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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

für diese Theorie, und da es ganz gleichgültig ist, ob sich der Wind gegen den Drachen oder der Drachen gegen die Luft bewegt, so ist ohne weiteres klar, daß man selbst schwerere Massen durch die Luft befördern könnte, sobald man hinreichend große drachenartig gestellte Segelflächen mit großer Geschwindigkeit und unter Beherrschung des Gleichgewichtes vorwärts zu treiben vermöchte. Aus solchen Drachen- oder Segelflächen mit ihren verbindenden Konstruktionsteilen ist Maxims Flugapparat zusammengesetzt, und da er für Versuche im größten Maßstabe dienen sollte, so trug gleich das erste Modell nicht weniger als 500 bis 600 qm Segel, welche durch einige starke Propellerschrauben mit großer Geschwindigkeit fortbewegt werden sollten. Eine Dampfmaschine mit ganz besonders sinnreichem und leichtem Kessel, welche angeblich trotz ihres geringen Gewichtes über 300 Pferdestärken entwickeln sollte, setzte das ganze Werk in Bewegung. – Um der Maschine zunächst die zum Auffliegen nötige Schnelligkeit zu erteilen, ließ man, sie auf Geleisen abfahren und gewissermaßen einen Anlauf nehmen, worauf beim ersten Versuch auch wirklich ein gewisser Auftrieb stattfand. Nun hatte aber der Erfinder, der Lenkung des großen Ungetüms noch nicht so ganz gewiß, auch über der Versuchsstrecke eine Schienenführung angebracht, welche die Maschine hindern sollte, beliebig hoch zu steigen. In dieses obere Geleise gerieten die Flügelräder, sie zerbrachen, und die Maschine fiel schwer beschädigt zu Boden. Jedenfalls sind aber die Erfolge für den Unternehmer nicht entmutigend gewesen, da er seine Versuche fortzusetzen beabsichtigt.

Besser gelangen die in diesem Sommer angestellten Versuche mit einer von dem amerikanischen Meteorologen Prof. Langley erfundenen Dampfflugmaschine, welche, zwar vorläufig im kleinen Maßstab erbaut wurde – sie wog noch nicht soviel Pfunde wie die Maximsche Centner – aber überraschende Resultate ergab. Die über einer Bucht des Potomacflusses veranstalteten Proben, denen viele bekannte wissenschaftliche Größen beiwohnten, erregten allgemeine Bewunderung. Die Maschine, an Gestalt und Arbeitsweise einem riesigen Vogel gleichend, erhob sich bei dem ersten Abflug, der von Bord eines Schiffes (und natürlich ohne Bemannung) stattfand, etwa 25 m hoch in großen Kurven und senkte sich dann, als die noch unvollkommene Dampfmaschine ihre Arbeit einstellte, langsam aufs Wasser herab, wo man sie wieder einfing. Ein zweiter Versuch gelang in ähnlicher Weise, der Apparat flog vom Schiffe über ein Vorgebirge des Ufers hinweg und kam auch diesmal unbeschädigt wieder herab. Jeder Flug wurde auf beinahe einen Kilometer geschätzt und dauerte etwa anderthalb Minuten. Natürlich ist auch durch solche, immerhin günstigen Resultate, das Problem der Flugmaschine noch lange nicht gelöst, aber es bedeutet jedenfalls wiederum einen großen Fortschritt, eine Maschine erfunden zu haben, welche ohne die ständige Lenkung des Menschen das Gleichgewicht ihrer Lage behält und größere Flüge auszuführen vermag. Es beschäftigen sich jetzt so viele ausgezeichnete Köpfe mit der Flugfrage, und auf so verschiedenen Wegen ist man bestrebt, sich dem Ziel zu nähern, daß kaum noch ein Zweifel an dem endlichen Gelingen übrig bleibt. Bw.     

