Seite:Die Gartenlaube (1896) 0642.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Stimmen erhoben, und Du wirst gewahr werden, daß, wie groß auch meine Leidenschaft für Dich ist, meine Liebe doch noch größer ist. Laß uns den Tag in Voraus feiern und nimm mein Gelöbniß an, daß ich Dich ernstlich lieben will und Dich für Dein Leid durch alles Gute belohnen will. Meine süße, liebe, kleine Luise! Heute über 14 Tage! Schreibe mir jetzt nur bald, stärke meine Hoffnung durch fernere Güte und laß dieselbe auch in Dein Herz ohne Hemmniß einziehen. Du bist doch wohl? Nicht wahr, Du bist wohl! Nur jetzt werde mir nicht krank.

Wie ich mich sehne nach Deinen Zeilen, die Sehnsucht kann nur durch die nach Dir selbst übertroffen werden; wie ich sinne, Dir Deinen Aufenthalt hier lieb und angenehm zu machen! Du wirst jetzt mein liebes, süßes Weib und Alles will ich Dir zu Liebe thun, was in meinen Kräften steht; gewiß soll mich keine falsche Schaam abhalten, Dir zu folgen, denn ich weiß, Du wirst Deine Gewalt über mich nicht mißbrauchen.

Jetzt muß ich zum Turnen und morgen erst geht mein Brief ab, Du wirst ihn nach meiner Rechnung am Sonnabend haben, wenn Du dann am Sonntage schreibst, erhalte ich Deine Antwort hier nicht mehr, wohl aber in Stav., worauf ich mit Bestimmtheit rechne, sonst wird die Verwirrung arg; aber vielleicht hast Du schon geschrieben, wenn dieser Brief ankommt und hast alles besorgt, dann erhalte ich das Geforderte hier und dann ist’s so viel besser.

Lebe wohl, Du meine einzige Luise, lebe wohl bis wir uns wiedersehn, um uns nicht mehr zu trennen und küsse mich in Gedanken, wie ich es thue
  Auf immer Dein
(Fritz.) 

Treptow d. 3t Juni 1851.“


Am 16. Juni segnete wirklich der wackere Pastor Kunze in Roggensdorf den Bund seiner Luise und ihres Erwählten ein. Die junge Ehe, die diese dann in Treptow führten, brachte den Hoffnungen beider herrlichste Erfüllung. Er that ihr, wie er versprochen, alles zuliebe, und sie entsprach seinem Vertrauen und mißbrauchte die ihr eingeräumte Gewalt nie. Und es dauerte nicht lange, da regte sich die Lust zum litterarischen Schaffen mächtig in ihm. Wie bereits im ersten Jahre der Ehe sein erstes Buch, „Läuschen und Rimels“, zu entstehen begann, wissen wir von ihr selbst – sie hat es, als ihre von seltenem Glück gesegnete Ehe nach dreiundzwanzigjährigem Bestande durch Reuters Tod ein schmerzliches Ende nahm, der Nation selbst erzählt in jener Niederschrift für die „Gartenlaube“, die im Jahrgang 1874 zu lesen ist: „,Jch kann ja auch mal ein Buch schreiben’, hatte er bei seiner treuen Liebeswerbung gesagt, und wenngleich das zu jener Zeit etwas ungeheuerlich klang und mir dieser Wechsel auf Hoffnung gar nicht allzu sicher schien, dachte ich doch: ,J, im Stande wärst Du schon dazu.‘ Und er war’s, der liebe, beste Mann! Fast allabendlich, nach Beendigung von sechs bis sieben Privatstunden, wurden von acht bis zehn Uhr „Läuschen“ geschrieben, harmlose, teils selbsterlebte, teils allbekannte kleine Anekdoten, die er oft schon in heiteren Freundeskreisen ergötzlich erzählt hatte … Welch reines, ungetrübtes Glück umschloß diese stillen Arbeitsstunden! Ich glaube, man konnte nicht glücklicher sein als wir zwei Menschen.“

Einen Verleger fand Reuter freilich nicht für sein erstes Bnch, und nur mit geliehenem Gelde, das ihm einer seiner Treptower Freunde, der Justizrat Schröder, vorschoß, konnte er es auf eigene Kosten drucken lassen. Aber als es dann erschien, fand es bei seinen engeren Landsleuten in Mecklenburg und Pommern schnell warme Aufnahme und guten Absatz. Das lustige Volk, das der Dichter da vor ihnen aufmarschieren ließ, das war Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blut. Wohl waren die komischen Pointen durch die Kunst des Poeten gesteigert und verfeinert, aber auf dem Wege durch Vers und Reimzeilen war der derbgemütlichen Eigenart des heimischen Lebens und der plattdeutschen Mundart nichts von ihrer Frische und Kraft verloren gegangen. Der Erfolg ermutigte Reuter, die Sammlung seiner plattdeutschen Polterabend- und Julklappdichtungen, welche er während seiner „Stromtid“ für Freunde und dann auch auf Bestellung gemacht hatte, durch einige weitere zu ergänzen und zum Inhalt eines zweiten Buches, das den Titel „Julklapp“ erhielt, zu machen, dem bald die erste größere erzählende Dichtung „Die Reis’ nach Belligen“ folgte. Ehe er dann in Hinstorff in Neubrandenburg einen Verleger fand, der sich in der Folge um die Verbreitung der Schöpfungen Reuters, weit über die Grenzen Norddeutschlands hinaus, hohe Verdienste erwarb, ließ sich dieser den Vertrieb seiner Erstlingswerke selber angelegen sein, und zwar mit gutem Erfolg. Aus der frohen Stimmung heraus, mit welcher ihn diese Anfänge seiner dann schnell zu Ruhm und Wohlstand führenden Dichterlaufbahn erfüllten, ist der folgende Brief geschrieben, der an die zu Besuch bei den Eltern weilende geliebte Frau gerichtet ist, um die er hatte so lange werben müssen.


