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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.


Der Schuß auf den Wal. (Zu dem Bilde S. 24 und 25.) Eine Scene von packendster Wirkung führt uns F. Lindner in seinem Bilde vor. Wir sehen da ein kleineres Segelschiff, das in den Küstengewässern des Nordatlantischen Oceans kreuzt, um auf Wale Jagd zu machen. Es ist mit einem jener Harpunengeschütze ausgerüstet, die vor etwa 30 Jahren von G. Cordes aus Bremerhaven zum erstenmal mit Erfolg in den Walfischfang eingeführt wurden. Dieselben bieten den Vorteil, daß man mit ihnen Wale verschiedener Art und Größe nicht nur „festmachen“, sondern auch sogleich schwer verwunden und töten kann; sie kürzen also den Kampf ab, der bei dem gewöhnlich üblichen Fang mit der von Manneshand geschleuderten Harpune zwischen dem „festgelegten“ Wal und den Harpunierbooten geführt wird. Das Geschoß, das von diesen Geschützen gegen die Riesen des Meeres abgefeuert wird, besteht aus einer schweren schmiedeeisernen Harpune, an der ein starkes Tau befestigt ist; am Schafte der Harpune ist noch zumeist ein besonderer Behälter mit einer Sprengladung angebracht. Wird der Wal von dem Geschoß getroffen so ergreift er die Flucht und zieht dabei die Leine straff an. Dadurch wird in dem Sprengbehälter ein Glas zerbrochen, dessen Inhalt nunmehr die Sprengladung entzündet; es erfolgt eine Explosion, durch die der Wal getötet wird. Nur in den Fällen, wo der Mechanismus versagt, muß der angeschossene Wal nach alter Weise von Harpunierbooten verfolgt werden, bis er nach und nach ermattet und verblutet. – Das Schiff auf unserem Bilde ist in die Nähe eines Wales gekommen, der, hohe Wassergarben aufwerfend, die Flut durchschneidet. Einen Augenblick bietet das Tier seinen mächtigen Rücken als Zielscheibe dar. Nun wird der Schuß krachen und mit höchster Spannung sieht die Schiffsmannschaft der kommenden Wirkung entgegen. Kein Wunder, handelt es sich doch um eine Jagdbeute, deren Erlös an Thran und Fischbein je nach der Größe des Tieres mehrere tausend Mark betragen kann.*     

’s Ringl. (Zu dem Bilde S. 33) Seitdem das Lenerl von ihrem Schatz das goldne Ringl mit den blauen Vergißmeinnichtsteinen geschenkt bekam, ist sie schon wiederholt drauf und dran gewesen, ihn ihrer besten Freundin, der Burgei, zu zeigen. Aber noch muß ihr Verspruch mit dem Jochbauernsepp eine Weile geheim bleiben, bis sich beide Elternpaare bereit fanden, zu dem Bunde ihren Segen zu geben. Der Sepp hat verlangt, daß sie gegen jedermann fein still bleiben soll bis dahin. Als die Len’ aber nun wieder mit der Burgei zusammentrifft, da überkommt sie das Verlangen mit Macht, und hinter einem Heustadel, wo sie sich ganz unbelauscht weiß, weist sie der Freundin verschämt und doch voll Seligkeit den Reif. Keine Silbe kommt dabei über ihre Lippen – ihr Wort will sie halten, das Ringl sagt so genug! Die Burgei aber lächelt verschmitzt, sie ist eine Schlaue und hat längst das Geheimnis der Freundin erraten! Doch auch jetzt will sie warten, bis es der Len’ an der Zeit scheint, sie ganz zur Vertrauten zu machen. „Ja gelt, der ist schön“, sagt sie in neckischem Tone, indem sie aufrichtig bewundernd den Goldreif betrachtet. „Den hast gewiß von Deiner God in Brixlegg bekommen, wie du neuli’ drunt’ bei ihr warst?“ Da wird das Lenerl feuerrot, – ist das Spaß oder Ernst, was die Burgei da sagt? – dann aber hebt sie den Blick treuherzig zu dieser empor und flüstert in reizender Verlegenheit: „Moanst dös wirkli’?“ ...

