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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

eben rechnen – und sie hatte doch allen Grund zu geduldiger Nachsicht, denn „so ein Glück hat net bald eine g’macht“! Freilich, Wenn er ehrlich sein wollte, mußte er zugestehen, daß Karlin’ all die Jahre her das Möglichste gethan hatte, den „Zornteufel“ in ihm zu beschwichtigen. Aber augenscheinlich war es doch auch, daß sie seit einiger Zeit, wie er meinte, „die pflichtschuldige Geduld verlor“! Dadurch setzte sie sich ihm gegenüber ins Unrecht! „Ganz entschieden!“ Denn statt wie ein immer „zum Ueberlaufen aufg’legts Millihaferl“ in allen Winkeln herumzustehen und ihm diese kalte, stillgekränkte Art zu zeigen, wäre es ihre Pflicht, ihn mit doppelter Zärtlichkeit zu behandeln und ihm durch liebenswürdige Lustigkeit den Druck seiner Sorgen zu erleichtern.

„Warum kann’s denn die Zäzil? Die doch noch lang net mein’ Frau is?“

Er nahm sich vor, Karlin’ auf ihre Pflicht mit freundlichen Worten aufmerksam zu machen und ihr alles nötige in Güte zu sagen. „Da wird’s ja wieder ein’ Zeit lang gut thun! Sie hat ja doch den besten Willen!“ Aber wie er nun auch mit seiner Frau auskam, so oder so, das ging jedenfalls keinen anderen etwas an! Und am allerwenigsten einen Knecht, den er bezahlte! – Bezahlte? – Bei diesem Wort mußte Purtscheller an Lichtmeß denken. „No ja, er kriegt sein Sach’ schon noch! Pressieren thut’s ihm ja net, sonst hätt’ er mich ang’fordert! Aber der Kerl soll sich nur net einbilden, daß er bei mir im Haus außer der Arbeit noch was anders z’ reden hat!“ Und nun gar auf solche Art den Flegel herauszukehren und sich handgreiflich in Dinge einzumischen, die ihn einen Pfifferling angingen! „Ein’ gleich ein’ Buben heißen und ei’m den Arm halbet auseinanderbrechen, daß ich fünf blaue Fleck hab’ davon! So was will ich ihm austreiben für ein andersmal!“

Freilich – mit einer Regung von Gerechtigkeitssinn suchte Purtscheller sich in die „Sitawazion“ hineinzudenken, in der sich Mathes befunden hatte – freilich, wenn man die Sache so beim richtigen Licht betrachtete, konnte man dem Knecht diese Einmischung nicht allzusehr verübeln. „Am End’ hätt’ ich’s selber net anders g’macht, wenn ich’s mit anschauen hätt’ müssen, wie so ein rabiates Mannsbild ein Frauenzimmer schlagen will!“ Da hätte sich in ihm doch ebenfalls das gute, mitleidige Herz gerührt! „No also, meinetwegen, er soll recht g’habt haben! Und schließlich brauch’ ich den Mathes, daß er mir den Hof wieder in d’Höh’ bringt! In Gottsnamen, ich will die Sach’ gut sein lassen!“

Als Purtscheller bei Kaffee, Schinken und weichen Eiern sich diese Einsicht und Ueberwindung abgerungen hatte, kam er sich ordentlich groß und bewunderungswürdig vor – und in satter Zufriedenheit wischte er sich mit der Serviette den Mund ab. Das ausgiebige Frühstück hatte auch das Sumsen seines Katers leidlich zur Ruhe gebracht.

„Jetzt an d’ Arbeit!“

Geld schaffen, das war vor allem das nöthigste für ihn; denn beim Wirt drüben hatte er eine Spielschuld von siebenhundert Mark stehen. Die mußte beglichen werden, wenn seine Reputation als „Sportsmann“ nicht leiden sollte. Für den Ostermontag war ja schon das erste Trabrennen angesetzt – und da wollte er mit dem „Lüftikus“ seine fünfzehn bis zwanzig Tausend an Preisen und Wetten holen! Bis dahin hieß es, sich fortfretten und Geld auftreiben, wo es aufzutreiben war. Mit dem Gewinn des Rennens war dann sein Lebensbedarf für ein Jahr gedeckt – und so konnte der Betrag, den Mathes aus dem Hof herausbrachte, rein dazu verwendet werden, um einen Teil der Hypothek zu löschen.

Glänzendere Aussichten als der Purtscheller-Toni hatte kein Mensch auf der Welt!

„Aber selber muß ich dazu schauen!“

Denn jener Geldgeber, der für die Hypothek von achtzigtausend und für das Fallholz des halbzerstörten Waldes so bereitwillig jene sechzigtausend bar gegeben hatte, war an der Hand von einem zähen Krampf befallen und wollte sie nicht wieder öffnen. Der alte Rufel zeigte noch immer Angst vor dem „Schießgewehr“ … und bei anderen Zwischenhändlern hatte Purtscheller schlechte Erfahrungen gemacht. Nun wollte er selbst in die Stadt und „dazu schauen“! Dabei traf er zwei Fliegen mit einem Schlag: er betrieb ein wichtiges Geschäft und konnte eine flotte Trainingfahrt mit seinem „Lüftikus“ machen.

Fröhlich vor sich hinpfeifend, ging er in den Hof hinunter.

