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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Lombardei, in Oesterreich, schließlich noch in Ungarn. Napoleon nannte Eugens Siegesschlacht von Raab „die Enkelin von Marengo“. Und überall aus dem Feldlager zwischen Märschen und Schlachten schreibt Eugen seiner geliebten Auguste zärtliche Briefe voll Sorge um ihr und der Kinder Wohl, voll Sehnsucht, sie alle wieder in seine Arme zu schließen. Eine in mehr als einem Betracht schwere Aufgabe harrte seiner zuletzt: nach vollendetem Friedensschluß mit Oesterreich die „Pacifizierung“ des von jenem preisgegebenen Tirols. Es bleibt Eugens schönster Ruhm, durch „zu große“ Milde und Menschlichkeit den armen, in ihrem heiligsten Vertrauen getäuschten Aufständischen gegenüber sich das Mißfallen ihres nunmehrigen Landesherrn, Max Josef, sowie Napoleons zugezogen zu haben. Er bemühte sich angestrengt, die friedliche Waffenniederlegung der Führer zu erreichen; es glückte ihm auch; selbst Hofer schrieb ihm, daß er sich im Vertrauen auf Eugens Güte, Weisheit und Gerechtigkeit unterwerfe. Der Sandwirt kehrte in sein Passeyer Thal heim, aber neue falsche Siegesnachrichten vermochten ihn zu neuer Erhebung, und hiermit war sein Schicksal besiegelt. Eugen und der junge „teutschgesinnte“ Kronprinz Ludwig von Bayern hätten ihn gern gerettet, aber von Paris kam ein Befehl, der in furchtbarer Kürze anordnete, es sei ein Kriegsgericht einzusetzen, welches Hofer binnen vierundzwanzig Stunden abzuurteilen und erschießen zu lassen habe.

Napoleon stand nach dem Friedensschluß von Wien auf dem Gipfel seiner Macht und wiegte sich in dem stolzen Wahne eines festgegründeten Weltreiches. Aber es fehlte ihm der Erbe dafür. So reifte in ihm langsam der Entschluß der Scheidung, vor welcher Josephine schon geraume Zeit zitterte, und er rief Eugen herbei, um seine Mutter in ihrer ersten Fassungslosigkeit zu stützen. Es waren schlimme Tage. Napoleon, selbst bis ins Innerste erschüttert von Josephinens Jammer, wies gleichwohl aufs lebhafteste Eugens Anerbieten zurück, mit seiner Mutter ins Exil zu wandern. Dieser sowie Hortense haben bei jener Gelegenheit glänzende Proben ihrer vollen, edlen Uneigennützigkeit abgelegt und Prinzessin Auguste schrieb zugleich ihrem Manne: „Aus der Reihe der Großen wird man uns löschen, aber eintragen in die Reihe der Glücklichen. Gilt dies nicht mehr? …“

Es kam nicht so. Napoleon, der bei dieser Probe wieder so recht Eugens seltenen Wert erkannt hatte, knüpfte ihn neu mit festen Banden an sich, bot ihm Kronen, die jener ausschlug, aber er fand es nur natürlich, daß der Sohn Josephinens die neue Kaiserin Marie Luise als Freund begrüße und ein Jahr später die allgemeine Freude über die Geburt des Königs von Rom teile. Die Spannung der Pariser vor diesem Ereignis war viel größer als die Sorge über den Krieg in Spanien, und die Erregung stieg aufs höchste vor dem 22. Kanonenschuß, welcher die Sicherheit eines Sohnes und Thronerbens gab.

Und doch sollte der Thron selbst so bald schon ins Wanken geraten! Napoleon beging den ungeheuren Mißgriff des russischen Feldzugs. Eugen teilte Gefahren und Strapazen mit seinem Armeekorps und hörte gelegentlich im Bivouac vom Kaiser, daß Auguste schon sechs Wochen vorher nach ihrem dritten Kinde, einem Sohn, wieder ein Töchterchen geboren hatte. Nun bemüht er sich, ihr alle die nacheinander fallenden Schicksalsschläge so mild als möglich vorzustellen; er verschweigt ihr das trostlose Elend des Rückzuges, seine glänzenden Leistungen dabei und sucht noch zu scherzen über die Wirkungen von 24° Kälte auf Nasen und Ohren.

Den schwierigen Rückzug durch das haßerfüllte Preußen leitete Eugen mit vorzüglicher Umsicht, dann folgten nach kurzen Monaten der Ruhe die deutsche Erhebung und die ersten für die Franzosen noch glücklichen Schlachten. Von da weg schickte ihn Napoleon zur Aushebuug einer Verstärkungsarmee nach Italien und nun nach einer mehr als jahreslangen Trennung hatten sich die Gatten wieder. „Ich bin überselig!“ rief Auguste dem Bringer der ersten Freudenbotschaft zu.

