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Blätter und Blüten.


Ein Heldensohn Siebenbürgens. Am 24. November waren hundert Jahre verflossen, da Stephan Ludwig Roth in dem siebenbürgischen Städtchen Mediasch das Licht der Welt erblickt hatte. Einst – in sturmbewegter Zeit, wurde sein Name unter den edelsten genannt, hatte er doch für das deutsche Volkstum im fernen Osten rastlos gewirkt und für das Deutschtum sein Blut vergossen.

Die „Gartenlaube“ hat schon einmal (Jahrg. 1862, S. 407) ein ausführliches Lebens- und Charakterbild Roths ihren Lesern geboten. Doch sollte das Andenken des heldenmütigen Mannes in gleicher Frische auch bei dem jüngeren Geschlechte fortleben.

Im Gegensatz zu dem tragischen Ende flossen die ersten Mannesjahre des warmfühlenden Patrioten ruhig dahin. Roth wählte den friedlichen Beruf eines Lehrers und Seelsorgers; wie so viele seiner Landsleute ging er, um zu studieren, nach Deutschland und widmete sich auf der Universität Tübingen philosophischen und theologischen Studien. In regem Verkehr mit den burschenschaftlichen Kreisen schloß er das Ideal eines einigen und freien Deutschlands in sein Herz und erwarb sich politische Charakterfestigkeit und Ueberzeugungstreue. In Tübingen wurde er auf Pestalozzi aufmerksam, und rasch entschlossen suchte er den großen Pädagogen in Yverdon auf, wo er als eifriger Schüler des großen Meisters anderthalb Jahre verblieb. Nachdem er in Tübingen die Doktorwürde erlangt hatte, kehrte er in sein engeres Vaterland zurück.

Durchdrungen von den neuen Lehren, die er vernommen hatte, stellte er sich die schwierige Aufgabe, das Schulwesen in Siebenbürgen im neuen Zeitgeiste zu reformieren. Er begegnete aber unüberwindlichen Schwierigkeiten; er wurde zwar Rektor des Gymnasiums in seiner Vaterstadt Mediasch, als er aber in demselben Turn- und Gesangsunterricht einführte, zog er sich eine abfällige Kritik zu. Diese beiden Fächer wurden schließlich von der vorgesetzten Behörde „als eine entbehrliche, ja selbst verderbliche Zerstreuung“ verboten. Vergebens mahnte Roth, auch die Volksschule im Sinne Pestalozzis umzugestalten; seine Worte verhallten ungehört, und erst einer späteren Zeit sollte es vorbehalten bleiben, jene Ideale zu verwirklichen.

Im Jahre 1837 wechselte Roth seinen Wirkungskreis; er wurde in Rimesch zum Pfarrer gewählt. Der Geistliche war aber nicht allein Seelsorger; in enger Berührung mit dem Landvolke erkannte Roth nur zu bald, daß es nicht nur in geistiger, sondern auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht gehoben werden müsse. So entwickelte er eine rege gemeinnützige Thätigkeit und suchte die Landwirtschaft zu heben, zu welchem Zwecke er auch eine Bewegung ins Leben rief, schwäbische Landwirte zur Einwanderung nach Siebenbürgen zu veranlassen.

Dieses friedliche Wirken sollte indessen durch politische Stürme unterbrochen werden. Seit dem Jahre 1839 begann der ungarische Reichstag die wohlverbrieften Rechte der Deutschen in Siebenbürgen zu verkümmern, indem er in Amt und Schule die deutsche Sprache durch die magyarische ersetzte. Nun wurde Roth zu dem eifrigsten und mutigsten Verfechter des Deutschtums; durch seine zündende Flugschrift „Der Sprachkampf“ erhob er sich zum Führer der Patrioten, die bei aller Loyalität gegen die Regierung ihre deutsche Eigenart nicht aufgeben wollten. Gegen Roth wandte sich darum in erster Linie der Haß der Gegner, und um so feuriger schlugen für Roth die Herzen der sächsischen Jugend.