Aber da hatte er gleich wieder einen Aerger zu überstehen – denn mit Karlin’ waren alle Knechte und Mägde zur Arbeit aufs Feld gegangen, um die bedrohten Saatfelder gegen den Andrang des aus dem laufenden Berg hervorströmenden Schlammwassers zu sichern – und so war niemand im Hof, der für Purtscheller den „Lüftikus“ vor den Gig hätte spannen können. Auf sein lautes Schelten kam endlich Zäzil zum Vorschein – neben der alten Köchin die einzige im Haus, welche von Karlin’ nicht zur Arbeit gerufen war. Mit lustigem Eifer war die hübsche Dirne ihrem Herrn behilflich, den Gig aus der Wagenremise zu ziehen und den Rappen einzuschirren. Das ging unter Schwatzen, Lachen und Kneifen vor sich, und beinahe hätte das Kichern und Kreischen des Mädchens das zur Scheuheit neigende Pferd in Unruhe gebracht.

Aber Purtschellers schmeichelnde Hand machte das nervöse Tier wieder gehorsam. In flottem Tempo fuhr er zum Dorf hinaus, sacht geschaukelt von den geschmeidigen Federn des neuen Gig, dessen rotlackierte Speichen in der Sonne blitzten, als wären die Räder rollende Feuersterne.

Aus der Ferne konnte Purtscheller seine Frau und die Dienstboten auf den Feldern bei der Arbeit sehen. –

Gegen fünf Uhr abends kam er aus der Stadt zurück, in seelenvergnügter Laune. Denn seine Fahrt hatte doppelten Erfolg gehabt: binnen drei Tagen sollte er zehntausend Mark auf zweite Hypothek erhalten – und mit dem „Lüftikus“ hatte er einen Rekord erzielt, der ihm den Sieg beim nächsten Trabrennen in sichere Aussicht stellte: ohne das Pferd auszupumpen, hatte er auf ebener Straße den Kilometer in nicht ganz zwei Minuten gefahren. Und in welch’ famoser Kondition kehrte das Pferd nach solcher Leistung in den Stall zurück: frisch und feurig, kaum mit einem Schweißfleck am glänzenden Fell! Da mußte Purtscheller jetzt das Pech, das er mit seinem „Herzbinkerl“ gehabt hatte, als ein rechtes Glück betrachten! Er lachte, als er sich an den Rat erinnerte, den ihm Mathes bei der Ankunft des neuen Trabers gegeben hatte! Den „Lüftikus“ verkaufen? „Net um ein G’schloß!“ Dank seiner unermüdlichen Arbeit war der Rappe jetzt fertig für die Rennbahn und sollte Geld bringen!

Da die Dienstboten mit Karlin’ noch immer auf den Feldern waren, versorgte Purtscheller selbst das Pferd, rieb ihm das Fell trocken und schnallte ihm die warmen Decken um.

Ein wenig müde von dieser Arbeit, doch in der behaglichen Laune eines Menschen, dem das Glück nichts zu wünschen übrig läßt, setzte er sich an den gedeckten Tisch. Zu allem Erfolg dieses Tages gesellte sich noch die Aussicht auf das Jagdvergnügen, das ihm der schöne Abend versprach: heute würde ihm sicher die erste Schnepfe vor das Rohr streichen.

Als die alte Magd auftrug, plauderte er so fidel mit ihr, daß sie ihn verwundert ansah. „Und schau,“ sagte er, „was ich der Frau aus der Stadt mit heim’bracht hab’!“ Schmunzelnd zog er ein Schächtelchen aus der Tasche. „Ah na! Das is ja net ’s Richtige … das g’hört für wen andern!“ Lachend schob er das Ding wieder ein, zog ein kleines Lederetui hervor, ließ den Deckel aufspringen und zeigte der Magd einen goldnen Armreif mit funkelndem Rubin. „Solche Sachen schenk’ ich meiner Frau! Da kann’s ihr Freud’ d’ran haben!“

„Ich weiß net,“ erwiderte die Magd in Zweifel, „aus G’schmucksachen hat sich d’ Frau noch nie was g’macht!“

„Aber so was Schön’s hat s’ ihrer Lebtag noch net g’habt! So was kann jede Gräfin tragen. Dreihundert Mark hab’ ich ’zahlt dafür!“ In dieser Behauptung lag freilich ein kleiner Verstoß gegen die Wahrheit – dreihundert Mark, das stimmte – aber er war sie schuldig geblieben; auch die hundert für die Perlenohrgehänge, die das andere Schächtelchen barg. „Und am nächsten Sonntag muß d’ Frau das Armband anlegen für’n Kirchgang. Sie soll endlich einmal zeigen vor die Leut’, was das sagen will: Purtschellerin heißen!“ Er band sich die Serviette vor und rührte mit dem Schöpflöffel in der Suppenschüssel. „Leberspatzerln? Heut’ hast es ’troffen, Alte! Die mag ich gern! … Und wo is denn mein Prinz? Noch allweil bei der Nachbarin?“

„Ja! D’ Frau hat g’sagt, ich soll ihn drüben lassen, bis sie selber heimkommt und holt ihn!“

„Nix da! Gleich holst mir ihn ’rüber! Soll ich denn gar nie was haben von mei’m Büberl! So viel viel bangen thut’s mich nach ihm! Mach weiter, hol’ ihn ’rüber!“

Die Magd zögerte. „Ich trau’ mich net recht! Sie geben ihm heilig wieder was z’essen und verderben ihm ’s Magerl.“

Purtscheller lachte. „Na na, ich gieb ihm nix! Ein halbs Stündl

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 700. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0700.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2022)