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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

„Man kann ja net wissen, wie lang’ ich daheim bleib’.“

„Ja freilich! Je länger, so lieber! Geh, laß Dir helfen!“

Selbander trugen sie den Koffer in den Hof hinauf.

„Wo is denn d’ Mutter und d’ Schwester?“ fragte Mathes.

„Hint’ draußen am Verhau flechten s’ die Ruten ein.“

„Da kann sich ja d’ Mutter jetzt schlafen legen. Ich fang’ gleich an! … Und wie steht ’s denn sonst?“

„Arg treibt er’s, der Berg! Recht arg! Jetzt könnt’s mich schon bald verdrießen! … Und wart’ nur, ich zeig’ Dir gleich was! … Aber sag’, hat Dich der Herr Purtscheller gutwillig fort’lassen?“

„Ja.“

„Und hat er Dich doch hoffentlich aus’zahlt für ’n Winter?“

„Ja!“ erwiderte Mathes ruhig. „Warum fragst?“

„Weißt, heut’ hat mir einer erzählt, es that’ recht schlecht um den armen Herrn Purtscheller stehn, und an Lichtmeß hätt’ er seine Dienstboten nimmer zahlen können.“

„Na, na! Da weiß ich nix davon!“

„No also, schau, wie d’ Leut’ reden! … Hast aber Dein Geld doch ordentlich eing’macht, daß D’ es net verlieren hast können am Weg?“

Mathes fand die Ausrede nicht gleich. „Ich hab’ ’s in d’ Stadt ’nein g’schickt auf d’ Sparkass’. Wenn aber grad’ was brauchen thätst, kann ich Dir schon was geben.“

„Gott bewahr’! Bloß g’sorgt hab’ ich mich, weißt, ob Dein’ Sach’ auch in der Ordnung ’kriegt hast.“

„Ja, ja!“

Sie waren ins Haus getreten und stellten in der Stube, in welcher die Lampe mit winziger Flamme brannte, den Koffer nieder.

Dann faßte Michel den Arm des Sohnes und zog ihn in den Flur. „Da, stell’ Dich her an d’ Wand!“ sagte er mit schwankender Stimme. „Und schau hart am Thürpfosten vorbei und gegen den Stadel ’naus.“

Mathes schmiegte das Gesicht an die Wand und visierte über den Thürbalken gegen die schwarze Scheune.

„Merkst was?“ fragte Michel beklommen.

„Ja, ein bißl was. Um ein Ruckerl schauen die Kanten auseinander.“

„Gelt? Schon gestern hab’ ich’s g’merkt, daß die Hausthür hin geht und der Stadel her! Eins muß schief stehn! … ’s Häusl, meinst?“

„Gott bewahr’! Der Stadel halt! Weißt, so ein g’ring’s Holzwerk verschiebt sich ja leicht.“

„Gelt? Das hab’ ich mir selber schon ’denkt!“

„Ja! Und da thu’ Dich net sorgen, Vater! Der Stadel laßt sich leicht wieder aufpölzen! Und komm’, schauen wir ’naus zur Mutter! … Die Kinderln schlafen schon?“

„Ja, Gott sei Dank!“

Sie gingen in den Garten, in welchem drei flackernde Kienfackeln an Bäume gebunden waren. Vroni stand am Fuß der Böschung und flocht zwischen das neue Pfahlwerk die Ruten ein, welche die Mutter ihr reichte.

„Katherl, da schau her!“ rief Michel. „Unser Bub’ is endlich da!“

„Ja grüß Dich Gott!“ Mutter Katherl humpelte den beiden entgegen. Als sie beim Fackelschein das Gesicht ihres Buben sah, erschrak sie. „O Du lieber Herrgott! Was hast denn gar so rennen müssen über ’n Berg ’rauf?“ Mit der Schürze trocknete sie ihm den glitzernden Schweiß vom Gesicht. „Und so viel z’sammg’arbeit’ schaust aus!“

„Na, na, Mutterl! Es is net so arg! In der Nacht schaut man sich halt so an!“ Mathes nickte ihr lächelnd zu und wandte sich zur Schwester. „Grüß Dich Gott, Madl!“

Vroni reichte ihm wortlos die Hand. Sie sah es ihm gleich an den Augen an, daß etwas geschehen war aber vor den Eltern wagte sie nicht zu fragen.

Nun that es Mathes nicht anders: die Mutter mußte sich niederlegen. „Das hol’ ich schon ein, was D’ versäumst!“ sagte er und begann auch gleich die Arbeit.

Er und die Schwester flochten am Verhau die Weiden ein, während sie dem Vater die leichtere Arbeit ließen: die Ruten zu holen und mit dem Messer abzuästen. Als Michel sich einmal entfernte, um ein neues Bündel herbeizutragen, flüsterte Vroni:

„Mathes? Geh, sag’ mir’s! Is drunten was passiert?“

Er nickte.

„Geh’, so red’ doch!“

„Schlagen hat er s’ wollen … und das hab’ ich net sehen können und hab’s ihm g’wehrt! Natürlich, da hat sie ’s g’merkt!“

Vroni schwieg erschrocken eine Weile. „Und jetzt kannst nimmer ’nunter?“

Er schüttelte den Kopf. „Das is mir noch ’s Aergste, daß ich ihr nix mehr helfen kann!“

„Aber sag’ mir …“

„Der Vater kommt!“

Sie schwiegen. Und Mathes ging dem Vater entgegen, um ihm das schwere Rutenbündel von der Schulter zu nehmen.