Die Fütterung der Havelschwäne im Winter. (Zu dem Bilde auf S. 865.) Wenn die Umgebung der Reichshauptstadt das absprechende Urteil nicht verdient, das man von Unwissenden oft über sie fallen hört, so verdankt sie das in erster Linie dem breiten, waldumstandenen Havelflusse. Von Heiligensee, einem durch seine köstlichen Fische gar berühmten Ausflugsorte, an beginnt die Havel mächtige, wenn auch nicht eben tiefe Seen zu bilden, und bis zu ihrem Eintritt in die Elbe schmückt sie nun die Flachlandschaft mit einer Kette weit ausladender, romantischer Buchten. Bei Potsdam, das durch sie zur Insel geworden ist, zeigt sie ihre Schönheit im höchsten Glanze, und hier ist es auch, wo die bekannten Havelschwäne ihr Hauptquartier aufgeschlagen haben. Wohin immer man an schönen Sommertagen auf diesen Gewässern kommt, überall tauchen auf dem goldigen Blau der Flut wie weiße Riesenblumen die Leiber der majestätischen Vögel auf, überall erspäht man ihre Nester. Sie verleihen der Landschaft einen ganz besonderen Reiz, und der Umstand, daß sie sich scheinbarer Freiheit erfreuen, erhöht noch das Interesse für sie. Man sieht ja nicht, daß ihnen allen die Schwingen beschnitten sind, man hält sie für die natürlichen Bewohner dieses hübschen Erdenwinkels und weiß nicht, daß sie nur der Freigebigkeit des Königs ihr Hiersein verdanken. Der Havelschwan aber fühlt sich wohl in seiner Abhängigkeit. Die Tage sind vorbei, wo man ihn hier als einen jagdbaren Vogel behandelte, um so etwas mehr Nutzen und Vergnügen von der Fürsorge zu haben, die man ihm angedeihen ließ. Man nahm rechtzeitig Abstand von diesem Sport, als die Schwäne im Laufe der Zeit so zahm geworden waren, daß sie sich ruhig, und ohne einen Versuch zur Flucht zu machen, dem Schusse aussetzten. Seitdem wird nicht mehr ihr Leben, sondem nur noch ihr Federkleid bedroht, dessen man sie der geschätzten Schwanendaunen wegen mitunter teilweise zu berauben pflegt, und sie können als Pensionäre des Königs jeder Jahreszeit – auch dem gefürchteten Winter! – sorglos entgegensehen. Sie kennen ja ihren Futterplatz unfern der Eisenbahnbrücke, wo ihnen von ihrem eigens dazu angestellten Pflegevater zweimal täglich reichliche Nahrung geboten wird. Genau zur bestimmten Zeit kommen sie unter gewaltigem Geschnatter in großen Haufen von nah’ und fern herbei; da ist kein Zug, der sich verspätet, ist keiner, der nicht gierig der erste zu sein trachtet. Mit der Atzung wird nicht gegeizt, das wissen sie wohl, aber dennoch balgen sie sich um jedes Körnlein, und die Schwächeren müssen allemal geduldig warten, bis ihre Vormänner befriedigt abziehen. Oft genug sieht sich der alte Fischersmann sogar genötigt, besonders zudringliche Burschen mit kräftigem Hiebe abzuwehren. Die Fütterung, die Tag für Tag mehrere Centner Getreide verschlingt, dauert bis zu der Zeit, wo Strom und Bäche wieder vom Eise befreit sind und die stolzen Vögel es nicht mehr nötig haben, von der Menschen Gnade zu leben. Dann wandern sie allesamt wieder nach ihren langjährigen Standorten, diese nach Spandau und weiter hinauf, jene über den tückischen Schwielochsee zu den einladenden Brandenburger Seen.

Ein Dankesgruß von J. G. Fischer. Unter unzähligen Kundgebungen der Sympathie und Verehrung hat vor wenigen Wochen der Nestor der deutschen Dichter der Gegenwart, Johann Georg Fischer, seinen achtzigsten Geburtstag in Stuttgart gefeiert. Aus nah’ und fern ertönte in diesen Tagen der Wiederhall seines Ruhms; auch die „Gartenlaube“ begrüßte freudig den Anlaß zu einer eingehenden Würdigung seines reichen dichterischen Schaffens, die in Nr. 43 erschien. In bewunderungswürdiger Rüstigkeit hat J. G. Fischer selbst den Ehrentag am 25. Oktober begangen. Mit der Dankbarkeit für alles Schöne, die auch seine Dichtungen wiederstrahlen, hat er sich an den vielen Beweisen von Liebe und Verehrung erfreut, die ihm in so erhebender Weise aus allen Kreisen der Nation zu teil wurden. Was er darüber empfand, hat dann in einem Gedicht seinen wärmsten Ausdruck gefunden, das er nun der „Gartenlaube“ zur Veröffentlichung übergeben hat, damit sein Dank gleichfalls allenthalben im deutschen Volke Wiederhall finde.

