des Königs Hiram von Tyrus, ungeheuere Mengen Gold und Elfenbein zum Bau des Tempels holen ließ. Wo dieses Ophir zu suchen ist, war seit langem eine Streitfrage. Man hat es bald in Vorderasien, bald in Indien, bald im östlichen Asien, auf Malakka finden wollen, ja sogar in Amerika! Mauch kam wieder auf die Ansicht der portugiesischen Missionare zurück und sprach sich dafür aus, daß Zimbabye das alte Ophir der Bibel sei. Es gelang ihm, in der Umgebung der Ruinen einen alten Mann zu ermitteln, der für Geschenke und gute Worte ihm erzählte, daß in regelmäßigen Zwischenräumen von mehreren Jahren in Zimbabye Opfer stattfänden, die von den umwohnenden Eingeborenen lebhaft besucht würden, und deren Feierlichkeiten er genau beschrieb. In diesen Opfern glaubte Mauch gewisse Aehnlichkeiten mit jüdischen Opferceremonien zu erkennen. Ja, er hielt sogar die ganze Anlage von Zimbabye für jüdischen Ursprungs und eine direkte Nachahmung des salomonischen Tempels auf Moriah in Jerusalem!

Balkenverzierung.

Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, daß diese Ruinen phönicischen Ursprungs seien. Die Phönicier sind bekanntlich als kühne Seefahrer ziemlich weit an der afrikanischen Küste nach Süden gelangt, und es ist nicht undenkbar, daß sie an einer Stelle, wo Gold gefunden wurde, eine Kolonie anlegten, die sie durch Befestigungswerke gegen die Angriffe der umwohnenden feindlichen Stämme schützten. Man hat auch in der Bauart der Ruinen, und zwar besonders des nach oben spitz zulaufenden Turmes, Aehnlichkeiten mit phönicischen Bauwerken nachzuweisen versucht; indessen sind diese Anhaltspunkte doch nur sehr schwach. Darüber aber sind die beiden Reisenden Mauch und Bent nach ihren Beobachtungen jedenfalls einig, daß der Zweck der Kolonie in Zimbabye die Goldgewinnung war, und daß die Bauwerke teils Befestigungen, teils Heiligtümer gewesen sind.

Andere Afrikaforscher sind diesen Vermutungen entgegengetreten und haben die Bauten zu Zimbabye für einheimischen afrikanischen Ursprungs, und zwar für sehr alte Werke der in jenen Gegenden wohnenden Bantuvölker erklärt. Die Anordnung der labyrinthartigen Mauerreste soll mit den Viehkraalen der Kaffern Aehnlichkeit haben. Indessen diese vergänglichen, meist bloß aus Gestrüpp errichteten Einzäunungen für Viehherden können denn doch in keiner Weise mit den festen, großartig angelegten Steinbauten zu Zimbabye verglichen werden. Und im übrigen haben südafrikanische Völker sonst nirgends steinerne Gebäude errichtet; wie sollten sie so vereinzelt dazu gekommen sein, so bedeutende Bauwerke dieser Art herzustellen! Die Ansicht von dem einheimischen Ursprung der Ruinen von Zimbabye hat denn auch mit Recht starken Widerspruch gefunden. Sie wird im übrigen nur von einigen Afrikaforschern vertreten, die nicht selbst die Ruinen gesehen haben. Dagegen sind diejenigen Reisenden, welche an Ort und Stelle ihre Beobachtungen gemacht haben, übereinstimmend der Meinung, daß die Bauwerke einen gänzlich fremden und unafrikanischen Charakter tragen.

