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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Schaukelstuhl, bläst wohlgefällig den blauen Rauch seiner Cigarre in die klare Luft und macht durchaus den Eindruck eines Menschen, der sich bewußt ist, daß es ihm außerordentlich gut geht.

Derselbe Ausdruck von Behagen liegt auf dem Gesicht seiner Gattin. Sie ist viel stärker geworden, bewegt sich aber mit soviel Elasticität, schaut so fröhlich aus den Augen, daß sie trotz der stark mit Grau durchsetzten Haare kaum gealtert erscheint. Um ihren Mund spielt ein zufriedenes Lächeln, als sie jetzt, ein paar soeben vorgelesene Briefe niederlegend, zu Arnold Römer aufblickt.

„Ja, ja,“ sagt dieser und streckt seine Hand über den Tisch zu ihr hinüber, „es ist jetzt doch alles ganz anders geworden, als Du damals in Deinen schwarzen Sorgen es kommen sahst, Mamachen!“

„Gott sei Lob und Dank!“ erwiderte sie, in die dargebotene Hand des Schwiegersohns herzlich einschlagend. „Man sollte es nicht für möglich halten, unter welch veränderten Bedingungen man sich auch glücklich fühlen kann.“

Auch?!“ fiel ihr Gatte ein. „Ich meine, erst recht! Mir wenigstens war es in langen Jahren nicht so wohl als jetzt, wo endlich einmal Klarheit um uns herrscht und keine ,Stellung’ mehr ,gewahrt’ zu werden braucht.“

„Nun,“ erwiderte sie mit einiger Lebhaftigkeit, „gar so bescheiden steht es denn doch nicht um uns. Wir sind, die wir waren, und wenn es dem Geheimrat Brückner paßt, in der Saison den Oberstock seiner Villa zu vermieten – –“

„Um das Jahr über frei zu wohnen, so ist dies für seine Verhältnisse sehr angenehm,“ schloß er behaglich lachend. „Glaube nur, Frauchen, daß dies die andern genau so gut wissen wie wir. Es fällt ihnen aber nicht ein, uns darum zu verachten.“

„Im Gegenteil,“ sagte Arnold. „Unsere vielverschrieene Zeit hat einen Respekt vor ehrlicher Arbeit und Sparsamkeit, der viele von ihren Schattenseiten aufwiegt. Wenn der Papa in der gestreiften Leinenjacke seinen eigenen Gärtner vorstellt und die Mama, wie heute Morgen, die gesamten Betten höchsteigenhändig in der Sonne ausbreitet, damit sie schön frisch sind für die Einwanderung von Kindern und Enkeln, da sehen lauter freundliche Nachbarsgesichter über die Zäune und man preist euch als tüchtige und glückliche Menschen.“

„Das letztere sind wir gewiß!“ rief lebhaft die Geheimrätin. „Dir danken wir übrigens ein gutes Teil davon, Arnold, denn Du hast uns den inneren Frieden wiedergegeben durch Dein Wirken zur Versöhnung mit Elfe. Jetzt, wo sie zum erstenmal wieder ins Elternhaus kommen soll mit Mann und Kind, jetzt ist alles ausgelöscht, was je zwischen uns gelegen hat.“

„Dazu ist auch alle Ursache,“ erwiderte er. „Die beiden haben ihre Feuerprobe abgelegt und bestanden. Was waren das anfangs für bescheidene Zustände! Ein Polizeilieutenant, der von seinem Gehalt leben muß, wie hieß es da anfangs sparen und arbeiten, bis die Beförderung kam! Aber Elfe ist eine Prachtfrau geworden, und sie lieben sich wie am ersten Tage. Nun ihnen auch noch das Kleine geschenkt ist, fehlt ja wohl nichts mehr zum vollkommenen Glück.“

„Weißt Du schon, daß Walden Provinzial-Steuerdirektor geworden ist?“ fragte der Geheimrat lebhaft dazwischen.

„O, ich weiß noch mehr,“ sagte Arnold, „er ist seit etwa vierzehn Tagen junger Ehemann und soll ja sehr beglückt im Besitze seiner zwar nicht mehr jungen, aber noch sehr stattlichen und schönen Frau sein.“

„Nun, das freut mich,“ sagte der Geheimrat, „freut mich aufrichtig! Das ist eine Nachricht, die mich wahrhaft beruhigt. Denn ihm gegenüber hatte ich immer ein Gefühl, als ob auch wir eine Art von Schuld an seinem Unglück trügen. Aber ich kann Deine Nachricht mit einer andern erwidern, Arnold. Weißt Du, daß unser Leo kürzlich eine Aufforderung aus seiner Vaterstadt erhielt, sich um eine erledigte Stadtratsstelle zu melden, und daß er abgelehnt hat? Warum? Ja, weil er es den Mitbürgern in dem kleinen Nest nicht vergessen will, daß sie Vertrauen zu ihm hatten, als es ihm niemand sonst schenkte, und weil ihn seine Thätigkeit dort so interessiert und befriedigt, daß er keine Veränderung wünscht. Der hat sich also mindestens ebenso sehr verändert wie seine Schwester Elfe.“

