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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 46. 1896.


Das Riesenfernrohr der Berliner Ausstellung. In der Geschichte der Wissenschaften wird das Jahr 1609 unvergeßlich bleiben, in dem Galilei zum erstenmal ein schwaches Fernrohr gegen den gestirnten Himmel richtete und das menschliche Wissen durch ungeahnte Thatsachen bereicherte. Durch die Entdeckung neuer Sterne, der Gebirge auf dem Monde und vor allem der Jupitermonde lieferte er den sichtbaren, augenfälligen Beweis für die Richtigkeit der neuen Weltanschauung, zu der schon Kopernikus den Grund gelegt hatte. Seit jener Zeit sind die Forscher unermüdlich thätig gewesen, die Geheimnisse der Sternenwelt zu enträtseln, die Himmelskörper unserem Auge näherzurücken, und mit unerschöpflicher Neugierde lauschte auch die große Masse der Laien den neuen Nachrichten aus der Sternenwelt. Die Technik unterstützte die Astronomen, indem sie die Fernrohre verbesserte. Die Fortschritte waren zwar langsam, aber stetig; von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wurden die Instrumente vollkommener und lieferten immer bessere und schärfere Bilder von den fernen Körpern im Weltenraume. Nach zwei Richtungen hin wurde das Fernrohr verbessert. Galilei beobachtete mit einem Refraktor, das heißt mit einem Fernrohr, das aus vergrößernden Glaslinsen besteht. Da bei dem früheren Stand der Technik die Gläser keine scharfen und farbenfreien Bilder zu liefern vermochten, fertigte man Fernrohre, in welchen neben Linsen Hohlspiegel zur Anwendung kamen. Reflektoren wurden diese Instrumente genannt, und mit einem solchen Reflektor hat der berühmte Herschel seine großen Entdeckungen in den Himmelsräumen gemacht. Infolge der Fortschritte der Technik wurde es aber bald möglich, bessere Glaslinsen herzustellen, und die alten Refraktoren zeigten sich den Spiegelfernrohren überlegen. Dieser Art sind heutzutage die größten und besten Fernrohre der Sternwarten. Deutschland, das zur Vervollkommnung dieser Instrumente durch Herschels und Fraunhofers Arbeiten soviel beigetragen hat, blieb auf diesem Gebiete eine Zeitlang hinter den anderen Kulturvölkern zurück. Das größte Fernrohr, das bis vor kurzem in Deutschland sich befand, war das der Sternwarte in Straßburg. Der Durchmesser seines Objektivs, das heißt der dem Himmel zugewendeten Glaslinse, beträgt 48,5 cm. Dem gegenüber verfügt z. B. Wien über ein Fernrohr mit 68,5 cm Oeffnungsweite, Pulkowa und Nizza über Instrumente mit Linsen von 76 cm Durchmesser, und obenan stand Amerika, wo z. B. das Lick-Observatorium ein Fernrohr mit 91,5 cm Oeffnung besitzt.

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Das Riesenfernrohr im Treptower Park.