  „Meine liebe, kleine Frau,
Es ist schon wieder halb zwölf Uhr; ich hole Deinen Brief herfür, lese Deine herzlichen Zeilen noch einmal in dankbarer Erinnerung allen Glücks, das ich Dir verdanke und beginne Dir zu schreiben, wie ich mich ganz grausam sehne, Dich wieder zu begrüßen und – zu küssen. . . . Wie gerne wäre ich eine halbe Stunde bei Dir, um Dir recht sehr, sehr viel Gutes und Freundliches zu sagen, und Dir für Deine innige Liebe zu danken; doch bald wird dies der Fall sein. Ich denke so gegen den 25st. d. M. mich auf die Reise zu begeben, die aber, da sie den Character einer Fußreise tragen wird, nicht besonders rasch von Statten gehen dürfte. Erste Station ist Stavenh.; darauf Varchentin, Wahren, Jabel, Parchim, Grabow, Dömitz (diese beiden dürften indessen ausfallen) Lübtheen, Jeßnitz (wo Müller und Reinhardt) dann Schwerin, dann wohl gleich Roggenstorf und die letzte Station? Wo sollte die wohl sein, meine kleine Luise? Ich vermuthe sie wird Dir nahe genug sein, um mich zu überzeugen, daß Du mein kleines liebes Weib bist. Gelder sind eingegangen; aber sehr mangelhaft. Lübeck und Stettin und Güstrow haben kaum die Hälfte gesandt. Kaibel in Wahren das Meiste. Barnewitz, Richter-Friedland und Herwig-Greifswald gar nichts; ich habe indessen doch 50 [rth] an Krüger in Malchin auszahlen können, habe jetzt noch circa 27 [rth] in Cassa; werde in Wahren 9 [rth] in Lübtheen 5 [rth] einnehmen und denke dann so viel zu haben, daß Du Deinen Lübecker Gelüsten nachkommen kannst. Mußt aber auch recht gut sein! und recht gesund! Heute habe ich einen Einladungsbrief von Lisette erhalten, die alte gute Seele will uns auf dem Pritzierer Bahnhof abholen. Diesmal muß sie mit einem reisenden Handwerksburschen in der liebenswürdigen Gestalt ihres Bruders vorlieb nehmen. –

Mit meiner Arbeit geht es frisch vorwärts, ich habe heute ausgerechnet, um Dir eine Freude zu machen; ich habe 840 Verse geschrieben, 1/7 des vorigen Buches, gut 21/2 Bogen, den Bogen zu 3 Louisd’or gerechnet (ich krieg aber mehr) macht 371/3 Thlr. Gold; ein ernsthaft, sentimentales, auf romantische Art angefertigtes Gedicht für eine Zigeunerin; ein burleskes, berlinisches Jargon enthaltendes Drehorgelgedicht mit Einleitung und ernsthafter Schlußbemerkung; ein plattdeutscher Liebeszwist zwischen Carl und Marieken mit Nutzanwendung über die Vorzüge der Dämlichkeit, und ein Lumpacivagabundengedicht vom Schneider Zwirn, Schuster Pech und Tischler Leim, welches noch seiner endlichen Vollendung harrt; letzteres ist mit Prügel und Rausschmeisen, wovon ich mich jroßen Effect verspreche.

Morgen muß ich nun leider wieder Diltzische Correcturen besorgen und störende Briefe schreiben. – Die Laube ist aber schön, prächtig, wie gemacht, schlechte Gedichte zu machen. Heute Nachmittag hat die Möllhausen, die Adam und Fräulein Hagen, die Ruskow und was weiß ich, darin Caffe geklatscht; ich konnte nicht, weil’s Mittwoch war. Lippold ist hier gewesen und hat die Damen der Umgegend wieder scharf gemacht. Flos und er haben heute Abend bei mir junge Kartoffeln und Hering gegessen. Oh! wir leben hier nicht schlecht! Darauf sind wir auf 10 Minuten (nicht mehr) zum Klosterberg gegangen, wo Peters et Frau, Superintendent et Frau, Schmidt et Frau und Blümke et Frau und Frau Hilgendorf ohne den Ritter, welcher leidend ist, sich antreffen ließen.

. . . Nun, mein kleines Weib, gute Nacht! ich wollte ich wäre jetzt bei Dir, Du solltest sehn, wie lieb ich Dich hätte, ich wollte, ich hätte Dich hier auf meinen Knien, wie wollt ich Dich küssen und Dir tausendmal sagen, daß ich doch bin
 Dein
alter bester Freund  
Fritz Reuter. 

Treptow, d. 12t Julii 1854.“


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0642.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)