Seite:Die Gartenlaube (1896) 0611.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


Ob erste oder zweite Garnitur, war aber dem Affen egal; nur dem Bedürfnis nach „weich und warm“ folgend, hatte er sich in den molligen, schmiegsamen Stoff förmlich eingenistet, und neben ihm fand man in unvertilgbaren Spuren Ursache und Wirkung des jammervollen Gebahrens. Und weiter sahen wir auch, womit er seinen Magen so übel zugerichtet hatte. „Der Affe hat sich über den Tuschkasten hergemacht,“ war eine jede Hypothese niederschlagende Gewißheit.

Da nun nichts schlimmer ist als der Feldzug gegen einen unbekannten Feind, so verhalf uns die durch diese Wahrnehmung erhaltene Gewißheit zu einer verhältnismäßigen Ruhe. Die übliche Vergiftungsmilch trat, sobald Jocko ein ziemlicheres Lager erhalten, in ihre Rechte – die Milch that ihre Schuldigkeit, und, ruhig atmend, lag er dann, mit weißen Tüchern angethan, da, während Fritz mit seiner dicken warmen Kinderhand die magere, kalte Pfote liebend umschlossen hielt.

„Manch einer mag sich in Italien solch einen Affen braten,“ meinte August, dessen Geographie mit Italien endete, „obschon der Mensch doch erbärmlich wenig an so einem trockenen Vieh zu knabbern hat.“

„August ißt nämlich alles, wenn es nur Fleisch ist,“ bemerkte Lieschen in unverhohlener Entrüstung, „er hat sogar einmal Katzenbraten gegessen.“

„Kind, rede mir nichts drein; Katz’ schmeckt allerliebst, und manch ein feiner Musje in Berlin, der seine Portion Hasenbraten im Gasthof teuer berappt, denkt auch nicht, daß das Essen von einem Lampus kam, der das Schnurren und Mausen aus dem FF verstanden hat.“

Der Affe fuhr empor, begann von neuem zu jammern, Fritz machte angstvolle, flehende Augen, und da der Inspektor gerade gemeldet hatte, daß es bei einem der Mastochsen da draußen mit der Freßlust bedeutend haperte, konnte man ja ohne besondere Schwäche gegen den Jungen und seine flehenden Augen den Tierarzt einmal holen lassen. –

Wir saßen mit einigen Nachbarn auf Besuch gemütlich um den Kaffeetisch, als Fritz in seiner schonungslosen Offenheit jubelnd hereinstürzte: „Wir sollen uns um den Affen nicht ängstigen, hat der Tierarzt gesagt! Dem Tierarzt sein Vater ist viele Jahre Diener bei dem Großonkel General gewesen, und er hat auch die Tante gut gekannt; wenn die den Tuschkasten gekauft hat, hat der Tierarzt gesagt, werden die billigen milden Pflanzenfarben wohl keinem Affen in der Welt Schaden thun.“

Schwül war die Luft, und schwüler ward die Stimmung.

„Sie sind dem dummen Jungen doch nicht böse, mein gutes Tantchen?“ fragte ich, nachdem die Gäste fort waren.

„Böse? O bewahre, Frau Nichte; ich kann nur nicht umhin, im stillen meine Vergleiche zwischen der Erziehung heutiger Zeit mit der aus meiner Kindheit zu ziehen. Man muß sich eben daran gewöhnen, daß zum Beispiel Geschenke von Respektspersonen, die man früher vom Kinde dem Kindeskinde vererbte, heutzutage der Menschheit zum Spott, den wilden Tieren zum ungedeihlichen Fraße dienen; infolge welcher Ungedeihlichkeit das Verderben neuer Flanellschlafröcke gleichmütig hinzunehmen ist.“

„Sie haben recht, liebste Tante; nur bitte ich Sie, diesen unglückseligen Affen, den niemand uns abnehmen will, einmal als ein ,Ausnahmetier‘ zu betrachten.“

„Freue mich, daß ihr in der brillanten Lage seid, euch Ausnahmetiere zu halten; wir hatten’s eben nicht dazu!“

Die nächsten Tage gingen, vielleicht infolge des Umstandes, daß der noch immer leidende Zustand des Affen dessen Thatkraft dämpfte und daß auch Fritz sich dementsprechend gemäßigt zeigte, in verhältnismäßiger Ruhe hin, bis zu jener unseligen Mittagsstunde, wo August, eifrig mit dem Braten und der Sauce hantierend, halblaut mit den Kindern flüsterte, was erfahrungsmäßig Unheil bedeutete.

