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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

doch reif genug, um über mein ganzes künftiges Leben zu entscheiden, warum soll sie es denn nicht sein? Daß sie nie die gemeinen Sorgen des Lebens kennenlernen, daß sie ihr Schmetterlingsdasein weiter führen wird, kann doch nur für die Partie sprechen.“

„Aber diese Unnatur, Käthchen, bedenke doch nur! Er ist beinahe dreimal so alt als das Kind und hat sein Leben reichlich ausgekostet, während sie demselben erst entgegenträumt. Dieses späte Aufflackern einer Leidenschaft kann den Unterschied nicht ausgleichen, der notwendig in den: Empfinden der beiden entstehen muß.“

„Elfe ist eine sehr kühle, reflektierende Natur, von Leidenschaft ist in ihr nichts vorhanden.“

„Noch nichts, sage: noch nichts! Wehe ihr, wenn die in ihrem Herzen erwacht und sie sich an einen alten Mann gebunden fühlt!“

„Alten Mann – und das von Walden! Aber, Erich, ich bitte Dich, Dein Vorurteil macht Dich blind. Ist das eine Bezeichnung, die auf diesen flotten, schneidigen Kavalier paßt? Ich will nicht gerade sagen, daß solch ein großer Altersunterschied mein Ideal ist, aber zwölf bis fünfzehn Jahre mag der Mann immer älter sein, wir Frauen verblühen ja so schnell.“

Er stöhnte laut und legte sich in die Kissen zurück. „Wenn man Dich so reden hört, man könnte an Deiner Liebe zu unserem Kinde zweifeln!“

„Im Gegenteil, man kann in dieser Sorge um ihre Zukunft nur die wahre Liebe erkennen. Ich möchte sie vor Mühen und Sorgen, vor Einschränkungen und Entbehrungen bewahrt wissen. Kann man einen sichereren Weg dazu wählen, als wenn man sie einem reichen Manne zur Frau giebt? Ich möchte sie auf den Höhen des Lebens sehen, und da er ein gescheiter Mensch ist und sie den notwendigen Ehrgeiz besitzt, so wird sie günstig auf ihn wirken und so die treibende Kraft werden, die ihn vorwärts führt. Ich möchte sie behütet, gehegt, gepflegt und hochgehalten wissen; giebt mir das jugendliche Empfinden eines Menschen von vierundzwanzig Jahren mehr Berechtigung, auf die Erfüllung dieses Wunsches zu rechnen, als die tiefe Liebe eines reifen Mannes?“

Ihr Gatte hatte den Kopf nach der Seite gekehrt und schwieg.

„Ich will Deiner Entschließung nicht zuvorkommen, Erich, und Du weißt es, ich bin die erste, die sich stets derselben unterordnet. Du bist immer ganz und gar der Herr in Deinem Hause gewesen und wirst es auch in diesem Falle sein; aber es ist doch meine Pflicht, bei einer so ernsten Angelegenheit alle Seiten derselben zu betrachten. Sieh, welche Aussichten für ihre Zukunft haben überhaupt die Töchter hochgestellter Beamten, welche kein Vermögen besitzen? Sie erwachsen in einem gewissen Luxus, die häuslichen Einrichtungen, die Gesellschaft verwöhnt sie – was soll ein solches Mädchen machen, wenn es nicht heiratet? Mit der Nähmaschine oder einer der modernen Erwerbsthätigkeiten kann sie sich nicht ernähren, ihr fehlt die Bedürfnislosigkeit und die Energie, die nur in einem Menschen sich entwickelt, der von Anfang an seine Zukunft auf die Arbeit gestellt sieht. Nur in Ausnahmefällen ist das anders. Und die Partien, die sich ihr bieten? In erster Reihe ist es der besitzlose Lieutenant und Referendar, die im Hause ihres Vaters Eingang finden, eine ausgezeichnete Figur bei allen Gesellschaften machen und im übrigen, ebenso wie sie, auf eine reiche Heirat angewiesen sind. Du solltest Dir die Sache zweimal überlegen, Erich! Sieh, nicht nur für Elfe, auch für uns persönlich wäre die Verbindung sehr wünschenswert. Walden hat eine große, prachtvoll möblierte Wohnung, einen vollständigen aufs eleganteste eingerichteten Haushalt. Heutzutage kostet solche Ausstattung ein kleines Vermögen – hast Du dieses für solche Zwecke liegen? In nächster Zeit geht Leo nach Berlin; der Junge war immer Dein Verzug; was wird er Dir dort kosten, nachdem Du ihn daran gewöhnt hast, daß Du ihm keinen Wunsch abschlagen kannst?“

Der Geheimrat hatte sich ihr wieder zugekehrt und hörte ihr gespannt zu und mit einer gewissen Zustimmung in den Mienen.

„Es wird doch nicht gegen ihre Neigung sein?“

„Dann, Erich, wäre ich doch gewiß die erste, die sich dagegen sträubte.“

„Hat Walden sich schon zu Dir ausgesprochen, Käthchen?“

„Behüte – mit keinem Wort hat er daran gerührt. Wer weiß, ob er überhaupt die Absicht hat?“

„Aber das ist doch kaum zu bezweifeln,“ sagte der Geheimrat eifrig, „er ist doch kein Student, der so gedankenlos den Courmacher spielen kann. Ein Mann in seinen Jahren und seiner Stellung würde ja geradezu frivol handeln, wenn er ohne ernste Absichten sich einem Mädchen in der Weise, wie Du sagst, nähern wollte. Nein, das scheint mir doch nach der ganzen Sachlage völlig ausgeschlossen. Und Du hast recht, das übrige können wir ja wohl ruhig abwarten!“ (Fortsetzung folgt.)


Fridtjof Nansen.

Von Professor Dr. Sophus Ruge.

Nansen begrüßt die Heimat.

Nansen ist von seiner dreijährigen Polarreise glücklich zurückgekehrt und am 13. August – vorläufig ohne Schiff, nur von einem treuen Gefährten begleitet – auf einem englischen Fahrzeuge in Vardö gelandet.“ Diese Kunde durchlief mit Blitzesschnelle die ganze Kulturwelt – überall die freudigste Überraschung, in seinem Vaterlande den lautesten, stolzesten Jubel weckend. … Er war nach etwas mehr als drei Jahren in demselben Hafen wieder ans Land gestiegen, wo er sein Heimatland im Beginn seiner Fahrt verlassen hatte.

Die Erwartung und Spannung der wissenschaftlichen Welt wurde überraschend schnell von dem kühnen Forscher durch einen vorläufigen Bericht über den Verlauf der Fahrt befriedigt. Kurz und knapp sind die Thaten und Ergebnisse gezeichnet und beweisen in ihrer Klarheit, daß Nansen trotz der mühsamsten Eiswanderungen und Schlittenfahrten an geistiger Elasticität keine Einbuße erlitten hat. Und über sein Schiff, die vortrefflich bewährte „Fram“, war er ohne Sorge, denn er schrieb: „Die Leitung der Expedition übergab ich Sverdrup und ich habe solches Vertrauen zu seiner Tüchtigkeit als Leiter und seiner Fähigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden, daß ich nicht daran zweifle, er werde alle Mann unversehrt heimführen, selbst wenn das Schlimmste geschehen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0652.jpg&oldid=- (Version vom 12.3.2023)