Es kann somit kein Zweifel sein, daß die Bauwerke zu Zimbabye von einem einheimischen afrikanischen Volke nicht herrühren. Sie sind die isolierten Spuren der Anwesenheit fremder Kulturvölker, Denkmäler einer unbekannten Periode der Menschheitsgeschichte. Welche Völker dort als uralte Vorgänger unserer modernsten Kolonialbestrebungen im dunkeln Erdteil Ansiedlungen angelegt haben, läßt sich für jetzt noch nicht beurteilen. Man mag in Erinnerungen an die Seefahrten der Phönicier daran denken, daß schon in frühen Zeiten die Bewohner alter Kulturländer auf weiten Fahrten Kolonien bildend in ferne Länder vorgedrungen sind. Die vielfach sehr unbestimmten geographischen Mitteilungen der Schriftsteller des Altertums liefern uns kein sicheres Material zur Lösung der Frage. Manche haben, wie schon der erwähnte Portugiese de Barros, Zimbabye für das Agysymba des alexandrinischen Geographen Ptolemäus gehalten, ja sogar der Name[WS 1] Agysymba sollte gleichbedeutend mit Zimbabye sein und eigentlich in Umstellung der Silben Symbaagi lauten. Indessen das sind nur Vermutungen. Der heutige Name der Oertlichkeit ist übrigens höchstwahrscheinlich aus der in der Gegend gesprochenen Bantusprache zu erklären und würde dann „steinerne Gebäude“ bedeuten. Bent erklärt ihn dagegen für gleichbedeutend mit „Hier ist der große Kraal“.

Reliefverzierungen einer Schüssel.

Die Frage nach dem Alter der Ruinen ist bei dieser Sachlage natürlich die nächstwichtigste, denn ihre Beantwortung wäre zugleich schon der erste Schritt auf dem Wege zur Lösung der Frage nach dem Volk, das sie erbaute. Aber auch darüber ist noch nichts einigermaßen Sicheres ermittelt. Der Engländer Bent gewann aus seinen Beobachtungen und Funden die Ueberzeugung, daß die Ruinen jedenfalls aus vormohammedanischer Zeit (also vor dem 7. Jahrhundert n. Chr.) stammten, und zwar legte er ihnen arabischen Ursprung bei. Ein anderer Forscher wendet dagegen mit Recht ein, daß keiner der Schriftsteller des Altertums bis herab zu den Zeiten Mohammeds die leiseste Andeutung enthält, die man auf die rätselhafte Ansiedlung von Zimbabye mit einiger Sicherheit beziehen könnte. Es kommt hinzu, daß[WS 2] seit Herodot auch kein Schriftsteller diese Gegend Afrikas als goldreich erwähnt, während doch die Fundstätten dieses edlen Metalls von alters her sehr wohl bekannt waren. Die Ruinen sind jedenfalls also sehr alt; ihre Erbauung liegt höchstwahrscheinlich vor dem Beginn unserer Zeitrechnung, vielleicht um viele Jahrhunderte.

Eine höchst interessante Beobachtung bleibt aber noch zu erwähnen, auf die Dr. Schlichter in „Petermanns Geographischen Mitteilungen“ besonders hingewiesen hat, weil sie es vielleicht ermöglicht, einen sicheren Anhaltspunkt für das Alter der Bauwerke zu gewinnen. An den Mauern derselben ziehen sich nämlich an gewissen Stellen in horizontaler Richtung bandartige Ornamente hin, scheinbar regellos und ohne Zweck, bald lang, bald kurz, so besonders auffällig in einer Ausdehnung von 73 m an der Außenmauer der runden Ruine (auf unserem Plane von A bis B). Diese Ornamente sind größtenteils gut erhalten und in ihrer Ausdehnung noch genau erkennbar. Sie finden sich nur an solchen Punkten, wo die Sonne bequem beobachtet werden kann, und stehen offenbar in Beziehung mit dem Lauf der Sonne. Eine genauere Untersuchung hat ergeben, daß Anfang und Ende dieser Ornamente zum Teil mit der Kulminationslinie, zum Teil mit dem Auf- und Untergang der Sonne zur Zeit der Sonnenwenden oder der Tag- und Nachtgleichen übereinstimmen. Ferner erhebt sich nördlich der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Namen
  2. Vorlage: das
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0406.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)