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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

An der Quelle des Lüneburger Salzes.

Von Gustav Kopal. Mit Illustrationen von H. Haase.

Brrrrr! Also das ist Lüneburger Sole, und so schmeckt sie – alle Hochachtung!“ und mein Antlitz verzog sich in ähnlicher Weise wie dasjenige des freundlichen Herrn auf unserem Bilde, das als eine Durchschnittsdarstellung der Züge aller Besucher der Lüneburger Saline gelten kann, wohlverstanden in dem denkwürdigen Augenblick, da ihr Wissensdrang sie zum Nippen aus dem dargereichten Glase verleitet.

Der wackere alte Beamte aber, dem soeben die Erlaubnis der Königlichen Salinendirektion zur Besichtigung der Werke vorgezeigt worden war, lächelte sehr vergnügt, und über die Züge des mich begleitenden Lüneburger Freundes ging es wie ein Sonnenschein stolzer Freude – „Nicht wahr, prachtvoll salzig … haben Sie jemals etwas Aehnliches an Stärke des Gehalts geschmeckt?“

„Ich gestehe Ihnen gern, daß auch die verliebteste Köchin solche Musterleistung nicht zustande bringen könnte. Beim Baden auf Helgoland habe ich einige Versuche auf diesem Gebiet gemacht, oder richtiger, machen müssen, aber daß selbst das Salzwasser der Nordsee nicht entfernt an Ihre verehrte Sole heranreicht, will ich jederzeit vor Gericht beschwören.“

„Das glaube ich,“ lachte der Lüneburger. „Das ist auch unser Stolz, denn darauf beruht seit vielen Jahrhunderten der Wohlstand und das Gedeihen unseres Gemeinwesens, ja überhaupt das Entstehen und Emporblühen dieser ehemaligen Hansestadt. Meerwasser – pah! Das enthält ja nur 3,5 o/o an Salzen, davon etwa 2,5 o/o reines Kochsalz, und Lüneburger Sole bietet 25 bis 26 o/o des vorzüglichsten Kochsalzes; wo finden Sie Aehnliches? Doch ich will auf den Ocean nicht schelten; trägt er doch unser Erzeugnis bis in die fernsten Zonen.“

„Beispielsweise nach Kanada, nach Südafrika,“ ergänzte der alte Beamte. „Fern und nah’ ist es berühmt; die ausgezeichnete Meiereibutter Schleswig-Holsteins verdankt ihm einen wesentlichen Teil ihrer Güte. Und gar in Dänemark, Schweden, Norwegen! Da spricht man im allgemeinen vom „Lüneburger“, auch wenn das Salz aus anderen Bezugsorten stammt, gerade wie beim Kaffee der vermeintliche Stammort Mokka zur Gesamtbezeichnung geworden ist. Freilich, rund 500 000 Centner Salz gehen alljährlich von hier aus in alle Welt!“

„Damit läßt sich in der That manche Speise würzen.“

„Hm, das schon. Aber für den wesentlichsten Verbrauch sorgt doch der Gewerbefleiß. Wie viel Salz ist nicht allein erforderlich zur Erzeugung dreier Gegenstände, deren in gesitteten Ländern jedermann benötigt ist: Soda, Seife, Glas! Daneben sind unsere guten Kunden die Gerber, Färber, Töpfer, Handschuhmacher, Feilenhauer, Gelbgießer, Seiler, Schnellbleicher, Schiffbauer, Kürschner, Darmhändler, die Bäcker und gar die Zuckerbäcker – denken Sie an Gefrorenes! – die Eisen- und die Zinkhütten, die Fabrikanten von Papier, Dünger, Kunstwolle, Saiten, Oel, Tuch, Cement …“

„Und noch einige andere.“

Als wir dieses Gespräch führten, standen wir auf altehrwürdiger Stätte, die von unseren Vorfahren wohl schon zu den Zeiten, da Hermann den Varus schlug, nur mit frommem Schauder betreten wurde. Galt doch jeder Ort, wo man Salz fand, den alten Deutschen als heilig. Daß sie hierin dem Beispiel so mancher anderer Völkerschaften des grauen Altertums folgten, für die das Salz symbolische Bedeutung hatte, braucht wohl kaum erwähnt zu werden; bedeutet doch noch heutzutage die Darreichung von „Salz und Brot“ in Rußland und anderen östlichen Ländern die Zusicherung schützender Gastfreundschaft.

Die Erinnerung an jene Anschauungen unserer deutschen Altvordern mag den Anlaß gegeben haben, daß man das auf unserem Bilde oben vorgeführte Gebäude mit säulengeschmückter Pforte und Kuppelüberbau in seiner Gesamtform einem Tempel einigermaßen ähnlich gestaltet hat. Sein Dach beschirmt die segensreiche Solquelle, die den eigentlichen Mittelpunkt des Lüneburger Salinenbetriebes bildet. Das Bergmannswappen, Hacke und Schlägel, sowie der bergmännische Gruß „Glück auf!“ über dem Eingange erklären sich aus dem Umstande, daß die Saline unter Oberaufsicht des Oberbergamtes zu Clausthal steht. Verwaltet wird sie durch die Königliche Salinendirektion unter Mitwirkung des Salineausschusses; diesen wählt die Jnteressentenschaft der Saline, bestehend aus den Nachkommen oder den Rechtsnachfolgern der alten „Sülfmeister“, von deren einstigem Wirken und Schaffen Julius Wolff in seiner gleichnamigen Erzählung den weitesten Kreisen Kunde gegeben hat. „Die Solquelle,“ so berichtet da Gilbrecht, der Sohn eines Sülfmeisters, seinem Wandergenossen Timmo, „gehörte in alten Zeiten den Landesherren, aber die brauchten Geld, viel Geld und immer wieder Geld; da verkauften sie nach und nach die Solquelle an Klöster und Stifte und reiche Prälaten diesseit und jenseit der Elbe bis nach Walkenried hin. Den geistlichen Herren wurde aber der Betrieb des Salzwerkes zu unbequem, darum verpachteten sie die Einkünfte daraus in ganzen Pfannen oder in Pfannenteilen an Bürger unserer Stadt auf lange Jahre, zumeist in Erbpacht. Die Pächter heißen Sülfmeister und bilden eine eigene hoch angesehene Gilde. Im Reiche nennt man sie spottweise auch Salzjunker. Als ich auf Wanderschaft ging, gab es jährlich über 25 000 Wispel Salz, und zum Eindampfen brauchten sie nahe an 30 000 Klafter Holz. Solche Zahlen vergißt kein Lüneburger.“ –

Doch kehren wir nach diesem Abstecher in die Vergangenheit zur Gegenwart zurück!

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 747. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0747.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)