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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


z. B. Turnübungen wie Dauerlauf einen außerordentlich günstigen Einfluß auf die Entwicklung der Brustmuskulatur, das Atmen und die Herzthätigkeit haben, allein sie habe ich nicht im Auge. Noch um eine viel einfachere, viel weniger anstrengende Maßregel, die von jedem, auch dem schwächlichsten Kinde sofort ausgeübt werden kann, handelt es sich hier. Man sollte Kinder, die von Hause aus schon an einer mehr oder weniger ausgesprochenen Eng- oder Flachbrüstigkeit leiden oder bei denen sich diese erst als Folge einer Erkrankung des Nasenrachenraumes herausgebildet hat oder herauszubilden droht, möglichst frühzeitig daran gewöhnen, ihren ganzen Luftvorrat nur durch den Nasenweg bei streng geschlossenem Munde sich zu holen, und zwar mehreremal des Tags über, d. h. sie sollen unter tags in aufrechter Stellung bei festgeschlossenem Munde ganz langsam so tief, als sie es nur zu Wege bringen, einatmen und dann die Ausatmung in demselben langsamen Tempo folgen lassen. Am zweckmäßigsten werden diese Atemholübungen abends nach Sonnenuntergang, nach einem Gewitterregen, kurz wenn die Luft verhältnismäßig wenig staubhaltig, rein ist, durchgeführt; auf dem Lande, im Walde, an der See ist es natürlich infolge der besseren Luftbeschaffenheit ziemlich gleichgültig, wann das geschieht. Von außerordentlich mächtigem Einfluß ist die Uebung aber besonders abends unmittelbar vor dem Schlafen: es soll hier in der Rückenlage möglichst tief und langsam ein- und ausgeatmet werden; der Brustkorb muß durch einfaches Selbstzusammensinken die Luft bei der Ausatmung heraustreiben. Das sollte etwa 6–10 mal hintereinander, nicht öfters, und aber auch wieder Tag für Tag, jeden Abend wiederholt werden. Der Erfolg dieser gewiß einfachen, absolut kostenlosen und gar nichts als einen guten Willen und etwas Ausdauer erfordernden Maßregel ist geradezu wunderbar. Er beruht auf der Thatsache, daß wir Kulturmenschen im allgemeinen durchschnittlich in unserer Atmung viel zu faul sind; wir benutzen unsere Lungen nicht, wie sich’s gehört; wir nutzen bloß einen verhältnismäßig sehr geringen Bruchteil unseres großen ausdehnungsfähigen Lungengebiets bei der gewöhnlichen Atmung aus, und infolgedessen muß, wie dies bei jedem nicht genügend zur Arbeit herangezogenen Organe der Fall ist, eine Entartung der Lunge eintreten.

Also in Bezug auf Lungenübung, und das bedeutet in gewissem Sinne auch gleichzeitige Kräftigung des Herzmuskels, wird viel zu wenig geleistet und man sollte im Interesse seiner eigenen Gesundheit den obengenannten so leicht auszuführenden und wirklich nur wohlgemeinten Rat – das kann für alle gleichmäßig gelten, für groß und klein, jung und alt, fett und mager, – nicht so leicht im Winde verflattern lassen.

Anfangs, wenn die Brust sich noch nicht recht gewöhnt hat, werden die Atemzüge natürlich noch nicht so ausgiebig sein können; gar bald aber steigt die Tiefe der Atemzüge und mit ihr die Atemgröße und wir fühlen ganz deutlich selbst an uns, wie die Luft bis in die äußersten obersten Partien, die Lungenspitzen, eindringt, sie auswölbend; der ganze Brustkorb dehnt sich, unseren Sinnen deutlich wahrnehmbar, mächtig aus. Man kann auch thatsächlich mit geeigneten Apparaten das langsame Aufsteigen der Atemgröße bei jedem einzelnen nachweisen.

Ich habe oben gesagt, es sollen die langsamen tiefen Ein- und Ausatmungen auch besonders abends unmittelbar vor dem Schlafe in der Horizontallage ausgeführt werden; auch das hat nicht bloß für Kinder Geltung. Die Vornahme der Uebungen gerade zu dieser Zeit – natürlich vorausgesetzt, daß das Schlafgemach gut gelüftet, frisch und kühl ist – ist nämlich auch in andrer Beziehung von sehr günstiger Wirkung; sie beruht darauf, daß das ganze Gefäßsystem möglichst viel frisches sauerstoffreiches Blut zugeführt erhält, und gerade hierdurch werden die Vorbedingungen für einen tiefen, erquickenden Schlaf gegeben. Es ist dies das beste und einfachste Schlafmittel, das ich kenne; insbesondere wirkt es sehr oft prompt und zuverlässig bei aufgeregten, nervösen Personen; ich habe solche, Kinder und Erwachsene, daraufhin des süßesten Schlafes sich erfreuen sehen, nachdem sie vorher ihren Organismus schon durch eine Reihe der giftigen Schlafmittel beinahe zerrüttet hatten. Nicht gering ist der Einfluß dieser Atemholübungen auf das Allgemeinbefinden überhaupt anzuschlagen: die Ernährung wird besser, die Muskulatur kräftiger. Im Verein mit anderen Verhaltungsmaßregeln können diese Atemübungen sogar ein treffliches Vorbeugungsmittel gegen Tuberkulose bilden, der Entwicklung dieser heimtückischen Krankheit geradezu entgegenarbeiten.

