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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 40. 1896.


Bei den Insurgenten auf Kreta. Die Hoffnung, die wir am Schluß unseres Artikels über „Die Unruhen auf Kreta“ (vgl. Beilage zu Nr. 29 dieses Jahrgangs) ausgesprochen haben, ist erfreulicherweise in Erfüllung gegangen. Die Pforte hat unter dem Druck der Mächte nachgegeben und der christlichen Bevölkerung auf Kreta wichtige Zugeständnisse gemacht. Die weitgehenden Reformen, die der Insel eine geregelte und gerechte Selbstverwaltung sichern, werden voraussichtlich genügen, um der durch so häufige Aufstände schwer geprüften Bevölkerung eine friedliche Kulturarbeit zu ermöglichen. Die mohammedanische Bevölkerung murrt allerdings gegen die Nachgiebigkeit der Pforte, so daß noch beide Parteien mit Waffen in der Hand sich gegenüberstehen, aber die ehemaligen Herren und Bedrücker werden wohl lernen müssen, als Gleichberechtigte neben den Christen zu leben. So ist die kretische Frage vorläufig in einer Weise geregelt worden, die alle gemäßigt Denkenden befriedigt.

Türkin auf Kreta.

Kretischer Bauer.

Von dem Kriegsschauplatze in den Bergen der Insel sind uns indessen einige Bilder und Mitteilungen zugegangen, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten. Einige in Kanea ansässige Deutsche hatten einen Ausflug in das von Insurgenten besetzte Gebiet gemacht und im Dorfe Kambos die Aufständischen photographiert. Unsere untenstehende Abbildung stellt nach einer dieser Aufnahmen eine wohlgelungene Gruppe von Freiheitskämpfern in ihrem originellen Nationalkostüm dar. Das aus 30 Häusern bestehende Dorf Kambos bot etwa 500 Insurgenten Unterkunft. Die Verpflegung der Leute geschah auf Kosten des Revolutionskomitees zu Athen, das über reichliche Mittel verfügte. Außer Nahrungsmitteln erhielten die Mannschaften noch einen täglichen Sold von etwa 25 Pfennig für Tabak ausbezahlt. Die Führung der Truppen lag in den Händen einiger griechischer Offiziere und Rechtsanwälte. Die Bewaffnung war eine verhältnismäßig gute, und man sah im Besitz der Aufständischen ausschließlich neue Gewehre französischen, österreichischen und deutschen Systems. – Unserem Gruppenbilde der Insurgenten fügen wir oben noch zwei Typen der Einwohner von Kreta bei: zunächst eine Türkin in einem langen Mantel und dann einen wohlhabenden Bauer, der einen weißen togaartigen Ueberwurf trägt.

Neue Flugversuche. Das beklagenswerte Ende, das Otto Lilienthal, den Vorkämpfer der Kunst des Fliegens in Deutschland, ereilt hat (vgl. Seite 624 dss. Jahrgangs), läßt den Mut der Männer, die dem Vogel den Flug ablauschen wollen, keineswegs sinken. Augenblicklich stellt Frankreich einen neuen Flugmenschen. Es ist kein Geringerer als Dr. Richet, Professor der Medizin in Paris. Der Apparat, den Dr. Richet ersonnen hat, soll alle Bewegungen des Vogels nachahmen; er ist 22 m lang, und die entfalteten Flügel haben eine Oberfläche von 60 qm. Der eigentliche Körper des Flugapparates ist verhältnismäßig klein und leicht. Sämtliche Teile sind aus Aluminium gearbeitet und durchlöchert, so daß die Luft sie durchdringen kann. Ein Dampfmotor soll die beiden Flügel und zwei Luftschrauben am vorderen und hinteren Ende des Apparates bewegen. Der Apparat wird gegenwärtig auf einem Besitztum Dr. Richets in Carqueiranne an der Küste des Mittelländischen Meeres aufgestellt. Von der Werkstätte führt eine Feldbahn zur Spitze eines steil zum Meer abfallenden Felsens. Von dort soll sich der Apparat in die Luft schwingen. Ein kleines Dampfboot wird sich bereit halten, um dem Herniederkommenden Hilfe zu leisten.

Ein Riesenhummer wurde vor kurzem in der Nähe von Block-Island gefangen und dem Naturgeschichtlichen Museum in Philadelphia übergeben. Er ist 52 cm lang und wog im lebenden Zustande rund 10 kg. Bis jetzt hat man nur ein einziges Exemplar von ähnlicher Größe gesehen, das im Jahre 1891 gleichfalls an der Küste von Nordamerika gefangen wurde. In Zukunft wird man solche Fänge schwerlich machen können; denn die Hummern werden durch die Fischerei schrecklich dezimiert und die größten am ehesten dem Seegrunde entzogen. Die größeren Hummern sind in den letzten Jahrzehnten gegen früher bedeutend seltener geworden.

Brandmalereien auf Lederpappe sind sehr beliebt zur Verzierung von Mappen, Rahmen, Paletten u. dergl., weil die Arbeit rasch fördert und die Sachen, geschickt koloriert, eine vortreffliche Wirkung machen. Nicht überall aber ist das Material gut zu haben, auch das Fertigstellen vom Buchbinder verursacht in kleinen Orten Schwierigkeiten. Ihnen abzuhelfen hat die Firma C. Petzold in Dresden die Gegenstände fertig herstellen und mit hübschen Vorzeichnungen versehen lassen. Nähere Angaben enthält der Katalog der Firma.

Kretische Insurgenten.
Nach einer photographischen Originalaufnahme.

Wie wirkt der Thee? Eines der verbreitetsten anregenden Getränke ist der chinesische Thee. Leider haben bis jetzt genauere wissenschaftliche Untersuchuugen über seine Wirkung auf den Menschen gefehlt. Diese Lücke ist nunmehr durch sorgfältige Untersuchungen ausgefüllt, die von Emil Kräpelin und August Hoch in Heidelberg angestellt wurden und deren Ergebnisse im 2. Heft der „Psychologischen Arbeiten“, Leipzig, Verlag von W. Engelmann, erschienen sind. Im Theeaufguß befinden sich zwei wirksame Stoffe: das Koffeïn und ätherische Oele. Wie nun Kräpelin ermittelt hat, beeinflußt das Koffeïn die Muskeln, indem es dieselben anregt und zu größeren Leistungen fähig macht. Die Theeöle wirken dagegen auf das Nervensystem, vor allem auf das Gehirn. Sie regen die geistige Thätigkeit an; unter ihrer Einwirkung wurde z. B. bei den Versuchspersonen das Rechnen bedeutend erleichtert. Die Versuche wurden in der Weise angestellt, daß einzelne Personen bald das Koffeïn allein, bald nur Theeöle einnahmen. Diese Erkenntnis ist für die Wahl der Theesorten von Bedeutung. Wer seine geistige Thätigkeit anregen will, sollte einen Thee trinken, der nur wenig Koffeïn enthält. Es ist aber dabei nicht zu vergessen, daß sowohl das Koffeïn wie die ätherischen Oele des Thees Stoffe sind, durch deren Mißbrauch der Körper zerrüttet werden kann.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 688a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0688_a.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)