Inmitten dieser Kämpfe brachen die Stürme der Revolution ein. Roth wurde im Jahre 1847 zum Pfarrer von Meschen erwählt. Aufmerksam verfolgte er die politische Bewegung und erkannte bald, daß die Revolution in Ungarn sich zu einem Kampfe für die Alleinherrschaft der Magyaren und die Unterdrückung anderer Nationalitäten gestaltete. Er hielt darum zu der österreichischen Regierung und wurde von dieser zum kaiserlichen Kommissar des Kokelburger Komitates ernannt. Es sollten aber nur zu bald die Zeiten schwerster Prüfung für Siebenbürgen anbrechen. Die Ungarn rückten siegreich in Siebenbürgen ein und übten eine furchtbare Vergeltung an ihren politischen Gegnern. Auch Roth wurde verhaftet, er hätte fliehen können, aber er erwiderte seinen Freunden, die ihn retten wollten: „In großer Sache gilt es, groß zu handeln … Ich danke euch, aber die Flucht lehne ich ab. Es soll nicht heißen, aus Furcht sei ich geflohen, denn dem Sachsen fehle es an Mut.“ Am 11. Mai 1849 wurde Roth vom magyarischen Kriegsgericht zum Tode durch Pulver und Blei verurteilt. Er starb mit unverbundenen Augen wie ein Held und erzwang noch im Tode von seinen Feinden die Hochachtung. „Soldaten, lernt von diesem Manne, wie man für sein Volk stirbt!“ rief der kommandierende Hauptmann auf der Richtstätte denjenigen zu, die auf Roth gefeuert hatten.

Fürwahr, die siebenbürger Sachsen können mit Stolz Stephan Ludwig Roth den ihrigen nennen, und tröstlich ist, wie bei allen Martyrien für Recht und Freiheit, die Thatsache, daß Roth nicht umsonst sein Leben geopfert. Die Saat, die er ausgestreut hat, trägt goldene Früchte. Festgefügt steht heute der Stamm der Siebenbürger Sachsen und trotzt den Stürmen, die ihn bedrohen. *     

Eine Volksausgabe von Anzengrubers Gesammelten Werken. An die so wohlfeilen und dabei doch in schöner lesbarer Schrift gedruckten Klassikerausgaben der „Bibliothek der Weltlitteratur“ reiht die Cottasche Verlagsbuchhandlung in Stuttgart soeben eine billige Lieferungsausgabe der Dichtungen von Ludwig Anzengruber. Wir begrüßen das Erscheinen derselben aufs freudigste – bietet sie doch die Gewähr, daß das kostbare Nationalgut, das uns der Dichter in seinen Erzählungen und Dramen hinterlassen hat, wirklich auch mehr und mehr zum persönlichen Eigentum des ganzen Volkes werde. So eigenartig, treu und echt er uns die Bewohner und Zustände der besonderen Welt des österreichischen Alpenlandes, aus dem er vom Vater her stammte, geschildert hat, so allgemein interessant, so rein menschlich ergreifend sind anderseits die ernsten und heiteren Schicksale, in deren Gestaltung sich sein machtvoller dichterischer Genius ausgesprochen hat. Als Klassiker des Volksstücks ebenbürtiger Nachfolger Raimunds, hat der Dichter des „Pfarrers von Kirchfeld“ und der „Kreuzelschreiber“ Gestalten zu erfinden und Worte zu finden gewußt, die noch in ferner Zeit ihre erschütternde Macht von der Bühne herab auf die Hörer entfalten werden. Und überall, auch in den größeren Erzählungen wie den kurzen Kalendergeschichten, in denen er gleich Hebel und Auerbach sich als Meister bewährte, beherrscht ein tiefsittlicher Grundton den „launigen Zuspruch“ und die „ernste Red’“. Dem Stoff wie dem Geiste nach sind Anzengrubers Werke daher im schönsten Sinne des Worts volkstümlich, und jeder, dem die Sache der Volksbildung am Herzen liegt, muß in der Veranstaltung dieser „Volksausgabe“ eine wesentliche Förderung seiner Wünsche erkennen. Dieselbe bietet den Inhalt von zehn Bänden in 60 Lieferungen, deren Preis nur 40 Pfennig beträgt.

