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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


Ja, nach meines Lebens Quell sehne ich mich, dessen Gemurmel ewig gültige Worte, dessen Echo die Liebe und dessen Najade Sie sind. Gießen Sie ihn aus, diesen Quell, rein und klar und voll, und beugen Sie sich freundlich über seinen Rand, damit Ihr liebes Bild sich darin spiegle und ein Gruß für ihn sei, der ihn begleitet durch freundliche Wiesengründe und hallende Wälder und hemmende Klippen, bis er still verrauschend sich senkt ins Meer der Ewigkeit.

Mein erster Gang war heute zu Dr. Liebmann, und zu meiner größten Freude wurde mir die Nachricht, daß die Doctorin wieder hergestellt sei und sich mit Schreiben und Dichten im Bette beschäftige; so daß also auch für mich und meine Hoffnung nichts im Wege steht, da sie sich zur Besorgerin und Empfängerin gewisser Briefe gütigst erboten hat. Diesen Brief werden Sie durch die dritte Hand, durch den Dr. Timm in Parchim erhalten, der so überaus gütig gewesen ist, mir eine schöne Arbeit auf den Hals zu laden, ich soll für ihn Notizen über Turnen und eine Geschichte des Friedländer Turnplazes schreiben, dafür aber drehe ich ihm eine Nase und mache ihn, ohne daß er es ahnt, zum postillon d’amour, zu dem er sich schickt (verzeihen Sie den Ausdruck) wie der Esel zum Geigenspielen.

Liebe Luise, erhalten Sie sich gesund, spazieren Sie fleißig, ich bitte darum und denken Sie öfter einst an mich und wenn ich nicht zu viel bitte, so schreiben Sie mir bald, damit ich nur das Vergnügen habe, zum erstenmale Ihre Handschrift zu sehen. Leben Sie wohl!
Ihr F. Reuter.“ 
(Fortsetzung folgt.)


Jocko.

Humoristische Erzählung von Joachim v. Dürow.

Ich kaufte mir einen Affen. –

Der geehrte Leser wird gebeten, von der allegorischen Bedeutung dieser Rede freundlich abzusehen, da solche ein eigentümliches Streiflicht auf die Schreiberin dieser Zeilen, eine schlichte Hausfrau vom Lande, werfen könnte. – Also: Ich kaufte mir einen Affen, in des Wortes wirklicher, verwegenster Bedeutung, und zwar um so verwegener, als der Ankauf in eine Zeit fiel, da es geboten schien, sich weder Affen, noch andere Entbehrlichkeiten zu kaufen; eine jener Zeiten, in denen der Landmann, zu dessen Beruf das Stöhnen bekanntermaßen gehört – einmal nicht stöhnt, d. h. wo es ihm wirklich schlecht geht. – Ernste Sorge findet nur schwer den Weg über die Lippe.

Schon seit Wochen zeigte sich der Himmel in endloser, strahlender Bläue; ungedeihlich war die Dürre für alles, was aufs Wachsen, aber höchst gedeihlich für alles, was aufs Kriechen angewiesen ist, für die Zünfte der Schnecken, Schwaben, Maden, Erd- und anderer Flöhe! Neben diesen veralteten Sorten ordinärer Kriecher erfreute sich die moderne Gesellschaft der Bakterien und Spaltpilze eines bedeutenden Aufschwunges.

Sonst war von Aufschwung wenig bei uns zu spüren, ausgenommen in dem sich darin großartig hervorthuenden Steuerzettel und in der Höhe der Beiträge für die verschiedenen Versicherungen, als da sind: Hagel-, Feuer-, Lebens-, Vieh- und Pferdeversicherung; Unfälle, noch in der Zeiten Schoße ruhend.

Neben diesen den Besitzern in der Provinz gemeinsamen Sorgen hatte sich für uns eine specielle herausgestellt, und zwar in Gestalt eines meinem Manne gekündigten, bedeutenden Kapitals; gerade in einer Zeit, wo totale Mißernte alles mit Hypotheken stark belastet hatte, so daß es ungemein schwer hielt, zu nur irgend annehmbaren Prozenten Geld zu erlangen. Dem Sprichwort gemäß, daß Freunde in der Not hundert auf ein Lot gehen, war die Frage, woher das Geld nehmen, noch immer eine offene, und der dadurch möglicherweise heraufbeschworene Verkauf unseres geliebten alten Familiensitzes hatte etwas geradezu Lähmendes für die Thatkraft meines Mannes, dessen Ehrgeiz in dem Wort: „vererbt von Kind zu Kindeskind“ wurzelte!

Von dem sinkenden Schein der Abendsonne angeleuchtet, saßen wir nach einem heißen Tage beim Abendbrot, mein Mann, ich, Fritz und Liese – unsere Kinder – ein alter Hauslehrer und „Fräulein“.

