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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

„Ja, ich glaub’s!“

„Gelt?“ Er trat mit dem Beil zum Fenster und besah den Schaden. „Da mußt aber grob zug’haut haben?“

„Is schon möglich, ja! Es braucht’s halt!“

„Freilich!“ Seine Stimme klang wieder freundlich. „Geh, sag mir, wie steht’s denn bei Dir droben?“

Vroni atmete tiefer. „Allweil im Gleichen. Es hat sich nix g’ändert über Nacht!“

Da guckte er langsam über die Schulter. „No, wer weiß, vielleicht doch ein bißl was.“ Er löste vom Beil den Stiel ab, nahm das Eisen zwischen die Backen einer großen Zange, wühlte sie unter die Glut hinein und versetzte dem Blasbalg einen so ausgiebigen Tritt, daß eine ganze Sprühgarbe von Funken in den Kamin hinaufloderte.

Vroni saß mit gefurchten Brauen, und schlecht verhehlter Aerger redete aus ihren Augen; sie mußte aus Schorschls letzten Worten etwas herausgehört haben, das sie um ihre besonnene Ruhe brachte. Und es spielte und zuckte um ihre vollen Lippen, als müßte sich dieser Aerger entladen. Ihre Augen schossen einen spöttischen Blick zur Esse hinüber, und unter leisem Lachen fragte sie: „Bist gut heim ’kommen?“

Schorschl schob eine kleinere Zange mit einem fingerlangen Stahlstäbchen in die Glut. „Heim ’kommen? Wann denn?“

„No, heut’ nacht, mein’ ich.“

„Ah so, heut’ nacht! … Ja ja, ganz gut! Siehst es ja … ein’ Haxen hab’ ich mir net ’brochen.“

„Da kannst von Glück sagen! So ein Weg in der Nacht is gar hail.“

„Fest hintreten muß man halt, nachher rutscht man net aus.“

„So? Meinst?“

„Ja!“

Mit raschem Schwung hob Schorschl die beiden Zangen aus der Esse und faßte den schweren Hammer, um die neue Stahlschneide an das ausgesplitterte Beil zu schweißen. Wie ein zerdrücktes rotes Herz lag das glühende Eisenstück zwischen dem Griff der Zange. Der Amboß tönte wie eine Glocke, und sternhell flogen, wie von einem wagerecht kreisenden Feuerrad, bei jedem Hammerschlag die Funken rings umher in dem großen dämmrigen Raum; sie leuchteten nur und brannten nicht; sie flogen dem Schmied ins Gesicht, in die Haare, an die nackten Arme und an die offene Brust – und sprühten hinüber bis in den Schoß des Mädchens; Vroni rückte immer weiter zurück, aber die Funken flogen ihr nach. Das gewahrte Schorschl, und immer emsiger drosch er mit dem Hammer, so daß an seinem kräftigen Arm alle Muskeln spielten.

Die Glut des geschweißten Eisens drohte zu erlöschen und Schorschl schwang die Zange wieder in die Esse hinüber. Während er den Blasbalg trat, umsäumte der Feuerschein seine ganze Gestalt, sein Haar und sein Gesicht mit roten Linien. Draußen, vor dem Bogen des Thores, dunkelte es immer mehr, und am fahlen Himmel zitterte schon mit blassem Schein der Abendstern.

Ob Schorschl die brennende Röte auf Vronis Wangen und den Glanz ihrer staunenden Augen richtig deutete? Oder ob es ihm die eigene Arbeitsfreude auf die Lippen legte? – Er sagte: „Gelt, in der Schmieden is’ schön!“

„Ja, da g’fallt’s mir.“

„Möchtest net hausen herin?“ Das fragte Schorschl lachend, in jener gleichmütigen Art, in der man vom Wetter zu reden pflegt.

Und im gleichen Tone antwortete Vroni. „Warum denn net? Der Schmied müßt’ halt ein anderer sein!“

„No, wer weiß, vielleicht wird noch einmal ein anderer aus mir.“

„Wer ’s glaubt?“

„Du vielleicht net?“

„Na! Und so hab’ ich’s auch net g’meint.“

„Ah so? Ein ganz andern meinst?“ Schorschl hob die Zange auf den Amboß. „Ja freilich … ich weiß … viel halten thust net von mir!“ sagte er, immer ein Paar Worte nach jedem Hammerschlag einschiebend. „Kannst auch recht haben … daß die beste Schneid an mir … schon Fransen kriegt hat … grad so wie Dein Beil! … Aber … der richtige Schmied, mein’ ich … könnt’ den Schaden … vielleicht doch wieder ausgleichen.“ Mit der Zange hielt er dem Mädchen das rotglühende Eisen hin. „Schau her! Da hat’s wieder die schönste Schneid, Dein Beil! Bloß härten muß ich’s noch!“ Er schob die Zange wieder in die Glut und zog den Blasbalg. „Ja, Vroni, wie ich sag’ … über mich müßt’ halt die richtige Schmiedin kommen.“

