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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

„No no no! Es wird ja doch so arg net g’wesen sein!“ meinte Purtscheller begütigend. „Geh weiter, Mathes! Laß mich allein mit dem narrischen Frauenzimmer reden! Und wenn die Sach’ wirklich so arg is, will ich ihr den Dickschädel ordentlich waschen!“

Einen Augenblick zögerte Mathes; dann ging er wortlos aus der Kammer.

Purtscheller wartete, bis die Schritte im Flur verklangen. Aergerlich schloß er die Thür und das offenstehende Fenster, puffte die Magd mit der Faust in den Rücken und schnauzte sie an: „Du Gans, Du dumme! Was hast denn eigentlich g’sagt?“

„Was wahr is!“ Zäzils Thränen waren plötzlich versiegt.

„Was denn?“

„Daß für ein’ Herrn, wie Sie einer sind, jede andere Frau besser passen möcht’ als so ein verschmachts Millihaferl!“

In Wirklichkeit hatte die freche Rede freilich anders geklungen; aber Purtscheller verspürte nicht die geringste Lust, lange den Untersuchungsrichter zu spielen. „Wahr oder net wahr … so was sagt man net!“ brummte er. „Und ein andersmal sei g’scheit und halt’ Dein’ Schnabel vor die Leut’!“

„No ja! Es is mir halt in der Wut so ’raus g’rumpelt! So schiech hab’ ich’s ja auch gar net g’meint. Und im Grund g’nommen kann man ja über d’ Frau nix sagen. Sie soll mich in Ruh’ lassen, so thu’ ich ihr auch nix! Aber das muß ich schon einmal grad’ ’raussagen … das laß ich mir nimmer länger g’fallen: allweil so über ein’ weg schauen, als ob man Luft wär’! Da mach’ ich schon lieber …“

„Jetzt laß die Sach’ gut sein und pack’ Dein Kufer wieder aus!“ fiel ihr Purtscheller ins Wort. „Mit ’m Mathes red’ ich schon! Und fang’ mir nur mit dem keine Reibereien an! Der arbeit’ wie ein Roß … den Menschen brauch’ ich! Und jetzt gieb ein Fried’! Den Schnepfenstrich hab’ ich eh’ versäumt … mit so einer Dummheit!“

In gereizter Laune ging er aus der Kammer, nahm die geladene Flinte, welche draußen an der Mauer stand, trug sie in die Stube hinaus und hängte sie an den Gewehrrechen. Wütend schleuderte er den Hut in den dunklen Ofenwinkel und ging zum Tisch, um die Hängelampe anzuzünden.

Als er sich nach einer echauffierenden Wanderung durch die Stube auf das Sofa werfen wollte, trat Mathes ein.

„Herr Purtscheller …“

Der ließ ihn nicht weiter reden. „Gut, daß kommst! Ich hab’ eh’ schon ’nunter wollen und ein Wörtl reden mit Dir!“

„Grad’ kommt die Zäzil in’ Hof ’naus, lacht vor alle Leut’ und sagt: sie bleibt! Is das wahr, Herr Purtscheller?“

„No ja! ’s Madl hat mich erbarmt! Man kann’s doch net so bei Nacht und Nebel auf d’ Straßen ’nausjagen! Und die Sach’ is ja am End’ gar net so arg! Ich mach’ Dir ja kein’ Vorwurf. Hast es ja gut g’meint, und es freut mich, daß D’ so viel auf den Respekt vor meiner Hausehr’ haltst … aber … No ja! Sei halt jetzt auch g’scheit und laß die G’schicht gut sein! Thust mir ein’ G’fallen damit!“

Mathes sah ihn mit erschrockenen Augen an und brauchte eine Weile, bis er zu antworten vermochte. „Da kann ich freilich nix mehr sagen! Sie selber müssen am besten wissen, wie viel Ihnen d’ Achtung vor Ihrer Frau wert is im Haus!“

„Ich hab’ dem Madl ordentlich d’ Leviten g’lesen, das wird sie sich zur Warnung sein lassen. Und somit is die Sach’ in Ordnung! … Oder willst noch was?“

„Ja, Herr Purtscheller!“ sagte Mathes mit veränderter Stimme. „Der Vater braucht mich, weil der Berg wieder anfangt. Und ich möcht’ ersuchen, daß ich heut’ noch heim kann.“

„Was? Jetzt im Frühjahr?“ fuhr Purtscheller auf. „Wo d’ Arbeit brennt im Hof? Wie soll ich denn da auf ein’ grünen Zweig kommen, wenn mir d’ Leut’ davon laufen, sobald die richtig’ Arbeit anfangt? Und für was zahl’ ich Dich denn eigentlich?“

Er schien bei dieser Frage zu vergessen, daß er seinem Maier an Lichtmeß den Lohn schuldig geblieben war. „Nix da! Du bleibst!“

„Thut mir leid, Herr Purtscheller, aber ich muß heim!“ erwiderte Mathes ruhig. „Den Fürhalt hab’ ich g’macht, wie ich eing’standen bin.“

Ärgerlich überlegte Purtscheller. „Steht’s denn schon gar so schlecht da droben?“

„Ja! … Und wenn noch was z’helfen is, muß g’holfen werden, eh’ ’s Wasser wachst.“

„No also, meinetwegen! Am End’ erbarmt er mich ja auch, Dein Vater! … Und wann meinst denn, daß D’ wieder kommen kannst?“

„In der ersten Stund’, in der mich der Vater g’raten kann!“

„Gut! So geh’ halt!“ brummte Purtscheller und drehte dem Knecht den Rücken.

