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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

ein lieblicheres Aussehen geben, als die starre Westküste es bieten kann. In uralter Zeit hat zwischen den Städtchen Sandvig und Gudjem dereinst ein heiliger Hain gestanden. Hier kamen die damaligen Bewohner zusammen, um den Göttern zu opfern. Die Küste fällt steil zum Meere ab, die Klippen haben wundersame Formen und prangen durch die mannigfachen Moose und Flechten, die daran haften, in lebhaften, bunten Farben. Noch heute nennt man diese Felsen die Heiligtumsklippen, eine Erinnerung an die graue Vorzeit.

Ein Nachkomme jenes alten Haines ist noch heute vorhanden. Das lustige, von dem feuchten Seewinde frisch gehaltene Grün prangt an dieser Stelle noch wie vor tausend Jahren. Auch die Quelle, deren Wasser dereinst vermischt mit dem Blute der Opfer die Felsen hinabrieselte, plätschert noch munter von Stein zu Stein dem Meere zu und lacht lustig die vielen Maler und Malerinnen aus, welche fast auf jedem Felsenvorsprung thronen und eifrig versuchen, das heitere Wässerchen wenigstens im Bilde festzuhalten. Oben auf der Höhe ragt an Stelle des alten heidnischen Tempels ein komfortables Hotel über den Wipfeln der Bäume empor. Geopfert wird hier auch noch, aber meist nur Bacchus und Gambrinus.

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Der Leuchtturm
auf dem Oereberg.

 Die Steinbrüche.

Noch eine andere wunderbare Felsenbildung trifft der Wanderer an der Ostküste. Mitten auf freiem Felde, an einer Stelle, wo man Naturschönheiten kaum erwarten könnte, öffnet sich nach dem Meere zu ein tiefer Spalt. Ein schmaler Pfad führt hinab, und plötzlich befindet man sich zwischen senkrecht abfallenden Felsen, welche kaum Raum zum Durchschlüpfen bieten. Bei Mondenschein gewähren diese Randsklippen ein Bild, wie man es phantastischer gar nicht ausdenken kann. Von den Städten auf Bornholm ist nicht viel zu berichten. Die Bewohner leben meist verstreut auf ihren Gehöften. Nur Rönne und Allinge haben es zu einer gewissen Bedeutung gebracht. Sandvig, Gudhjem und Svanike, sowie eine Anzahl Fischerhäfen sind mehr malerisch als wichtig. In der Nähe von Hammerhus befinden sich jetzt gewaltige Steinbrüche. Hier tritt der herrlichste Granit zu Tage, welcher, gebrochen und verarbeitet, meist nach Deutschland exportiert wird. Fast der größte Teil der Pflastersteine Berlins kommt jetzt von Hammerhafen.

Die merkwürdigsten Bauten auf Bornholm sind die Rundkirchen. Sie erzählen deutlich von dem Kampfe, den das Christentum mit den wilden Seeräuberhorden auszufechten hatte. Diese Gotteshäuser bestehen in ihrer Grundform nur aus einem einzigen runden Turm. Zur Zeit ihrer Entstehung waren sie noch mit Wall und Graben versehen. Der Eingang, wohl mit Fallthüren versichert, lag hoch über dem Erdboden, so daß die Besatzung gegen die Waffen der damaligen Zeit wohlgeschützt war. Die Mauern, aus roh zusammengefügten Steinen gebaut, hatten keine Fenster, sondern nur Schießscharten, durch welche Pfeile und andere Wurfgeschosse geschleudert werden konnten. Statt des Daches gab es nur eine gleichfalls mit Schießscharten versehene Plattform, von wo herab der Angreifer belästigt werden konnte. In der Umgebung dieser Kirchen hausten damals die kleinen Gemeinden, welche sich bei drohender Gefahr in die befestigten Gotteshäuser zurückzogen und Gut und Leben von dort aus verteidigten. Jetzt hat man die Rundtürme mit Thüren, Fenstern und Anbauten versehen. Ein hohes spitzes Dach hält den Regen ab. Sonntags kommen die Umwohnenden wie dereinst zur Andacht, nur braucht der Altar nicht mehr mit dem Schwerte geschützt zu werden.

Eine Rundkirche.

Die Bevölkerung Bornholms hat sich allgemach von der Seefahrt zurückgezogen, nur noch der Fischer und Lotsen führen ein Leben auf dem blauen Wasser. Kleine, aus den Felsen herausgesprengte, mit Molen versehene Becken genügen zum Schutze der Fischer- und kleineren Handelsfahrzeuge. Nur Allinge, Hammerhafen und Rönne vermögen in ihren Häfen etwas größere Schiffe zu beherbergen. Das Aus- und Einlotsen derselben ist ein oft recht schwieriges Unternehmen und erfordert die erfahrensten Seeleute. Der Bornholmer Lotse trägt den Typus eines echten rechten Seemanns. Von Jugend auf vertraut mit dem Element, kennt er jede Klippe, jeden Stein seiner Heimatsinsel. Er geleitet das ihm anvertraute Fahrzeug durch ein Gewirr von Felsen sicher zu seinem Ankerplatz. Bei einem Wetter, wo man keinen Seehund ins Wasser jagen möchte, dringt er mit seinem Boot durch den wüsten Wogenschwall, um draußen einem vielleicht hilflosen Schiffe den richtigen Weg zu zeigen.

Die meisten Bornholmer sind Landwirte und die blühenden Felder zeugen von der erfolgreichen Thätigkeit ihrer Bebauer. Sie sind etwas scheu und Fremden gegenüber wortkarg, wenn man sie aber näher kennenlernt, so wird man sie auch als Deutscher, trotz ihres dänischen Patriotismus, dessen Spitze sich ja noch heute immer gegen unser Vaterland richtet, lieben und achten lernen.

Bornholm liegt dicht bei unseren Küsten, wer zur Sommerszeit die Ostseebäder aufsucht, möge einmal den Abstecher nach dem alten Seeräubernest machen.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0419.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)