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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 42. 1896.



Die neue „Loreley“, das deutsche Stationsschiff in Konstantinopel. Seit dem Jahre 1879 stand als Stationsschiff in Konstantinopel zur Verfügung des deutschen Botschafters der Radaviso „Loreley“. Das Schiff war das erste Fahrzeug, das von der kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven im Jahre 1871 gebaut wurde. Es sollte ein preußisches Kriegsschiff ersetzen, das gleichfalls den Namen „Loreley“ getragen und in den Kriegen 1864 und 1866 ruhmreich gekämpft hatte. Der zweiten „Loreley“ war während ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens eine friedlichere Laufbahn beschieden. Von Konstantinopel aus machte sie Fahrten an den Küsten des Mittelmeeres, um Kulturinteressen zu fördern, auch stand sie wiederholt im Dienste der Wissenschaft, indem sie den Transport der kostbaren Ausgrabungen von Pergamon nach Smyrna besorgte. Der kleine Dampfer genügte jedoch mit der Zeit nicht mehr den Ansprüchen, die an ein Stationsschiff gestellt werden, so wurde er am 7. September d. J. außer Dienst gestellt und durch einen neuen Dampfer ersetzt, der wiederum den Namen „Loreley“ führt. Das neue Stationsschiff ist eine elegante größere Dampfjacht von 61 m Länge und 8,4 m Breite. Sie hat einen Tiefgang von 4 m, läuft 13 Knoten und führt zwei 5 cm-Schnellkanonen an Bord. Ihre Besatznng besteht aus 43 Mann mit 4 Offizieren. „Ersatz Loreley“ wurde im Frühjahr von der deutschen Marineverwaltnng in England angekauft und ist im Laufe des Sommers in Wilhelmshaven für den Kriegsgebrauch umgebaut worden. Unterstützt von dem deutschen Geschwader, das gegenwärtig im Mittelmeer kreuzt, wird das neue Stationsschiff die deutschen Interessen in dem unruhigen Orient mit Nachdruck wahren können.

„Ersatz Loreley“, Stationsschiff in Konstantinopel.
Nach einer Originalzeichnung von W. Stöwer.

Sitze für die Ladengehilfinnen. Eine lebhafte Agitation geht im Augenblick durch die deutsche Frauenwelt um einen anscheinend recht kleinen Anlaß: für die vielbeschäftigten Ladengehilfinnen will man die Erlaubnis erwirken, sich in den geschäftsfreien Augenblicken auf einen am Ladentische angebrachten Klappstuhl niederlassen zu dürfen. Angeregt wurde die Frage schon früher von dem Hilfsverein für weibliche kaufmännische Angestellte in Berlin, er erlebte auch die Genugthuung, daß verschiedene große Prinzipale sich sofort einverstanden erklärten, falls die Neuerung allgemein angenommen würde. Andere weigerten sich mit Hinweis auf die Mißbilligung der kaufenden Damenwelt. Also ist es wohl an dieser, unzweideutig auszusprechen, daß sie ihren ärmeren Mitschwestern ein kleines Ausrasten während des vielstündigen, anstrengenden und gesundheitsschädlichen Stehens von Herzen gönnt. Die diesjährige Frühjahrsversammlung der Frankfurter Ortsgruppe des Allgemeinen deutschen Frauenvereins hat den Anstoß zur Agitation gegeben; es heißt, daß besonders viele „Bazardamen“, welche die Annehmlichkeiten eines solchen Stehens und Kundenbedienens am eigenen Leibe erfuhren, unbedingt dafür sind, daß in dieser Frage etwas geschehen müsse. Es werden also jetzt von dem Frankfurter Verein überallhin Petitionsformulare versendet, welche schließlich an die Handelskammern gehen sollen. Wir hoffen, daß auch unsere Leserinnen dieser Sache ein lebhaftes Interesse zuwenden und in ihren Kreisen dafür werben werden, besonders in jenen Städten, wo dem Ladenschluß nach 9 Uhr abends vorderhand noch nicht beizukommen ist. Auch betreffs dieses letzteren Mißbrauchs soll man sich nicht an die Ausrede kehren, daß er unmöglich abzustellen sei. In München, das doch als Kaufstadt keinen geringen Rang einnimmt, schließen die Läden nach alter, zäh festgehaltener Sitte um – 7 Uhr abends! Die Fremden gehen lachend oder scheltend durch die noch im vollen Sommersonnenschein glänzenden Straßen, wo eilige Hausknechte einen Rollladen um den anderen herunterrasseln lassen. Wer dort kaufen will, muß eben vor Sieben kommen, das weiß die ganze Stadt und richtet sich danach. Nach dieser Zeit hat der Ladengehilfe ebensogut Feierabend, wie der Käufer, und beide befinden sich wohl dabei. Wäre anderwärts nachzuahmen! Freilich hat diese Frage weniger Aussicht auf günstige Lösung, als die oben berührte der „Sitzgelegenheit“, für welche die deutsche Frauenwelt hoffentlich recht energisch eintritt. Anfragen um Formulare sind zu richten an Frau Martha Back, „Verein zum Wohl alleinstehender Frauen und Mädchen“, Frankfurt am Main.


Bilderrätsel: „In der Theatergarderobe“.

Welche Oper wird heute gespielt?

Tiroler Fatschen heißen die hübschen blau- und rotgemusterten Borten von starker Webearbeit, welche sich aus den Meraner und Bozener „Laubengewölben“ rasch nach Deutschland verbreitet haben. Dem ursprünglichen Zweck eines Wickelbandes dienen sie wohl hier nicht, aber als Verzierung von Tisch- und Bettdecken erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Eine ganz vorzügliche Verwendung besteht darin, mit ihrer Hilfe aus vier altmodischen großen Servietten, wie sie heute zurückgesetzt in vielen Linnenschränken lagern, ein hübsches Tischtuch zu machen. Zu diesem Ende nimmt man das Fatschenband (am besten das mit dem alten stilisierten Adlermuster) als Kreuz und setzt zwischen dessen Arme die Servietten mit feinen überwendlichen Stichen an, so daß sich zuletzt das Ganze völlig glatt auseinanderlegt. Nur muß man vorher das Fatschenband mindestens fünfzehn Minuten in Wasser kochen, weil es sonst ganz bedeutend einlaufen würde. Man kann selbstverständlich auch jede andere Borte oder groben Linneneinsatz statt der Fatschenbänder benutzen, aber diese sehen am hübschesten aus.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 724a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0724_a.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)