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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

von mehreren an verschiedenen Orten lebenden Männern ausgesprochen, mögen die einzelnen nun von ihren Vorgängern Kunde gehabt haben oder mag nur der Fortschritt der Wissenschaften überhaupt begabte Köpfe in verschiedenen Ländern zu verwandten Gedankengängen angeregt haben. In den von Arago so gerühmten „Raisons des forces mouvantes“ („Ursachen der bewegenden Kräfte“), dem Hauptwerk von Salomon de Caus, welches manche interessante Probleme der Mechanik aufgestellt und gelöst hat, findet sich der Satz: „das Wasser muß mit Hilfe des Feuers über sein Niveau steigen“ und die Abbildung einer Maschine, in welcher dies nachgewiesen wird. Eine hohle Metallkugel wird zum Teil mit Wasser gefüllt und ein bis nahe zum Boden gehendes Rohr dicht an der Wandung desselben befestigt, so daß mit Ausnahme der oberen Mündung des Rohres die ganze Kugel fest verschlossen ist. Wird die Kugel dem Feuer ausgesetzt, so treiben die sich in ihr bildenden Dämpfe das eingefüllte Wasser zu dem Rohre hinaus. Arago meint nun, der vorbeschriebene Apparat sei eine wirkliche Dampfmaschine, die als Schöpfmaschine dienen könnte. Es ist jedoch nicht bekannt, daß Caus von seiner Maschine einen praktischen Gebrauch gemacht hat. Die Bedeutung des französischen Ingenieurs besteht vielmehr in der Erfassung des Prinzips der Dampfkraft; er war ein großer Denker auf dem Gebiete der Mechanik. Er hat die Theorie von der Ausdehnung und Verdichtung des Dampfes, die naturgemäß zur Auf- und Niederbewegung des Kolbens, also zum eigentlichen Geheimnis der Dampfmaschine führte, in seinem merkwürdigen Buche zuerst aufgestellt. „Die Teile der Elemente vermischen sich eine Zeit lang; dann kehrt ein jedes zurück an seine Stelle.“ Das ist auch der Grund, warum sein Ruhm von einem großen Gelehrten wie Arago aufrecht erhalten wird, während ihn alle diejenigen bestreiten, die sich nur an handgreifliche Erfindungen halten. Dabei spielt auch die nationale Eitelkeit eine Rolle; denn die Engländer suchen Salomon de Caus beiseite zu schieben und an seiner Stelle ihrem Marquis von Worcester die Ehre des ersten Bahnbrechers auf diesem Gebiete zu sichern. Wie Arago nachweist, hat er aber nur die Idee von Caus weiter ausgeführt, das Wasser mittels der elastischen Kraft des Dampfes emporzuheben; nur in der Verbindung von zwei solchen Apparaten, wie sie Caus angefertigt, besteht seine Neuerung. Daß die Engländer hierbei Schüler der Franzosen sind, hat ihnen nicht bloß Arago zu verstehen gegeben, sondern auch der Maler Lecurieux, welcher, ehe die Unechtheit des Briefes der Marion Delorme nachgewiesen war, zu einer der großen Ausstellungen im Louvre ein Gemälde schickte, das den Besuch der Marion Delorme in Bicêtre farbenprächtig ausführte. Da sehen wir nicht nur die schöne Courtisane, nicht nur hinter Eisengittern den unglücklichen de Caus mit bleichem Gesicht und wildhängendem Haar; nein, auch den Begleiter der Delorme, den Marquis von Worcester, den Salomon de Caus davon zu überzeugen sucht, daß er nicht irre sei, daß er in der That eine Erfindung gemacht habe, um mittels des Wasserdampfes Maschinen zu treiben. Der irre Meister ist hier offenbar der Lehrer eines empfänglichen Schülers und seine geistige Aussaat ist auf keinen undankbaren Boden gefallen; denn dieser englische Edelmann hat ja dann in der That die französische Erfindung der Verwirklichung näher gebracht.

Ein anderer Franzose, Denis Papin, zuletzt Professor in Marburg, hat 1690 und 1695 einen Dampfapparat geschaffen, welcher mit der heutigen Kolbendampfmaschine große Aehnlichkeit hatte, aber dessen praktische Verwendbarkeit durch mancherlei Mängel beeinträchtigt wurde. Den ersten praktischen Apparat, der zur Hebung des Grubenwassers in den Bergwerken benutzt wurde, baute der Engländer Thomas Savery. Alle Ehren eines Erfinders der Dampfmaschine werden indes seit langer Zeit auf das Haupt des Schotten James Watt (1736–1819) gehäuft, welcher den ganzen Gang der Entwicklung dieser Erfindung eifrig studierte und auf die Lösung ihrer Probleme zu praktischen Zwecken seinen ganzen Eifer verwandte. Er führte den Dampf als Betriebskraft in die gewerbliche Praxis ein und erzielte damit als Associé des reichen Fabrikanten Boulton in Birmingham glänzende Resultate. Er erhielt viele Patente für wichtige Verbesserungen der Dampfapparate, und die Dampfmaschine, wie sie heutigestags besteht, ist aus seinen Studien und Erfindungen hervorgegangen.