Mathes atmete schwer und zerknüllte mit zitternden Händen den Hut. „Um eins muß ich noch bitten …“

Purtscheller schien die Geduld zu verlieren. „Was denn schon wieder?“

„Daß der Zäzil ’kündigt wird, bis ich wieder komm’!“

„Ja Himmelkreuzteufel …“

„Das muß ich verlangen! Sonst wär’ in Zukunft jedes Wort, das ich an d’ Ehhalten richt’, in Wind ’nein g’red’t! Soll ich d’Leut’ fest bei der Arbeit und in der Hand halten, so müssen s’ Respekt vor mir haben und mein Wort muß gelten!“

„So? Und ich? Ich soll vielleicht der gar niemand sein im Haus! Da stimmst Dich aber!“ schrie Purtscheller und schlug mit der Faust auf den Tisch.

Da erschien Karlin’ mit blassem Gesicht auf der Schwelle der Schlafkammer und zog hinter sich die Thüre zu. „Toni! ’s Kindl schlaft! Geh, sei net so laut und gieb ein bißl acht …“

„So? Acht geben? Schon wieder einmal? Auf alle Leut’ im Haus soll ich acht geben! Allweil acht geben! Aber auf mich giebt gar keiner acht! Und aller Verdruß fallt nur allweil auf mich!“ In wachsendem Jähzorn wandte sich Purtscheller an Mathes.

„Und Dir will ich sagen … mach’ Dich net gar so wichtig! Du!“

Der Atem ging ihm aus.

„Thun S’ Ihnen beruhigen, Herr Purtscheller!“ stammelte Mathes, während er mit besorgtem Blick die junge Frau streifte.

„Wir können ja die Sach’ ein andersmal ausreden!“

„Hättst die ganze Dummheit net aufg’rührt! Du! Ein andersmal misch’ Dich net in Sachen, die Dich ein’ Pfifferling angehen!“

„Aber Toni!“ fiel Karlin’ erschrocken und mit bebender Stimme ein. „So thu’ doch net so mit ’m Mathes reden! Das hat er doch wirklich net verdient um uns!“

„Natürlich! Den soll ich vielleicht noch extra in Baumwoll’ wickeln, weil er mir den ganzen zwecklosen Aerger da herg’macht hat! Und wer is im Grund’ wieder Schuld dran? Du! … Schau mich net so an, sag’ ich Dir! Das kalte G’schau vertrag’ ich net!“

„Aber Herr Purtscheller!“ sagte Mathes, dem die Stimme kaum gehorchte. „Thun S’ mir doch den einzigen G’fallen und ziehen S’ net die Frau noch in den Handel ’nein! Es kann ja sein, daß ich unrecht g’habt hab’. Und lassen wir die Sach’ gut sein für heut’! B’hüt Ihnen Gott, Herr Purtscheller!“ Er wollte zur Thüre.

„Nix da! Jetzt bleibst mir!“ schrie Purtscheller in hellem Zorn. „Oder meinst vielleicht, ich trau’ mich vor meiner Frau net Farb’ bekennen? Das käm ja bald so ’raus, als ob ich weiß Gott was für ein G’heimnis verbergen müßt’! Ah na! So steh’ ich gottlob noch lang’ net da!“ Mit zuckenden Fäusten riß er an der Weste und trat auf Karlin’ zu, die ihn mit ihren stillen, schwermütigen Augen ansah, ohne einen Schritt zu weichen. „Natürlich! Net g’nug, daß ich den Unfrieden hab’ im Haus. Jetzt mußt mir auch noch die ganzen Dienstboten durcheinanderbringen! Weil net weißt, wie man d’ Leut’ behandeln muß!“

„Aber Herr Purtscheller, um Gottswillen …“ stammelte Mathes mit bleichen Lippen. „Kommen S’ mit ’runter! Reden wir drunt’ miteinander! Ich bin ja mit allem einverstanden!“

Purtscheller hörte nicht und schrie seiner Frau mit kreischender Wut ins Gesicht: „Die armen Leut’ drunt’ arbeiten den ganzen Tag und haben ein Recht drauf, daß ihnen d’ Frau ein freundlichs Wörtl giebt.“

„Aber Toni!“ erwiderte Karlin’ ruhig. „Das hab’ ich doch jedem von unsere Leut’ noch allweil von Herzen ’geben!“

„So? Und wie machst es denn mit der Zäzil? Gelt, jetzt schlagt Dir’s Blut übers G’sicht! Warum is denn das Madl allweil Luft für Dich? Meinst vielleicht, Du bist was Bessers?“

Mathes zuckte, als wäre ihm ein Messer ins Herz gefahren.

„Purtscheller!“ glitt es ihm mit heiserem Laut über die Lippen.

Aber Purtscheller achtete des Knechtes nicht. „So geht man net um mit die Leut’! Verstehst mich?“ schrie er auf Karlin’ ein.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0684.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2023)