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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Meine liebe, theure Luise, denke an mich freundlich, zeige mir diesen Brief, wenn Du einst fürchtest, daß ich auf Abwege gerathen könnte, und denke Dir mich so, als wenn Du nur mein Haar streicheltest und sagtest, Du siehst heute so gut aus. Unter meinem Fenster ist Hornmusik, sie zaubert mir die Hoffnung auf manchen Liederabend in’s Herz. Wenn mir dies Leben wirklich so ans Herz gewachsen wäre und nicht Deine Liebe, so könnte ich ja nur die Schande wählen, statt der Tugend, bedenke dies Alles, bedenke auch, daß ich schon vorige Woche das Aufgebot bestellt habe, daß Einrichtungen und Bestimmungen getroffen sind, die jedenfalls schwierig zu redressiren sind. –

Aber alle Deine Bestimmungen sind mir unmöglich gewesen zu erfüllen, doch hat es mit einigen auch Zeit, z. B. mit der Fracht, die kann ich noch immer bestellen. Deinen oder besser Vaters Wunsch um Uebersendung des Naturalisations-Attestes erfülle ich heute; da ich wirklich diesen Gegenstand übersehen habe, weil er am Rand des Couverts stand. Ach, mein süßes Kind, ich möchte noch allerlei schreiben; aber wenn Du Dich nun besännest oder es Dir gar so zu Herzen nähmest, daß Du mir wieder krank würdest. Fasse Dich jetzt nur, gehe in den Garten, weine Dich aus, denke, daß ich Dir viel Trübsal gemacht habe, daß ich Dir doch auch wieder viel Freude machen kann und werde; oh Du liebes, liebes Mädchen; denke doch daran, wie süß Du es mir einst vergabst, wie wir beide so seelig gerührt waren, wie die Versöhnung so schön und die Verzeihung die Liebe so reich macht!

Was die Weste betrifft, so bitte ich Dich recht dringend, arbeite keine für mich, laß es bis zur Zeit, wo Du selbst mir Maaß nehmen kannst, ich habe schöne Westen genug und sollst Du nicht sitzen, wenigstens jetzt nicht. Einen Brief von Schmiedekampf lege ich Dir hier bei, damit Du seinen Vorschlag daraus ersiehst; ich rathe jedoch nicht dazu, wenn es nicht möglich ist, daß sich das durch Ratenzahlung kaufen läßt, wird es uns zu drückend sein. – Wir kaufen es bei Roloff, schicken das meiste Leinzeug und die neuen Betten mit Fracht nach N. Brandenburg und lassen dies als Aussteuergut von dort einfahren; meinen Klapperkram führen wir über den andern Zoll und bitten Ernst, daß er es uns fährt, dann kostets uns nicht viel.

Victualien aller Art, so wie ungemachtes Leinenzeug sind durchaus nicht frei, müssen also versteuert werden, was denn zuweilen recht hoch ist.

Und nun will ich mich denn noch einmal hinsetzen, um mit Dir zu plaudern, als wäre nichts vorgefallen, oder besser, als hättest Du schon Alles vergeben; aber ich glaube es wird nicht gehn, ich glaube ich bin zu traurig, um des frohen Tages so zu gedenken, wie Du ihn Dir gedacht hast, als Du den letzten Brief schriebst. Wie seelig sind damals Deine Gefühle gewesen, wie freudig in ihrer Hoffnung, wie innig mit mir beschäftigt! Oh laß es so, laß den Ring fest, fest sitzen, denke, daß er mit Dir verwachsen ist, wie meine Seele mit der Deinen … Willst Du den traurigen Inhalt des Briefes mittheilen, so sage ihn Mutter allein und mache mir nicht die Beschämung bei den übrigen Geschwistern; Vater vergiebt ihn mir, glaube ich, auch zu Mutter habe ich eben so ein Vertrauen.

Mein Wiesing, mein liebes, holdes Kind, Du sollst es gewiß gut bei mir haben, wir wollen Ein Herze sein, wir wollen die kleinen Unannehmlichkeiten mit Freuden ertragen und wollen Gott bitten um zufriedne, liebende Herzen; unsre kleine Häuslichkeit ist wirklich geschaffen für uns und läßt sich durch Liebe und gegenseitige Güte und Dankbarkeit für das, was wir haben, zu einem Paradies umschaffen.“

(Unterschrift fehlt.) 

(Schluß folgt.)


Jocko.

Humoristische Erzählung von Joachim v. Dürow.

     (Schluß.)

Dienstag reiste „det Generalke“ und den Tag vorher (es war ein unvergeßlicher Montag) kam das Geld.