„So such’ Dir s’ halt!“

„Meinst?“ Er lachte. „No also … fang’ ich halt mit’m Suchen gleich bei Dir an. Thätst es net riskieren mit mir?“

„Na! Ich dank’ schön!“

„Geh, probier’s!“

„Aufs Probieren laß ich mich net gern ein. Ich geh’ lieber sicher.“

„So heirat’ mich halt … das wär’ doch ’s Allersicherste. Und von Dir ließ’ ich mir was sagen!“

„Vergelt’s Gott! Da weiß ich mir was Besser’s!“

„Du bist aber heikel!“

„Für g’wöhnlich net! Aber beim Heiraten schon!“

„Ja, hast recht! Ein’ neuen Hut, wenn er ein’ druckt, den kann man fürs halbe Geld der Nachbarin aufhängen. Aber ein Mann, der bleibt ei’m! Das muß von Anfang gleich der Richtig’ sein! Is ’s wahr oder net?“

„Ja! Hätt’ gar net glaubt, daß D’ so g’scheit bist!“

„Freilich, mancher schaut dümmer aus, als er is!“

Da lachten sie alle beide, laut und lustig, als wäre ihnen der harmlose Spaß dieser hin und her fliegenden Wörtchen so recht nach Wunsch geraten. Dann aber schwiegen sie; und während Vroni, die von der strahlenden Wärme des Essenfeuers belästigt schien, langsam mit der Hand über Stirn und Wangen fuhr, haschte Schorschl mit der Zunge den Schnurrbart zwischen die Zähne und trat mit immer ungestümerem Fuß auf die Stange des Blasbalgs. Plötzlich riß er mit zornigem Ruck die Zange aus der Glut und brummte: „Herrgott, jetzt hätt’ ich den Stahl bald überhitzt!“

Vroni schien nicht zu hören; sie saß vorgebeugt, hatte die Ellbogen auf die Kniee gelegt, und während sich ein herber Zug um ihre Lippen senkte, blickte sie finster zum erlöschenden Glanz des Himmels und zu dem zitternden Gefunkel des immer heller brennenden Sternes auf.

Schorschl stand vor dem Amboß, und da in der Werkstätte schon tiefes Dunkel herrschte, mußte er Vroni den Rücken kehren, um die Helle des Essenfeuers für die Arbeit nützen zu können. Tiefgrau zeichnete sich seine hohe, breitschultrige Gestalt in den roten Schein. Unter achtsamen Schlägen gab er der Schneide des Beils mit einem kleinen Hammer die glatte Form. Dann tauchte er den glühenden Stahl in den mit schwarzem Wasser gefüllten Löschbottich, rasch und kurz, so daß es kaum zischte und nur ein kleines, rot beleuchtetes Dampfwölkchen aufstieg. Und als der nur äußerlich abgekühlte Stahl von innen heraus wieder matt zu glühen begann, versenkte Schorschl die Schneide langsam in das Oelbad. Er schien das Bedürfnis zu fühlen, dem Mädchen diese Hantierung zu erklären.

„Wenn einer z’ grob mit ’m kalten Wasser kommt, das kann den besten Stahl verderben,“ sagte er, und seine Stimme klang völlig anders als früher, „aber je linder einer ’s Oel braucht, so feiner und besser wird d’ Schneid’!“

Vroni schwieg, blickte nur ein wenig auf und sah wieder zum Thor hinaus. Der Spaten machte nur geringe Arbeit: eine kurze Glut und ein paar Streiche mit dem Hammer. Schorschl erledigte das, ohne ein Wort zu sagen.

Diese Stille schien Vroni unbehaglich zu berühren; plötzlich fragte sie: „Daß aber Du heut’ arbeit’st? … Wo is denn Dein G’sell?“

„Den hab’ ich davong’jagt in der Fruh.“

„Was?! … Ja warum denn?“

„Weil er ein Lump is!“

Vroni wollte lachen; aber bei dem funkelnden Blick, der sie aus Schorschls Augen traf, blieb ihr das Lachen in der Kehle stecken. Nach einer Weile fragte sie mit gereiztem Ton: „Daß einer ein Lump is …. seit wann g’fallt Dir denn so was nimmer?“

Er zuckte die Achseln. „No, gar lang’ is ’s noch net her! Gestern, mein’ ich, wär’s noch anders g’wesen.“ Ruhig lehnte er den Spaten an den Thorpfosten. „Soll ich Dir ’s Beil schleifen?“

Jähe Röte war über Vronis Wangen geflogen; nun schüttelte sie den Kopf und griff in die Tasche; sie mußte sich räuspern, ehe sie fragen konnte: „Was … was bin ich denn schuldig?“

„Nix! Is gern g’schehen!“

Da fuhr sie auf, so grob, als hätte er ihr ein böses Wort gesagt. „Schenken laß ich mir nix … Du!“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 486. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0486.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)