Die Taufe des Frankenkönigs Chlodwig zu Rheims, Weihnachten 496. (Zu dem Bilde S. 844 und 845.) König Chlodwig, der 481 mit fünfzehn Jahren den Thron bestieg, der Gründer des Frankenreichs, hatte die letzten Römer, die noch in Gallien sich behaupteten, bei Soissons geschlagen und kämpfte 496 gegen die Alemannen in der blutigen Schlacht von Zülpich, wo sich das Schlachtenglück gegen ihn zu erklären schien. Da gelobte er, den Wunsch seiner jungen Gattin, der Tochter des Burgunderkönigs, zu erfüllen und zum Christentum überzugehen, wenn ihm in diesem Kampfe noch der Sieg zu teil würde. In der That wurden die Alemannen geschlagen und Chlodwig ließ sich von dem Bischof Remigius in Rheims taufen. Auf Zicks wirkungsvollem Bilde sehen wir den Frankenkönig, wie er niederknieend die Taufe empfängt und von dem Bischof mit dem heiligen Oel gesalbt wird, das seitdem als das Salböl der fränkischen und französischen Könige diente. Während die Gruppe der Priester segnend und Gebete lesend ihres Amtes waltet, macht der knieende Fürst einen zugleich zerknirschten und trotzigen Eindruck, als reue ihn das Gelübde, das er halten mußte. In der That bannte die Taufe nicht aus seiner Seele die despotischen Gelüste, die Neigung zu grausamen Gewaltthaten, das bewies sein späteres Leben. Er selbst schlug gefangene Fürsten mit der Streitaxt nieder und ließ andere, darunter auch seine nächsten Verwandten, töten. Auch Chlodwigs Schwester ließ sich taufen – in der Frauengruppe zur Linken sieht man aufrichtige Hingebung und Andacht. Rechts vom Könige lassen sich seine Franken taufen, die meisten drängen sich ebenfalls andächtig zum heiligen Akt – doch auch den Trotz, der mißvergnügt sich abwendet, hat der Maler uns vorgeführt in dem bärtigen Krieger im Vordergrund. Vorn in der Mitte verbrennen zwei Geistliche die alten Fahnen und Feldzeichen der Franken, den Eber auf der Lanzenspitze, nach dem alten Ausspruch des Heiligen: Verbrenne, was du verehrt hast! Für den Raum, in welchem das folgenreiche Ereignis stattfand, bietet die Ueberlieferung keinen direkten Anhalt. Der Dom von Rheims ist ein gotischer Bau aus dem 14. Jahrhundert und die romanische Kirche St. Remy, wo lange Zeit die französischen Könige gekrönt wurden und wo die Gebeine des heiligen Remigius ruhen, stammt erst aus dem 10. Jahrhundert. Es war also der Phantasie des Malers überlassen, den architektonischen Hintergrund für die Gruppen seines ausdrucksvollen Bildes zu gestalten, und er entsprach den geschichtlichen Ueberlieferungen, wenn er die römische Basilika mit den Anfängen des byzantinischen Stils wählte; denn die Christen werden die damals herrschende Kirchenform auch in Gallien eingeführt haben. Nur hat der Maler sich die Licenz erlaubt, den Taufstein vor der Nische aufzustellen, in welcher der Altar steht, während er sonst meistens in den Seitenkapellen oder gesondert im Baptisterium zu stehen pflegt. Dadurch gewinnt aber der Hintergrund an Bedeutung für die Handlung selbst.      

Zur Gründung eines Grimm-Museums in Hanau ist bei Gelegenheit der schönen Feier zur Einweihung des Denkmals, das die Nation den Brüdern Grimm in ihrer Geburtsstadt gewidmet hat, der Plan gefaßt worden. Inzwischen ist daselbst ein Ausschuß zusammengetreten, welcher die Ausführung des Planes ins Werk setzen soll, und derselbe erläßt jetzt einen Aufruf, von dessen Inhalt auch wir gern unseren Lesern Mitteilung machen. Das geplante Grimm-Museum soll zur Aufgabe haben, die in den Händen Vieler weit verstreuten Erinnerungszeichen, welche für das Leben und Wirken der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm irgendwie Bedeutung haben, in einer Sammlung zu vereinigen. Briefe und Abbildungen von ihnen oder ihren Angehörigen, andere ihrer Handschriften, wie die Tagebücher und die Manuskripte ihrer Werke, sollen in geeigneten Räumen geordnete Aufstellung finden. Das Hanauer Grimm-Museum soll der pietätvollen Erinnerung an die genialen Begründer einer neuen Wissenschaft von unserer deutschen Vorzeit sowie der Forschung, die sich mit ihnen und ihrem Wirken beschäftigt, die gleichen Dienste leisten, welche das Goethe-Schiller-Archiv in Weimar in Bezug auf diese beiden großen Dichter unserer klassischen Zeit gewährt. Schon hat der Sohn Wilhelm Grimms, Professor Hermann Grimm in Berlin, eine Kapitalstiftung und eine Anzahl von Grimm-Erinnerungen dem Unternehmen zugesagt. Gewiß wird es in Hauau selbst nicht an dem nötigen Gemeinsinn und Idealismus fehlen, um die geeigneten Räume für das Museum zu schaffen. Die Verehrer des Brüderpaares im ganzen deutschen Volke werden anderseits zweifellos gern der Bitte des Ausschusses folgen: „Alles, was an Erinnerungszeichen jeder Art, die auf die Brüder Bezug haben oder von ihnen herrühren, sich in Privatbesitz befindet, dem zu bildenden Grimm-Museum zur Verfügung zu stellen.“ Die entsprechenden Sendungen sind an den Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Oberbürgermeister Dr. Gebeschus in Hanau, zu richten.

Zigeunerin auf der Wanderung. (Zu dem Bilde S. 853.) Arm wie eine Bettlerin und stolz wie eine Königin schreitet das braune Weib in der Mittagssonne ihren steinigen Wanderpfad. Auf dem Kopfe trägt sie ihr gesamtes Besitztum in dem flachen Weidenkorb; das schwarzlockige

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 855. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0855.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)