Der von deutschen Astronomen gehegte Wunsch, den anderen Kulturvölkern gleichzukommen oder sie auf diesem Gebiete womöglich zu übertreffen, ist endlich gelegentlich der letzten Berliner Gewerbeausstellung nach vielen Mühen und Kämpfen in Erfüllung gegangen. Nach den Angaben und Berechnungen des Astronomen F. S. Archenhold wurde ein Riesenfernrohr erbaut, für das ein Objektiv von 110 cm Durchmesser in Aussicht genommen worden ist. Vorläufig wurde es mit einem Objektiv von 70 cm Durchmesser ausgerüstet. Das Rohr selbst ist 21 m lang und wiegt gegen 80 Zentner. Zur Aufstellung und Bewegung dieses Riesenfernrohrs ist ein sinnreicher Maschinenapparat nötig, den unsere Abbildung wiedergiebt. Derselbe ist insofern eigenartig, als Archenhold dabei auf den bei astronomischen Fernrohren üblichen drehbaren Kuppelbau verzichtete und dadurch die Herstellungskosten des Observatoriums wesentlich billiger gestaltete. Das Riesenfernrohr ist in dem Archenholdschen Observatorium mit einem Cylindermantel versehen, und bei diesem System stellen sich die Gesamtkosten auf etwa 1/4 Million Mark, während sonst ein großes, mit drehbarem Kuppelbau versehenes Fernrohr einen Aufwand von 11/4 bis 11/2 Millionen Mark erforderte. Erst vor kurzem konnte die Sternwarte im Treptower Park in Thätigkeit treten. Die ersten Beobachtungen, die man probeweise mit dem Fernrohr angestellt hatte, fielen durchaus befriedigend aus. Die Bilder der Mondlandschaft zeichneten sich durch eine wunderbare Deutlichkeit und Klarheit aus, und auch das Uhrwerk, das den Riesenapparat dem Gang der Himmelskörper anpaßt, funktionierte tadellos. Mit Spannung können wir somit den weiteren Beobachtungen entgegensehen. Sicher wird dieses Riesenfernrohr die erhofften Dienste leisten und viel zur weiteren Entschleierung der Geheimnisse der Sternenwelt beitragen.

Christbaumschmuck. Bei der nahenden Weihnachtszeit ist es gewiß vielen willkommen, darüber belehrt zu werden, wie man mit eigner Hand die schönsten Christbaumverzierungen anfertigen kann. Die wirksamste von allen, die vergoldeten Tannenzapfen an den Astenden des Christbaums, stellt man, besser als mit Schaumgold und Gummilösung, mit Gerstendörffers Goldtinktur her. Das Fläschchen für 50 Pfennig reicht weit und liefert einen gleichmäßigen, rasch trocknenden Goldüberzug. In allen größeren Geschäften ist dies sowohl als das Patent-Bronzepulver vorrätig, das, mit etwas Lack vermischt, einen farbigen Metallton giebt. Man kann mit demselben ausgeblasene Eier zu rot und grüngoldenen Kugeln machen, auch kleine Körbchen zur Aufnahme von Konfekt wirksam anstreichen. Unübertroffen in der Wirkung sind die allbekannten goldenen Ketten um den Baum. Um sie sehr schön herzustellen, klebt man einen Tag vor der Anfertigung immer 2 Bogen Goldpapier mit den weißen Seiten zusammen und beschwert sie zum Trocknen. Nun hat man feine, auf beiden Seiten gleiche Goldstreifen, schneidet sie schmal, daß die Ketten fein werden, und klebt Ring um Ring mit gutem, flüssigem Leim ineinander. Die Christbaumsterne mit den lang niederhängenden Gold- und Stanniolfäden, welche, in großer Anzahl am Baum angebracht, ihm ein wunderschönes Ansehen geben, stellt man folgendermaßen her: Aus Karton wird ein Rund von 9 cm Durchmesser geschnitten. Zum Stern wählt man Seidenpapier, z. B. eine Schattierung von 5 Bogen, vom allerzartesten Rosa bis zum ziemlich tiefen, und schneidet, mit diesem beginnend, ein Rund von 3 cm Durchmesser. Das nächstfolgende von 5 cm, das dritte von 7, bis man endlich mit dem äußersten 11 cm erreicht hat. (Selbstverständlich faltet man das Papier zusammen, so daß immer 8 Scheiben zugleich geschnitten werden.) Nun heißt es, den Rand einer jeden (auch vierfach gefaltet) mit einer feinen Schere einzähnen, und nachdem dies geschehen, heftet man alle Scheiben aufeinander und schließlich mit Draht auf den Karton. Aus Rauschsilber oder Rauschgold schneidet man dann möglichst lange (40 bis 70 cm) Streifen von 4 cm Breite und spaltet diese in 4 bis 5 feine Fäden. Mit dem festen oberen Ende, das man rechts und links etwas nach innen umbiegt, heftet man dann diese Staubfäden in die Sternenblumen ein und bringt rückwärts am Karton zwei Drahtenden zur Befestigung am Baume an. Man kann auch farbigen Stanniol zu den Fäden verwenden: Grün zu rosa Sternen, Blau zu gelben, Rot zu weißen, die abwechselnd aus Weiß und goldenen oder silbernen Scheiben hergestellt werden, weil Weiß allein zu matt wirkt. – Lichterhalter sind praktisch, aber nicht billig. Wo sie fehlen, befestigt man die Wachslichtchen ganz solid durch starke Stecknadeln, welchen man mit der Drahtzange die Köpfe abknipst. Das stumpfe Ende wird mit der Zange ein paar Augenblicke in ein brennendes Licht gehalten und, sobald es glüht, fest in das untere Ende des Wachslichtchens bis über die Hälfte eingebohrt. Den heraussehenden Stachel von 11/2 cm Länge stößt man dann mitten in den Tannenzweig, und das Licht sitzt gut und fest auf diesem auf. Die größte Mannigfaltigkeit von Anregungen verwandter Art findet sich in dem Büchlein, das H. Steinach unter dem Titel „Christbaumschmuck“ (München, Kellerer) diesem Thema gewidmet hat. Nicht nur für die Herstellung der verschiedensten Arten von Sternen, Papiernetzen, Glaskugeln, Ketten u. s. w. sind darin die nötigen Erklärungen gegeben, auch Rezepte für Christgebäck und gute Ratschläge zur Ausschmückung des Baumes im ganzen machen die Schrift empfehlenswert.