(Fortsetzung folgt.)



BLÄTTER UND BLÜTEN.

Ansiedlung deutscher Landleute in Nordschleswig. Die Landesgrenzen pflegen nicht nur im Kriege bedroht zu sein; oft müssen sie auch zu Friedenszeiten vor dem Andrang fremder Elemente geschützt werden und da gilt es, mit geistigen und wirtschaftlichen Waffen den Feind zurückzudrängen. In dieser Weise sucht das Deutschtum schon seit Jahren im Norden von Schleswig-Holstein gegen die Dänen anzukämpfen. Erst vor Jahresfrist haben wir in der „Gartenlaube“ (vgl. Jahrg. 1895, S. 612) über das erfolgreiche Vorgehen des „Deutschen Vereins“ in Schleswig-Holstein berichtet. Einer seiner Begründer, der rührige Leiter, Pastor Jacobsen zu Scherrebek, sucht nicht nur deutsche Bildung zu verbreiten und den deutschen Gewerbestand zu unterstützen, sondern auch die Ansiedlnng von deutschen Landwirten in Nordschleswig zu fördern. Der tüchtige Mann kauft dänischen Grundbesitz an, um denselben in Rentengüter umzuwandeln und diese mit deutschen Bauern zu besiedeln. Um Mittel zu diesem Zweck zu erlangen, hat die von Jacobsen gegründete Kreditbank zu Scherrebek eine Anleihe von 100 000 Mark aufzunehmen beschlossen. Es werden Schuldverschreibungen zu 500 Mark ausgegeben, deren Zinsabschnitte bei der Kreditbank selbst, bei der Deutschen Centralgenossenschaft in Berlin und bei der Filiale der Deutschen Bank in Hamburg mit 4% eingelöst werden. Diese Thätigkeit des Vereins hat bereits namhafte Erfolge zu verzeichnen. Der deutschen Ansiedlung in jenen Gebieten kommt noch die Thatsache zu statten, daß der dänische Bauernstand an sich im Schwinden begriffen ist. Seit 1867 nämlich bis in die 70er und 80er Jahre hinein wanderten viele junge Nordschleswiger, um sich der Militärpflicht zu entziehen, aus. Die gegenwärtigen Besitzer altern nachgerade und es fehlt jetzt an Nachwuchs für die Uebernahme ihrer Landstellen. Zwar könnten die Söhne den Besitz der Väter übernehmen, aber nur als Ausländer; denn in den letzten Jahren hat die Regierung die Wiederaufnahme solcher Ausländer in den Unterthanenverband immer abgelehnt, seitdem es sich gezeigt hat, daß die neuen Staatsbürger gewöhnlich die heftigsten Agitatoren für die dänischen Umtriebe wurden. So ist das Land auf den Zuzug neuer Kräfte von Süden her, aus Angeln, Südschleswig, Holstein, Mecklenburg, Pommern etc., angewiesen. Um nun diesen zu fördern, wurde in Nordschleswig außer dem bereits genannten noch der „Deutsche Ansiedlungsverein zu Rödding“ gegründet, der mit den verschiedenen Ortsabteilungen des „Deutschen Vereins“ in Verbindung getreten ist. Derselbe weist deutschen Kauflustigen verkäufliche Höfe an und giebt ihnen jede gewünschte Auskunft. Wollen junge Landleute die Verhältnisse erst näher kennenlernen, so vermittelt er ihnen Stellungen als Volontär, Mitarbeiter etc. Selbstverständlich leistet der gemeinnützige Verein seine Dienste unentgeltlich. Da das Angebot von Höfen ein recht großes ist, stellen sich die Preise verhältnismäßig niedrig. Verfügt der Landwirt über etwas Kapital, so findet er in Nordschleswig trotz der Ungunst der Zeiten ganz gut sein Auskommen. Viehzucht und Buttererzeugung bilden die hauptsächlichsten Einnahmequellen. Der Verein hat Stellen von 5 bis 200 ha zur Veräußerung. Auskunft erteilt der Vorsitzende, Amtsvorsteher Thiermann in Rödding. – So schreitet die deutsche Ansiedlung in Nordschleswig rüstig vorwärts und wir wünschen ihr auch weiteres kräftiges Gedeihen.

Rembrandt van Ryn. (Zu unserer Kunstbeilage.) Das unserer heutigen Nummer beiliegende Selbstporträt Rembrandts, nach dem im Louvre befindlichen Original von 1660, giebt in seiner kraftvollen Energie und künstlerischen Pracht das charakteristische Bild des Mannes, der heute unbestritten unter die wenigen ganz großen Führer der Kunst gezählt wird. Der junge Rembrandt (geb. 1606) genoß in dem vermögenden Elternhaus zu Leyden eine gute Bildung und kam früh zu tüchtigen Künstlern in die Lehre, aber bald schon suchte er sich eigene Wege und schuf besonders auch in der Kunst des Radierens die Technik, welche in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0687.jpg&oldid=- (Version vom 29.7.2023)