Doch über die erfolgreichen Männer, die einer Erfindung ihren Namen und die letzte Vollendung geben, soll man nicht die Vorläufer vergessen, in denen zuerst die Keimkraft bahnbrechender Gedanken lebendig war, und zu diesen gehört auch Salomon de Caus, der lange der Vergessenheit anheimgefallen war. Unglück genug für einen in großen Dingen grundlegenden Erfinder; es bedurfte nicht erst der grellen Schicksalsverkettungen, in welche die romantische Legende sein Bild hineingezeichnet hat! Rudolf von Gottschall.     


In falscher Stellung.

Ein Mahnwort an deutsche Lehrerinnen von Helene Adelmann–London.

Innerhalb der letzten fünf bis sechs Jahre haben die Lehrerinnenvereine einen gewaltigen Umschwung in der Lage der Lehrerin geschaffen und neue Mittel und Wege zu ihrem Fortkommen eröffnet. Diese Thatsachen haben durch das mündliche und schriftliche Wort eine so allgemeine Verbreitung erlangt, daß man glauben sollte, eine jede Lehrerin, die sich in die Fremde wagen will, würde zuerst danach Umfrage halten, ob sie dort Anschluß an einen Lehrerinnenverein finden könne. Der deutsche Lehrerinnenverein in London, 16 Wyndham Place, ist in Deutschland bekannt genug, aber anstatt daß deutsche Lehrerinnen, die nach England kommen wollen – ehe noch irgend ein anderer Schritt geschieht – sich vor allen Dingen an die Vereinsleitung wenden, kommt es leider nur zu häufig vor, daß man, „um nicht aufs ungewisse zu gehen“, sich durch einen Agenten oder eine Annonce eine Stelle verschafft, die man sicher in der Tasche hat, noch ehe man den deutschen Boden verläßt. Traumhaft schön, mit allen Reizen umgeben, die eine lebhafte Phantasie auszumalen fähig ist, winkt die Stelle aus der Ferne. Wie sieht dann aber oft die Wirklichkeit aus, wenn man ihr in ihrer Ungeschminktheit und düstern Trostlosigkeit gegenübersteht! Die Erfahrungen, von denen wir auf unserm Londoner Vereinsbureau hören und welche in letzter Zeit sich erschreckend vermehrt haben, drängen uns dazu, die Warnungen vor dem unbesonnenen Annehmen von Stellen aufs neue zu wiederholen. Seit zwanzig Jahren warnen wir zwar schon und das deutsche Konsulat thut dasselbe, trotzdem zeigen die Klagen, die bei uns einlaufen, daß die Vertrauensseligkeit der Unerfahrenen heute noch so groß ist wie vor zwanzig Jahren. Ja, wenn so ein armes Menschenkind in Not und Elend sitzt, dann besinnt es sich darauf, daß es einen deutschen Lehrerinnenverein giebt, dann telegraphieren besorgte Eltern, man möchte sich doch ihres verlassenen Kindes annehmen, es da oder dort abholen und für dasselbe sorgen. Oder es kommt eine Lehrerin hier an, die Knall und Fall entlassen wurde, weil sie die Mägdedienste nicht leisten wollte, die ihr zugemutet wurden. Aber ist solchen Menschen immer zu helfen? Wie oft können wir sie auch gar nicht in den Verein aufnehmen, weil es mit ihrem Wissen und Können schlecht bestellt ist, und was bleibt ihnen dann übrig? Unser Verein ist keine Pflegeanstalt für ungenügend vorgebildete Kräfte, auch kein Asyl für solche, denen es nicht um ernste Arbeit, sondern um ein angenehmes Leben zu thun ist, bei dem ihnen die englische Sprache noch nebenbei nur so anfliegen soll. Wie manche muß schließlich mit oder ohne Hilfe des Konsulats ihren Rückweg nach Deutschland antreten, oder sie fällt den „Vereinen für notleidende Fremde“ zur Last, oder wird auch Dienstmädchen, weil sie für nichts anderes verwendbar ist!

Vor der Gründung des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins, der 56 deutsche Lehrerinnenvereine des In- und Auslandes umfaßt, war das unbesonnene urteilslose Besetzen englischer Stellen von Deutschland aus an der Tagesordnung. Seitdem ist zwischen den deutschen Vereinen im Ausland und dem Allgemeinen deutschen Lehrerinnenverein, dessen Centralstellenvermittlung sich unter sachverständiger vortrefflicher Leitung in Leipzig, Pfaffendorfer Straße 17, befindet, ein Abkommen getroffen worden, daß keine Stellen mehr im Ausland besetzt werden, wenn dort Lehrerinnenvereine bestehen, sondern die Anträge den betreffenden Vereinen zuzuweisen sind. Abgesehen davon, daß der Engländer, wenn er gewillt ist, anständig zu zahlen und seine Erzieherin gut zu behandeln, diese sehen will, ehe er sie engagiert, giebt es hier

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 884. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0884.jpg&oldid=- (Version vom 3.6.2023)