Hauswirtschaftliches.

Dem Backen im Hause scheinen viele Hausfrauen immer weniger Geschmack abzugewinnen, trotzdem kein Konditorgebäck so mundet wie das Hausbackwerk. Die Ursache liegt nicht in der Bequemlichkeit, sondern in der Sorge vor dem Mißraten. Wenn es nun auch gegen das letztere Uebel kein nie versagendes HIlfsmittel gibt, denn Backen bleibt immer eine Kunst, so haben wir doch durch die Erfindungen der Neuzeit manche Gewähr, das Mißraten wenigstens beschränken zu können. Vorste haben wie nicht nötig, uns vor „unaufgegangenem“ Backwerk zu fürchten, wenn wir statt des treibenden umständlichen Geistes der Hefe jetzt das Backpulver nehmen, gegen das allerdings vielfach noch das Vorurteil besteht, es gebe einen Beigeschmack, obgleich dies völlig grundlos ist, denn gutes Backpulver, z. B. das „Viktoria-Backpulver“, ist ganz geschmackfrei. Zudem erspart das Backpulver uns viel Zeit, wir brauchen nicht auf ein „Aufgehen“ zu warten, sondern können sofort das Gebäck in den Ofen schieben. Ferner geht bei Anwendung von Backpulver nichts von der Masse verloren, was beim Gebrauch der Hefe der Fall ist, die durch das Gären einen Teil des Teiges zersetzt. Ebenso gefürchtet wie „unaufgegangenes“ Gebäck ist solches, das nicht gar oder das verbrannt ist. Auch hierfür gibt es Rat, wenn man vor der Backofenthür ein praktisches „Bratthermometer“ befestigt, das uns die Temperatur des Ofens genau anzeigt. Wissen wir nun, daß für Hefebackwerk 110° R., für Brot 120 ° R., für Sand- und Biskuitbackwerk 100° R. und für Backwerk, das nur austrocknen soll, 90° R. die richtige Temperatur sind, so wird uns ein gleichmäßig geratenes Backwerk erfreuen, und das Backen wird für jede Hausfrau winw Lust, nicht eine Last sein. L. H.     

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 788a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0788_a.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)