Mein Mann brachte den umfangreichen Brief persönlich in das Zimmer der Tante, und trotz der äußerlich gewahrten Ruhe funkelten ihre Augen in ungewohntem Glanze, während sie die bedeutende Summe prüfend in der Hand wog.

„Ich möchte in Deiner Gegenwart die Papiere nachzählen, lieber Neveu; möglicherweise stimmt die Summe nicht, und ich bedarf Deiner als Zeuge!“

„Ich fürchte, die Sonne wird Dich blenden – soll ich vielleicht das Rouleau herablassen?“

Schmeichle mir nicht,“ schrie die Tante, deren auf Schmeichelei und Schleicherei stets gespitztes Ohr angesichts der ausgebreiteten Scheine in diesem Augenblicke dem ungerechtesten Argwohn verfallen war.

Mein Ernst hatte gute, treue, zuweilen ein wenig erstaunte Augen – und ich kann mir denken, mit welch verwundertem Ausdruck diese Augen dem mißtrauendem Blick der Tante begegneten. Durch diese Beschäftigung seiner Blicke aber entging es ihm wie der Tante, daß durch das offenstehende Fenster Meister Jocko seinen Einzug hielt.

Er war längs des Weinspaliers in die Höhe geklettert, der genesende Affe – er sah den ungewohnten Anblick der ausgebreiteten Scheine in Reih’ und Glied – und er war mit einem einzigen kühnen Sprunge mitten unter diesen Scheinen.

„Huh!“ schrie die Tante – raffte und schlug – und da sie raffte, raffte der Affe auch; zunächst einen Tausendmarkschein, den er zur Kugel ballte, und diese, mit dem Daumen nachhelfend, direkt in die dehnbare Backentasche hineinschob.

Möglicherweise hätte man bei einiger Fassung den Schein noch dem Affen entringen können; – man ging aber ohne jede Fassung in hellem Zorn dem Diebe zu Leibe; man ergriff einen Sonnenschirm, kraft dessen man in blindem Eifer den Sünder zur Höhe der Gardinenstange emportrieb; von welchem gesicherten Standpunkt besagter Sünder in stiller Beschaulichkeit dem wüsten Treiben dort unten zusah.

„Ruhe, Tantchen, Ruhe,“ bat mein Mann; „möglicherweise läßt sich die Nummer noch entziffern; die Kanaille holt den Schein aus der Backe; – komm, Jockochen – gutes Jockochen – Jockochen, komm zu Papachen!“

Jockochen zeigte sich der unvermuteten Vaterschaft geneigt; er faltete den durchaus nicht hoffnungslosen Schein auseinander, beleckte ihn bedächtig von oben bis unten und schien zur Rückgabe gewillt. Dann aber mochte ihn ein Etwas in dem aufwärts gerichteteu Antlitz der Tante reizen, denn er schnatterte kräftig von oben herab – zerriß den Schein in ganz kleine Fetzen und warf diese immer nasser und immer rascher der uuteu harrenden Dame direckt ins Gesicht.

Worauf der Affe, gesonnen, sich abermals einen Tausendmarkschein zu holen, in Seelenruhe seinen Abstieg nahm.

Hastig bemühte sich mein Ernst, den von neuem bedrohten Mammon zu bergen. Er wandte sich erst der Scene wieder zu, als ein seltsam unartikulierter Laut unheimlich sein Ohr berührte, und dann –

Er sah den Affen von der Hand der Tante hoch emporgehoben – und ehe er der That wehren konnte, flog das in der Kraft des Zornes geschleuderte Tier zum Fenster hinaus – schlug hart auf dem festen Kiesboden unten auf und dann war es still.

Einige Minuten darauf standen wir um das arme Tier – Ernst, ich, und die Tante auch.

„Wird er leben bleiben?“

„Nein, das Kreuz ist gebrochen.“


„Ich habe ,Gut‘ unter mein Diktat bekommen“, tönte es von der andern Seite des Gartens her, und in fröhlichen Sprüngen kam mein Fritzel angelaufen. Mein Mann ging ihm entgegen und faßte den Jungen bei der Hand: „Nimm Dich zusammen, kleiner Kerl. Sieh einmal, der Affe ist vom Spalier herabgestürzt –“

„Nein, nein,“ rief ich in zorniger Wallung aus, „er soll die Wahrheit –“

Die Hand meines Mannes umklammerte fest meinen Arm. „Der Affe ist vom Spalier herabgestürzt, liebe Alte, und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0622.jpg&oldid=- (Version vom 2.12.2022)