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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Sach’ … und draußen auf der Jagd runieren Se sich de kostbare Gesundheit! Und so e Jagd hat e Maul wie e Walfisch und frißt alle Tag’ ihren Haufen Geld, wie e Pferd den Hafer!“

„Ja, Rufel, da haben S’ recht! Es is mir selber schon oft z’viel worden. Kein Tag vergeht ohne Aerger … und ’s Aergern thut mir net gut! Ja, Rufel, da haben S’ mein Handschlag … die Jagd gieb’ ich auf!“

„Herr Purtscheller! Sie sennen e Prachtkerl!“ In heller Freude umklammerte Rufel mit seinen dürren Fingern die Hand Purtschellers. „Da haben Se gemacht en festen Ruck! En großen Ruck! Und daß Sie sehen sollen, was ich e Freud’ dran hab’ … ich därf nix trinken aus en trefern Glas … aber nu lauf’ ich hinunter und hol’ mir mein’ Häfelche aus ’m Sack … und Se sollen mir einschenken e Tröpfelche Wein, daß ich kann anstoßen mit Ihnen auf die neue, schöne Zeit!“ Er humpelte zur Thüre – aber ein Gedanke ließ ihn wieder umkehren: er wollte das warme Eisen schmieden. „Und wenn Se machen wollen noch e größeren Ruck … schauen Se an, Herr Purtscheller, wozu brauchen Se zu halten e Rennpferd?“

Purtscheller, welcher lachend nach dem Wein gegriffen hatte, stellte das Glas wieder fort und wandte mit hastiger Bewegung das Gesicht über die Schulter.

„Is e Sach’, was Ihnen kost’ e Heidengeld. Statt daß Se müssen bezahlen, können Se verdienen … und wenn Se gleich haben wollen e schön Stückl Geld auf die Hand, so verkaufen Se den Bräunl! Ich kann Ihnen machen e feins Gebot. Vor acht Tag’ hat mir gesagt der Schloßbräu, daß er für den Bräunl geben möcht’ viertausend Mark. Greifen Se zu, Herr Purtscheller! Und Sie können wie e feiner Mann bezahlen de rückständigen Hypothekzinsen und de Feuerversicherung und de unschönen Spielschulden beim Wirt, was sich nix passen für so en vornehmen und feinen …“

Erschrocken verstummte Rufel.

In aufflammendem Jähzorn hatte Purtscheller die Weinflasche gepackt und schlug sie gegen die Tischkante, daß die Scherben umherflogen und der Wein über Tisch und Dielen rann. „Du Gauner, Du gottverdammter! Jetzt kenn’ ich mich aber aus! Jetzt weiß ich, wie ich dran bin mit Dir!“ Er lachte in seinem Zorn. „So also is die ganze Komödie g’meint! Du und der Schloßbräu miteinander …“

„Erlauben Se gefälligst,“ stammelte Rufel, „wie können Se glauben …“

„In d’ Hand möchts mich kriegen,“ schrie Purtscheller, daß alle Fensterscheiben klangen, „und binden möcht’s mich am ganzen Leib, daß ich mir den Bräunl müßt’ abdrucken lassen um so ein Schandgeld!“

„Gott der Gerechte!“ Rufel wehrte mit beiden Händen. „Ich hab’s ehrlich gemeint, aber ich will nix gesagt haben! In Gottesnamen, behalten Se das Roß!“

„Net um hunderttausend Mark gib ich den Bräunl her! Net um die ganze Welt!“

„Ja, ja, ja! Behalten Se das Roß! Fahren Se mit dem Roß spazieren bis zu hundert Jahr! Ich bin zufrieden, wenn Se die Jagd …“

„’s Maul halt’, sag’ ich! Gelt, jetzt fahrt Dir die Angst in d’ Nasen, weil ich so g’scheit bin, daß ich hinter Dein’ ganzen Schwindel schau! ’naus mit Dir!“

„Aber Herr Purtscheller! So hören Se doch e ruhig und vernünftig Wörtl. So e feiner und vornehmer …“

„Ja! Fein! Ein bißl gar z’ fein für so ein’, wie Du bist!“

„Um Ihrer selbst willen und Ihrer guten Frau zulieb beschwör’ ich Sie …“

„’naus, sag’ ich, oder ich vergreif’ mich an Dir, Du Jud’, miserabliger!“

Dunkle Röte schoß über das hagere Gesicht des Alten und seine Stimme zitterte. „Beleidigen Se, bitt’ ich, den alten Rufel nicht! Ich bin nix miserabel! Ich bin e Jud’ … ohne was dabei …!“

„’naus! ’naus zur Thür!“

„Nix geh’ ich! Ich bleib’, Herr Purtscheller! Und will Ihnen wiederholen in aller Güt’ …“

„Daß ich mir vom Schloßbräu und von Dir ’s Kravattl soll zuschnüren lassen, gelt? … Gehst jetzt oder net! … Kerl, ich bin imstand und schieß’ Dich nieder auf der Stell’ …“ Keuchend sprang Purtscheller zum Ofen und riß seine Büchse vom Gewehrrechen.