Es ist zwar selbstverständlich, daß Hand in Hand mit diesen einfachen Heilmitteln noch eine Reihe anderer allgemein wirkender gehen soll: ordentliche körperliche Bewegung (Turnen, Schwimmen, Reiten, Spielen), gute zweckmäßige Ernährung; auch die Anwendung des kalten Wassers in der verschiedensten aber nicht übertriebenen Weise ist sehr anzuraten.

Werden diese einfachen Ratschläge pünktlich durchgeführt, so wird gar manches junge Menschenleben sich ganz anders entwickeln als es erst den Anschein hatte, und wird gar mancher Erwachsene sich seines Lebens in voller Rüstigkeit erfreuen können.

Luft! Mehr Luft!


Der laufende Berg.

Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer.

     (16. Fortsetzung.)

Es begann schon leicht zu dämmern, als Purtscheller sein Haus erreichte. Droben in der Stube schob er zwei Patronen in die Flinte und steckte ein paar andere in die Tasche, während Karlin’ nebenan im Schlafzimmer den Knaben zur Ruhe brachte und ihm mit leiser Stimme ein Schlummerliedchen sang:

„Vogerl am kühlen Bach
Zwitschert so süß!
Zwitschert Bach auf und ab,
Bis ich mein Schätzerl hab’!
Vogerl am kühlen Bach
Zwitschert so süß!“

Als Purtscheller in Eile die Treppe hinunterstolperte, hörte er aus einer der Gesindekammern Zäzils schluchzende und in Erregung kreischende Stimme: „Und wenn ich’s auch g’sagt hab! Geht’s Dich vielleicht was an? Bist Du vielleicht für d’ Frau im Haus als Hüter aufg’stellt?“

„Red’ nimmer lang! Pack’ ein!“ fiel ihr Mathes mit zornbebender Stimme ins Wort.

„Is schon gut! Einpacken thu’ ich! Aber draußen auf der Straßen laß’ ich mein’ Kufer stehn und wart’, bis der Herr heimkommt! Nachher paß auf, Du … ob das gar so leicht is, die Zäzil aus’m Haus z’ jagen!“

Purtscheller stellte die Flinte an die Mauer und trat in die Kammer. „Was is denn da? Muß denn allweil der Spektakel im Haus sein?“

Zäzil schwieg verlegen und trocknete sich die Thränen vom erhitzten Gesicht, während Mathes sagte: „Das Madl da hab’ ich aus ’m Dienst schaffen müssen. Und hab’ ihr ’boten, sie soll ihren Kufer packen, gleich auf der Stell’!“

„Oho, Du!“ fuhr Purtscheller auf. „So geht man doch mit ei’m Madl net um! Und ’s Recht über meine Dienstboten hab’ ich Dir noch allweil net ’geben! Du nimmst Dir ein bißl viel ’raus!“

„Ich könnt’ Ihnen an den Tag erinnern, wo S’ g’sagt haben, daß mein Wort im Haus gelten soll wie ’s Ihrig’!“ erwiderte Mathes mit mühsam bewahrter Ruhe. „Aber das braucht’s wohl net! Denn ich denk’ mir, Sie selber hätten für das Madl da kein anders Wort net g’funden als das einzig’: fort aus’m Haus! … Vor alle Dienstboten hat s’ ung’hörig g’red’t von der Frau!“

Purtscheller wurde rot und wußte nicht gleich, was er sagen sollte. Dann fragte er: „Was hat s denn g’red’t?“

„So was red’t man ein zweitsmalnimmer nach!“ antwortete Mathes mit schwankender Stimme. „Es mag Ihnen g’nug sein, wenn ich sag’, daß in Ihrem Haus kein Platz mehr sein kann für ein’ Dienstboten, der so von der Frau red’t!“

Zäzil hatte sich auf den halb gepackten Koffer gesetzt, nahm die Schürze vors Gesicht und begann ein herzbrechendes Weinen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0683.jpg&oldid=- (Version vom 29.7.2023)