Zum Dank
für meinen achtzigsten Geburtstag.

Es klingt ein Lied in meine Schlummerstätte
Und schwillt heran wie junges Morgenlicht,
Als ob des schönsten Tages Angesicht
Zum schönsten Wunsche sich entschlossen hätte:

Da drängen sich mir zu, wie um die Wette,
Aus Blumen, die man sonst im Frühling bricht,
Die Veilchenkränze und Vergißmeinnicht,
Von edlen Weinen eine Perlenkette.

So strömt der Tag mit überreichen Ehren,
Mit Grüßen, welche Stund’ um Stunde währen,
Und wie ein Unerschöpfter geht er hin.

Es kommt der Abend noch mit vollen Händen,
Der neue Morgen kommt mit neuen Spenden –
Und neuen Zweifeln: Ob ich’s würdig bin.
 J. G. Fischer.

Extrapost. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die auf unserem Bilde dargestellten kleinen Brüderlein haben während ihres fünfwöchigen Daseins noch keine Gelegenheit gehabt, sich über die Vorzüge der einzelnen Verkehrsmittel eine Ansicht zu bilden: vorläufig sind ihnen noch alle Dampf-, Pferde- und elektrischen Bahnen gänzlich „Wurst“. Aber das wissen sie nun bereits aus Erfahrung, daß es ein sehr angenehmes Gefühl ist, so sanft auf dem weichen Handtuch von dem jungen Menschenkind über den Rasen hin gezogen zu werden. Ein kleines Unglück ist dabei zwar auch nicht ausgeschlossen, wie der über einen etwas stärkeren Ruck gänzlich umgepurzeite Passagier beweist, aber die fröhliche Lenkerin der flotten Extrapost bremst sofort, und nach kurzem Aufenthalt kann die Fahrt ihren vergnügten Fortgang nehmen! Man weiß nicht, was einem besser gefällt auf dem liebenswürdigen Bildchen: die vier plump drolligen Gesellen oder das hübsche blonde Köpfchen, das sich so liebevoll nach ihnen zurückwendet! Bn.     


Kleiner Briefkasten.

G. K. in Antwerpen. Genaue Auskunft über die von Ihnen aufgeworfenen Fragen erteilen die im Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig erschienenen Bücher von Buhle „Lehrbuch des Skatspiels“ und „Skatordnung“.


manicula Hierzu die Kunstbeilage XV: „Extrapost“. Von W. H. Gore.

Inhalt: Die Geschwister. Roman von Philipp Wengerhoff (13. Fortsetzung). S. 857. – Im Ratskeller zu Hamburg. Von Gustav Kopal. S. 860. Mit Abbildungen S. 857, 860, 861, 862 und 863. – Ueber operative Heilung der Kurzsichtigkeit. Von Prof. Dr. Hermann Cohn. S. 864. Mit Abbildungen S. 864, 866, 867 und 868. – Die Fütterung der Havelschwäne im Winter. Bild. S. 865. – Im Bade. Bild. S. 869. – Das letzte Blatt. Gedicht von Max Hartung. Mit Randzeichnung. S. 872. – Turandots Polterabend. Erzählung von Hans Arnold (Fortsetzung). S. 872. Mit Abbildungen S. 872, 873 und 874. – Blätter und Blüten: Amerikanische Flugmaschinen. S. 875. – Die Fütterung der Havelschwäne im Winter. S. 876. (Zu dem Bilde S. 865.) – Ein Dankesgruß von J. G. Fischer. S. 876. – Extrapost. S. 876. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Kleiner Briefkasten. S. 876.


Nicht zu übersehen! Mit der nächsten Nummer schließt das vierte Quartal der „Gartenlaube“ 1896; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders darauf aufmerksam, daß der Abonnementspreis von 1 Mark 75 Pf bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs bei der Post aufgegeben werden, sich um 10 Pfennig erhöht.

Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 876. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0876.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)