Das zu sehen, ging über Rufels Mut und guten Willen. Mit einem Sprung, daß seine Rockschöße flatterten, war er bei der Thüre, mit dem nächsten schon draußen im Flur. Während er die Treppe hinunterstolperte, hörte er hinter sich einen Fluch und spürte einen Schlag auf dem Rücken – Purtscheller hatte ihm den Hakenstock nachgeschleudert. Taumelnd hob Rufel den Stecken auf. Als er seinen Zwerchsack unter der Treppe hervorgerissen hatte und zur Hausthür kam, trat ihm Karlin’ entgegen, bleich und zitternd.

„Rufel?“

„Verzeihen Se, meine liebe, gute Frau …“ Rufel hatte den Atem verloren und vermochte kaum zu sprechen. „Verzeihen Se, aber mit Ihrem Mann is nix zu reden! E Mensch, der die Leut’ erschießen will, die ’s ihm gut meinen … dem is nix mehr zu helfen! Der Rufel bedankt sich schön … mit e Schießgewehr is nix e Spaß zu machen!“ Scheu blickte er über die Treppe hinauf und dämpfte die Stimme. „Aber nehmen Se noch e Rat vom Rufel! Sehen Se zu mit aller Gewalt, daß Se bekommen das Regiment in Ihre Hand … oder Ihr schönes Haus fangt zu laufen an wie da droben der meschuggene Berg … und lauft und lauft bis hinunter ins Wasser! Ihnen zu lieb, meine gute Frau … Ihnen zu lieb will ich …“ Da hörte er droben im Flur die Schritte Purtschellers und schob sich erschrocken zur Hausthür hinaus.

„Rufel!“ stammelte Karlin’ und wollte ihn zurückhalten.

Doch ohne das Gesicht zu wenden, eilte Rufel durch den Garten. „Behüt’ Sie Gott, liebe Frau … aber es is mir nix zu verdenken, wenn ich mir salvier’!“ Als er von der roten Steintreppe auf die Straße sprang, warf er in seiner blinden Angst und Eile ein kleines Mädchen zu Boden, das ein irdenes Krüglein zwischen den Händen trug. „Nix für ungut, Kinderl!“ stotterte Rufel und eilte davon.

Droben vor der Hausthür stand Karlin’ und sah ihm mit nassen Augen nach. Tonerl hatte sich an ihre Schürze gehängt – und mit zitternden Händen preßte sie das Köpfchen des Kindes an ihren Schoß.

Da kam der Altknecht von den Ställen her um die Hausecke gelaufen.

„Frau Purtschellerin …“

Sie hörte kaum. „Was denn?“

„Ich trau’ mir’s schier gar net z’ sagen …“

Langsam blickte sie auf und strich die Zaushärchen hinters Ohr. „Was bringst denn?“

„Mit dem Bräunl is was passiert!“

„Jesus Maria!“

Im gleichen Augenblick trat Purtscheller aus der Hausthür – für die Jagd gekleidet, mit der Büchse auf dem Rücken und sah die beiden beisammen stehen – verzagt und wortlos.

„Was giebt’s?“

Er bekam keine Antwort – doch Karlin’ schob zitternd den Knaben hinter sich, als hätte sie Angst für ihn.

„No? Was is denn? Krieg’ ich bald Antwort oder net? Ich leid’ keine Tuschlereien im Haus – von meiner Frau net und noch viel weniger von ein’ Dienstboten!“

Da sagte es ihm der Knecht, kurz und grob. „Den Bräunl hat der Schlag ’troffen. Hint’ im Stall liegt er. Maustot! Für den hat der Doktor kein Trankl nimmer.“

„Was?“ Purtscheller erbleichte und tastete mit der Hand nach einer Stütze.

„Toni! Mein Toni!“ Karlin’ rief’s. Doch er schob den Arm seiner Frau zurück. „Ah na! Ah na! So was giebt’s net!“ lallte er und rannte durch Flur und Küche in den Wirtschaftshof. Keuchend stellte er die Büchse an die Mauer und trat in den Stall.

Da lag das schöne Tier auf dem Stroh, regungslos, mit eingekrampften Beinen und in einem Winkel stand Zäzil wispernd mit zwei Knechten beisammen.

Purtschellers Gesicht verzerrte sich und er hob die Faust. „Den hat mir der Jud verwunschen!“ Dann schoß ihm das Wasser in die Augen. „Bräunl! Mein Herzbinkerl, mein liebs!“ stammelte er, warf sich auf die Kniee nieder und versuchte den Kopf des Pferdes emporzuheben. Doch der Hals des Thieres war starr, und wie ein grauer Schleier lag’s über den Augen, die am Morgen noch so klug und feurig geblickt hatten.

In seinem hilflosen Kummer fing Purtscheller zu weinen an wie ein Kind.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0538.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2023)