Der letzte Akt des Dramas brachte Eugen in schweren inneren Konflikt. Max Josef von Bayern, gedrängt durch die Alliierten und seine eigene gefahrvolle Lage im Fall der Besiegung Napoleons, erklärte anfangs Oktober 1813 seinen Abfall und suchte Eugen zur Verständigung mit den Alliierten hinsichtlich der Krone von Italien zu bewegen. Aber Eugen blieb felsenfest bei Pflicht und Ehre, hielt die Lombardei gegen Oesterreich, während Napoleon seine letzten Schachzüge gegen die Alliierten in Frankreich that, und konnte doch nicht vermeiden, daß ihn dieser in seiner rasenden Erbitterung gegen die ganze Welt auch des Einverständnisses mit seinen Feinden zieh. Und doch stand Eugen, zwei Tage nachdem Napoleon bereits abgedankt hatte, unerschütterlich vor Mincio, der einzig Unbesiegte unter allen Führern der Franzosen. Als dann die ungeheure Nachricht kam, schloß er einen ehrenvollen Waffenstillstand, verabschiedete sich in warmen Worten von dem italienischen Volk und seiner Armee und entsagte, indem er mit seiner Familie nach München ging, im Alter von 32 Jahren einer Laufbahn voll glänzender Thaten und großer Erfolge.

In München wurde er von Max Josef als geliebter Sohn aufgenommen. Der König war stolz auf den hohen Ruf seiner Ehre und Rechtlichkeit, die sich in den nun folgenden schweren Zeiten der Verhandlung mit den Alliierten wieder in starkem Gegensatz zu dem eigennützigen Verhalten so vieler anderen abhoben. Alexander von Rußland, ja selbst der neue König Ludwig XVIII. empfingen ihn mit Beweisen der ausgezeichnetsten Achtung. Der letztere stand, als der Thürsteher „den Herrn Marquis von Beauharnais“ anmeldete, lebhaft auf und ging Eugen mit ausgestreckten Händen entgegen. Dann wandte er sich an jenen mit den Worten: „Sagen Sie: Seine Hoheit der Prinz Eugen, und fügen Sie hinzu: Groß-Connetabel von Frankreich, wenn es ihm genehm ist!“

Aber dem resignierten Mann war es nicht um Titel und Würden zu thun. Er war nach Paris geeilt, um seine kranke Mutter zu sehen, deren Leiden durch den heftigen Kummer über Napoleons Sturz zur Todeskrankheit wurde. Einen Monat nachdem der Verbannte sich nach Elba eingeschifft, am 29. Mai 1814, starb Josephine.

Was nun noch folgt bis zu Eugens frühem Tode, ist stilles glückliches Privatleben mit seiner Auguste und fünf blühenden Kindern, drei Töchtern und zwei Söhnen. Eine Stellung von der Alliierten Gnaden wollte er nicht annehmen; Napoleons Rückkehr und zweitem Sturze gegenüber hielt er sich neutral. Max Josef verlieh ihm dann das Fürstentum Eichstädt und den Namen eines alten ausgestorbenen Geschlechts, der Leuchtenperge, das zu Kaiser Heinrichs IV. Zeiten in Bayern blühte. Das Leuchtenbergische Palais in München sowie die Residenz Eichstädt wurden zu Vereinigungspunkten einer gewählten, durch Wissenschaft und Kunst gehobenen Geselligkeit. Er erlebte noch die Verlobung seiner ältesten Tochter mit dem Kronprinzen von Schweden, dann kamen wiederholte Schlaganfälle und am 21. Februar 1824 starb der bis zum letzten schweren Ende selbstlos gütige Fürst, dessen edles Bild wohl verdient hat, dem Gedächtnis der Nachwelt neu erweckt zu werden.


Fräulein Nunnemann.

Erzählung aus vergangenen Tagen.0 Von Eva Treu.

  (Fortsetzung.)


Wir waren unserer über dreißig, etwa zur Hälfte Angehörige unseres Seminars, zu denen sich ebensoviele Externe gesellten, welche sich auf eigene Hand vorbereitet hatten. Wir Pensionsküchlein zählten fast ausnahmslos nicht viel über achtzehn oder neunzehn Jahre, unter den Externen dagegen befanden sich sehr viele ältere Mädchen, die bereits jahrelang als Lehrerinnen wirkten und jetzt, um der dringenden Anforderung der neuen Zeit und des preußischen Schulgesetzes zu genügen, sich einer Prüfung unterwarfen. Die Zeiten waren längst andere geworden, auch bei uns. Niemand wollte mehr Unterricht und Erziehung seiner Kinder einer Lehrkraft anvertrauen, für welche der Staat nicht wenigstens eine gewisse, wenn auch bescheidene Garantie übernahm.

Es war unter diesen Externen mehr als eine mit klugen, überarbeiteten Augen und einem blassen feinen Gesichte, dem der Ernst des Lebens vorzeitig allerlei Spuren eingegraben hatte, mehr als eine, bei deren Anblick sogar das selbstsüchtigste Herz der eigenen Angst vergaß und dachte: „O, wenn doch nur diese, gerade diese nicht Unglück hat! Sie sieht aus, als wüßte sie dann auf Gottes weiter Welt nicht, was sie beginnen sollte!“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0543.jpg&oldid=- (Version vom 20.10.2022)