„Na, ich sage bloß, das ganze Kabinett ist ein See.“

„Was ist geschehen, August?“

„O, nichts weiter; unser Affe hat bloß den Stöpsel unten aus dem Quararium ein bißchen herausgezogen, und da wäre die kleine Stube ziemlich unter Wasser, wenn nicht die Stücke Gardinen, die doch nach der neuen Mode auf die Erde zu liegen kommen, das Wasser beinahe aufgesogen hätten.“

„Und die Tiere?“

„Na ja, die Tiere! Den Molch, den hat der Affe wohl ein bißchen herzhaft kapojiert, wenigstens das Hinterviertel, was noch davon da ist – die Schildkröte ist ja schon seit ein paar Tagen so wie so weg.“

„Und der Goldfisch?“

„Hat den Ehrenplatz – liegt in der Visitenkartenschale.“

„Aber Fritz – Fritz was sagst Du dazu?“

Fritz kaute mit vollen Backen: „Nischt! Die Biester sind mir zu langweilig.“

Der Nachmittag ging in resultatlosem Suchen nach der kleinen Schildkröte unbehaglich dahin. Allerdings rühmte ja die Naturgeschichte diesen Tieren die Fähigkeit, wochenlang hungern und dursten zu können, nach, immerhin aber fiel es mir auf die Nerven, daß der Versuch solchen Hungerns und Durstens sich in meiner unmittelbaren Nähe abspielen sollte.

Am Abend erschien Tante Kunigunde unerwartet in dem Zimmer meines Mannes. „Ich wollte Dich bitten, lieber Ernst, mich innerhalb der nächsten Tage zum Bahnhof zu schicken. Ich möchte eine größere Geldsendung, die ich hierher dirigiert habe, noch abwarten und mich dann in meine vier Pfähle in ungestörtem Frieden wieder zurückziehen.“

„Aber Tantchen, ich hoffte, Dich einige Wochen als unsern lieben Gast hier zu haben!“

„Sage: ich dachte, lieber Neffe, und Du kommst der Wahrheit entschieden näher; ich dachte auch, daß ich mich in eurem Familienkreise noch eine Weile wohl fühlen könnte.“

„Und Du hast Dich nicht wohl bei uns gefühlt?“

„Teilweise, ja; soweit es Deine Frau, Deine Kinder und euer herzliches Leben untereinander betrifft. Ich bin aber zu altfränkisch, um mich mit den Ausnahmeprinzipien in eurem Hause in klugem Schweigen abzufinden; ich kann über die Ausnahmeerziehung der Kinder ebensowenig wegkommen wie über die Verschwendung in einzelnen Dingen, als da sind die kostbaren Gardinen, deren unterer Teil als Scheuerlappen dient, wenn es dem Ausnahmetier beliebt, das Haus unter Wasser zu setzen. Mein seliger Vater hat in seinen Erziehungsprinzipien die Regel aufgestellt, daß der Mensch sich den Mund nicht verbrennen solle; ich folge diesem Prinzip; aber ich gehe der Versuchung aus dem Wege und reise Dienstag ab.“

(Schluß folgt.)


Blätter und Blüten


Wie lange soll der Mensch schlafen? Zu den wichtigsten Vorbedingungen der Gesundheit zählt zweifellos ein ausgicbiger und geregelter Schlaf. In ihm erholen sich das Gehirn und das Nervensystem und beide nehmen Schaden, sobald dem Schlafbedürfnis nicht Genüge gethan wird. Es ist allerdings nicht so leicht, dafür allgemein gültige Regeln aufzustellen. Bei erwachsenen Menschen gestaltet sich das Schlafbedürfnis verschieden, es wird wohl durch die Beschaffenheit des Körpers sowie durch die Art der Arbeit beeinflußt. Immerhin konnten erfahrene Aerzte Durchschnittszahlen ermitteln, denen sich jeder einzelne anzupassen vermag. Vor allem ist zu beachten, daß die Dauer des Schlafes nach dem Lebensalter bemessen werden soll. Der russische Arzt, Prof. Manasseïn, hat in dieser Hinsicht jüngst einige Regeln aufgestellt, denen wir folgendes entnehmen:

Was die Neugeborenen betrifft, so muß dafür gesorgt werden, daß ihr Schlaf weder absichtlich noch unabsichtlich unterbrochen, noch künstlich verlängert wird. Für die ersten vier bis sechs Wochen seines Daseins muß das Kind täglich zwei Stunden wachend zubringen. Ein- bis zweijährige Kinder brauchen einen täglichen Schlaf von 16 bis 18 Stunden; zwei- bis dreijährige sollen 15 bis 17 Stunden täglich schlafen; drei- bis vierjährige 14 bis 16 Stunden; vier- bis sechsjährige 13 bis 15 Stunden; sechs- bis neunjährige 10 bis 12 Stunden; neun- bis dreizehnjährige 8 bis 10 Stunden. Im Uebergangsalter, wenn die Kinder sich zu Jünglingen und Jnngfrauen entwickeln, muß die Schlafenszeit ein wenig verlängert werden; gegen Ende dieser Periode kann man die Dauer des Schlafes wieder anf 7 bis 9 Stunden verkürzen. Nachdem die Periode des Wachstums vorbei ist, also mit dem 19. bis 20. Jahr, halten wir es für zweckmäßig, die tägliche Schlafenszeit auf 6 bis 8 Stunden zu beschränken. Das reifere Lebensalter – vom 25. bis zum 45. Jahre – kann sich nötigenfalls mit 5 bis 7 Stunden Schlafenszeit täglich begnügen, jedoch nur bei vollkommenem Wohlbefinden.

Was nun alte Leute – Greise – anbetrifft, so hat sich die Dauer

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 611. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0611.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)