„Fräulein“ ist ein Begriff, der sich in den letzten Jahrzehnten von einer Anrede zu einem Gattungsnamen entwickelt hat; „Fräulein“ ist eine Zusammensetzung von Erzieherin, Wirtschafterin, Gesellschaftsdame und Kammerzofe höheren Stils; von jeder Gattung ein wenig, obschon in einzelnen Häusern das Verlangen besteht, daß „Fräulein“ von allem eben das Ganze sei.

Wenn in einer Gesellschaft die Hausfrau vorstellt: Herr von Soundso – Frau von Soundso – meine Töchter, und „Fräulein“, erfaßt mich immer ein Verlangen, mich an Fräulein sachte heranzupirschen (mein Mann ist ein starker Nimrod, daher der weidmännische Ausdruck), um sie nach ihrem Namen, ihrer Art und ihrer Sippschaft zu fragen, genug, mich ein wenig mit Fräulein außerhalb ihrer Charge zu beschäftigen. Ich halte auch daran fest, trotzdem die Hausfrau oft leicht die Stirn runzelt und flüstert: „Fräulein neigt so wie so schon stark der Ueberhebung zu.“

Unser Fräulein war eben unser Fräulein, und ich hoffe, daß sie sich in den langen Jahren unseres Beisammenlebens auch stets als die „unsere“ gefühlt hat!

In stillem Denken vor sich hinsehend, hatte mein Mann den ersten Teller mit saurer Milch ausgelöffelt und hielt ihn eben zu abermaliger Füllung hin, als der Klang von Musik uns alle aufschauen machte. Von der Rampe des Hauses ertönten Fidel, Klarinette und Baß, anfangs in einer alten Weise lieblich anheimelnd, dann aber in ein greuliches Charivari von Tönen ausartend, in dem sich besonders die Klarinette groß zeigte.

„Als ob man der Katz’ in den Schwanz kneift,“ sagte mein Mann, der im Getriebe des Alltagslebens prosaische Ausdrucksweise liebte; „gieb den Leuten was, August, und sie sollen machen, daß sie fortkommen!“

August war schon meines seligen Vaters August gewesen; daher die Einräumung gewisser Privilegien und zuweilen eine Vertraulichkeit der Redeweise, die sonst außerhalb der Rechte eines „August“ zu stehen pflegt.

Der Alte trat auf die Rampe hinaus: „Fort mit euch, ihr Painisten mit der Vijoline; schämt ihr euch denn nicht, mit so ’ner Musik vor ein adliges Haus zu kommen?“

Der Schlußsatz dieser Rede war überraschend feudal, aber er verfehlte insofern seine Wirkung, als die Leute ihren Abzug noch immer verzögerten.

„Sie haben nämlich einen Affen bei sich,“ flüsterte August, zufällig in der unmittelbaren Nähe von Fritzens Platz.

Mein Mann hielt im ganzen streng auf Disciplin, aber ebensowenig wie er nach Ansicht der Kinder ein Sitzenbleiben bei hereinbrechender Wassers- oder Feuersnot erwarten konnte, war dieses von ihnen vorauszusetzen, wenn draußen ein lebendiger Affe war.

Fritz und Liese gehörten zu jenen, ich muß es sagen, bevorzugten Kindern vom Lande, deren Fuß die große Stadt noch niemals betreten hat. Unerschlossen lag der Zauber des Theaters vor ihrer Phantasie, als ein unzertrümmertes Ideal stand der Zoologische Garten da; nicht einmal eine gewöhnliche Menagerie hatte sich auf den Lebensweg dieser Kinder gestellt. Weder hatten sie, wie solches mir in meiner Jugendzeit beschieden war, einem Panther gegenübergestanden, der „Omama“ sagte, noch hatten sie die Riesenschlange in ihrem uninteressanten Dasein in einem wattierten Kasten teilweise kennengelernt. So war ihnen auch der Affe nur aus der Naturgeschichte bekannt als frech, nachahmend, geschickt im Klettern, alles in allem ein durchaus heiter angelegtes Bild.

Um so niederschlagender war die Enttäuschung diesem Affen gegenüber! Hitze und Ruhelosigkeit hatten das arme Vieh bis aufs äußerste ermattet; die Toilette hemmte die Freiheit der Bewegung, die Jacke war durchaus im Schnitt verfehlt, in den Aermeln zu enge, und die viel zu kleine Husarenmütze konnte nur durch scharfes Anziehen des Sturmriemens auf der Höhe des Hauptes erhalten werden. Außerdem schnürte der Affenleibriemen die lange Taille hart zusammen, und wie sterbend schaute das gequälte Tier aus halbgeschlossenen Augen auf uns herab; es ließ den Zucker aus der lässig geschlossenen Hand teilnahmslos herabfallen – es leistete nicht das geringste in der erhofften Frechheit, und vorzugsweise

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0592.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2023)