„Ich bin begierig,“ nahm die Geheimrätin das Wort, „ob wir auch unsere Lisbeth als eine andere wiederfinden, wenn sie mit euren Kindern morgen ankommt.“

„Das glaube ich nicht,“ erwiderte Arnold, und ein glückliches Leuchten ging in seinen Augen auf. „Lisbeth war von jeher auf dem richtigen Wege, sicher und ruhig in ihrer selbstlosen Güte, so reich an Verstand und Gemüt, daß sie in jeder Lebenslage das Rechte wie etwas ganz Selbstverständliches that. Ihr werdet es selbst sehen; unsere Aelteste hängt mit derselben Zärtlichkeit an der Mama wie die beiden Kleinen, und Lisbeth hat gewiß keine Ueberwindung gebraucht, um Gertruds Kind ganz und gar als ihr eigenes ans Herz zu nehmen. Sie gehört zu den Glücklichen, welche immer und ruhig nach den Gesetzen ihrer Natur handeln dürfen und keine vorsätzlichen Aenderungen nötig haben!“

Die Geheimrätin nickte gedankenvoll. „Es ist, wie Du sagst. Wir haben nicht gewußt, welchen Schatz wir an Lisbeth besaßen.“

„Nun, dafür wissen wir es jetzt um so besser,“ sagte ihr Gemahl gutgelaunt, „und hoffentlich bleibt uns noch ein Weilchen, um uns daran zu freuen. Nun sind es also noch zwei Tage, dann rückt alles ein: Lisbeth mit ihren Dreien, der Herr Bürgermeister nebst Gattin und Zwillingen und Lüdekes samt dem Allerkleinsten der Familie – alle, die es ganz anders gemacht haben, als wir es zu ihrem Glücke wollten, und die trotzdem glücklich geworden sind. Ist das nicht recht merkwürdig, Frauchen?“

„Ja,“ erwiderte sie, „es ist merkwürdig, daß man bei bestem Willen und ganz leidlichem Verstand so den falschen Weg gehen kann! Wie habe ich mir’s sauer werden lassen – erst mit der Erziehung und dann mit dem Schicksal der Kinder! Nun haben sie sich alle ihr Schicksal eigenhändig gemacht, und die Erziehung – die ist eigentlich nachträglich mir selbst zu teil geworden. Laß nur!“ wehrte sie den Widerspruch ab, der auf Arnolds Lippen schwebte. „Ich weiß ganz gut, was ich sage. Mein Horizont war enge, trotz aller Bildung, unser Kreis schien mir die Welt, und so wurde ich euch allen zum Hindernis. Aber an eurem Widerstand sind mir allmählich die Augen aufgegangen! Ihr habt mich einsehen gelehrt, daß die idealen Güter allein dem Menschen das Glück und die Befriedigung schaffen, die wir im thörichten Unverstand so oft von dem Erfolg unserer ehrgeizigen Pläne und vom Beifall fremder Menschen erwarten.“


Erfinderlose.

Salomon de Caus.

Ein Erfinder, der infolge der Verkündigung seiner neuen Gedanken für irrsinnig erklärt und als solcher grausam behandelt wird – für dieses Märtyrertum ist lange Zeit das Los des Franzosen Salomon de Caus typisch gewesen. Ein Märtyrer der Wissenschaft wie kein zweiter! Die Zeichen- und Malkunst, die dramatische und epische Dichtung hat sich dieses Stoffes bemächtigt und in der Welt der Kunst, die ihren Gestalten ein unvergängliches Leben schafft, lebt Salomon de Caus fort als ein Urbild der großen Entdecker und Erfinder, welche am Undank der Mitwelt zu Grunde gehen. Und wenn auch sein Märtyrertum sich vor der kritischen Forschung bis zu einem gewissen Grade zu einer Legende verflüchtigt hat, so bleibt ihm doch das Verdienst seiner großen Entdeckung, deren Wert, wenn auch nicht unbestritten, doch von namhaften Gelehrten anerkannt worden ist. Und ist es nicht auch ein Märtyrertum, wenn solche bahnbrechende Entdeckungen von der Mitwelt nicht beachtet werden und der Entdecker weder ihren Wert nachweisen kann, noch zur weiteren Fortbildung derselben Mittel und Wege findet?

Salomon de Caus war ein Franzose; in der Normandie, wahrscheinlich in der Nähe von Dieppe, kam er 1576 zur Welt. Man hat seine französische Herkunft in Frage gestellt; man hat ihn zu einem Deutschen machen wollen; auch hat er wirklich längere Zeit in Deutschland gelebt. Man stützte sich besonders darauf, daß die Uebersetzung seines Hauptwerkes ins Deutsche eingeleitet wird mit den Worten: „Wir geben das Werk jetzt in unserer Sprache.“ Doch das ist wohl eine Bemerkung des Herausgebers – und warum sollte ein Deutscher zuerst sein Werk in französischer Sprache schreiben? In allen seinen Widmungen nennt er sich selbst den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 882. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0882.jpg&oldid=- (Version vom 29.4.2023)