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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Beförderungsmittel, das nach Ansicht vieler Fachmänner berufen sein dürfte, den Verkehr in den Großstädten noch vollkommener zu gestalten.

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W. Stöwer

Ansicht eines Wagens

Querschnitt der Plattform

Die kleine Versuchsanlage in Berlin machte im Aeußeren auf den ersten Blick den Eindruck eines Riesenkarussells. (Vgl. die nebenstehende Abbildung.) Bestieg man den Perron, so hatte man vor sich eine sehr große Zahl von Bänken, die sich in weiter in sich selbst geschlossener Kurve immer nach der gleichen Richtung und mit derselben Geschwindigkeit bewegten. Diese Bänke eilen dahin mit der Schnelligkeit unserer elektrischen Straßenbahnen und halten gar nicht an. Trotzdem können Fahrlustige dieselben mit aller Bequemlichkeit besteigen oder verlassen. Dies ist infolge einer sinnreichen Einrichtung möglich. Betrachten wir die Anlage der Stufenbahn genauer, so sehen wir, daß sie aus zwei Plattformen besteht. Die erste, die nach innen zu gelegen ist, bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 5 km in der Stunde, also ebenso schnell wie ein gut vorwärts schreitender Fußgänger. Die zweite, die den äußeren Ring bildet, liegt einige Centimeter – eine Stufe – über der ersten und eilt ununterbrochen doppelt so schnell, also 10 km in der Stunde dahin. Es ist nun klar, daß es überaus leicht ist, die erste langsam fortschreitende Plattform zu besteigen oder zu verlassen, sobald man sich nur in der Fahrtrichtung hält. Mit derselben Bequemlichkeit können wir ja auch einen nicht zu geschwind dahinfahrenden Trambahnwagen besteigen oder von ihm abspringen. Steht nun der Fahrgast auf der inneren Plattform, so bewegt er sich mit dieser fort, sein Körper hat bereits eine Geschwindigkeit von 5 km in der Stunde und die äußere, mit Bänken besetzte Plattform läuft für ihn eigentlich nur mit einer Geschwindigkeit von gleichfalls 5 km in der Stunde vorwärts. Sobald also der Fahrgast in der Fahrtrichtung fortschreitet, kann er mit derselben Gemächlichkeit die schneller kreisende Plattform besteigen. In gleicher Weise wird auch das Verlassen der Bahn erleichtert.

Sehr originell ist der innere Mechanismus der Stufenbahn. Um ihn zu verstehen, wollen wir zunächst die Bewegung eines gewöhnlichen Wagenrades beobachten. Der Wagen steht still auf der Straße. Wir machen auf ihm mit der Kreide zwei Punkte, den einen auf der Wagenachse, den anderen am äußeren Umfang des Rades, am Radkranze. Nun setzen wir den Wagen in Bewegung, das Rad rollt und wir beobachten die Punkte. Wir bemerken sofort, daß der Punkt am Radkranze doppelt so schnell sich bewegt als der an der Achse; denn während die Achse nur in der Richtung der Straße fortschreitet, legt der Punkt am Radkranze zwar dieselbe Strecke zurück, beschreibt aber zu derselben Zeit noch einen Kreis um die Achse. In der Stufenbahn werden nun die Bewegungen der Achse und des Radkranzes für sich getrennt ausgenutzt.

Auf der Stufenbahn.
Nach einer Originalzeichnung von W. Stöwer.

Das geschieht in folgender Weise. Die Stufenbahn hat zunächst ein Schienengeleise wie die gewöhnlichen Bahnen. Auf diesen Schienen sind nun vierrädrige Wagen aufgestellt, die dicht aneinander gekoppelt sind und durch Elektrizität fortbewegt werden. Die Radkränze sind ausgekehlt, so daß sie die Schienen umfassen. Auf den Achsen dieser Wagen ruhen Gerüste, die nach der Innenseite der Bahn überstehen (vergl. oben die Abbildung „Querschnitt

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0715.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)