Die ersten Schritte.
Nach dem Gemälde von A. Jacob.

Staubwirbel und Sandtänze. In wüstenhaften Gegenden mit trockenem Klima und felsiger, sandbedeckter Oberfläche wird nicht selten eine meteorologische Erscheinung beobachtet, welche gewiß zu den seltsamsten unserer Atmosphäre gehört. In Persien, Beludschistan, im Indusgebiet, in Nevada und in einigen anderen Ländern, freilich bei weitem nicht in jeder wüstenartigen Gegend, beobachtet man alsdann bei völliger oder nahezu völliger Windstille, daß sich urplötzlich ein leichter Luftstoß bildet, der eine Handvoll feinen Staubes vom Boden rafft und in die Höhe wirbelt. Ohne äußeres Zuthun, rein aus sich selbst heraus, wächst dann diese kleine Staubsäule an, saugt den gröberen Sand des Bodens sichtlich auf, reckt sich in die Länge und Breite und beginnt zu kreisen. Bald rafft sie Gesträuch, Gras, Kies empor, Steine erheben sich und machen den Wirbel mit, und ringsum herrscht immer noch völlige Windstille und tiefes Schweigen. Die wirbelnde Säule reckt sich bei 8 bis 20 Fuß Durchmesser bis in die Wolken, und endlich setzt sie sich in Bewegung: der „tanzende Riese“ wie man die wunderlichen Gebilde in Nevada nennt, ist fertig. Anfangs langsam eilt er bald mit Windeseile über den dürren Boden hin, gern den Thalzügen folgend und mitunter lange Reisen vollendend, bevor er sich geräuschlos, wie er entstand, auflöst. Der Eindruck der ungeheuren, geisterhaft durch die stille, sonnige, windlose Gegend schreitenden Gebilde auf den Reisenden soll großartig sein, dabei haben sie nichts von der zerstörenden Gewalt der Tromben und auch niemals die trichterförmige Gestalt der Wasser- und Windhosen. Manchmal kann man mehrere solcher Säulen zugleich sehen: Cook zählte in Indien ihrer zwanzig an einem windstillen Tage in dem von hohen Bergen eingeschlossenen Thale Mingochac. Selten richten die wandernden Staubtänzer Unheil an, da ihre Massen gering sind und man ihnen leicht ausweichen kann, dennoch soll es schon vorgekommen sein, daß überraschte Wanderer von ihnen ergriffen und mitgenommen wurden. Die Vorbedingung ihres Entstehens ist ein heißer, trockener Tag mit einer Atmosphäre, die stark von Elektricität erfüllt ist. Wenn beim Schwellen des Indus sein Wasser überzutreten und in den alten Kanal zu fluten beginnt, der zur Bewässerung des oberen Stromgebietes angelegt ist, so pflegt der vorschreitenden Flutwelle auf die Entfernung einiger Kilometer eine solche gewaltige Staubsäule voranzugehen. Vielleicht wird die genauere Erforschung dieser Staubwirbel einst den Schlüssel zur Erklärung der bekannteren Wirbelerscheinungen, wie Tromben, Wasserhosen, Tornados, Cyklonen u. dergl., liefern. Bw.     


Inhalt: Trotzige Herzen. Roman von W. Heimburg (1. Fortsetzung). S. 21. – Der Schuß auf den Wal. Bild. S. 24 und 25. – Ein Streit um die Stunde. Eine Zeitbetrachtung von Dr. H. J. Klein. S. 27. – Die Sängerin der Heimatliebe. Ein Besuch der Heimstätten Annettens von Droste-Hülshoff. Von Victor Schmitt. S. 28 Mit Abbildungen S. 21, 28, 29, 30 und 31. – Die Hansebrüder. Roman von Ernst Muellenbach (Ernst Lenbach) (1. Fortsetzung.) S. 31. – ’s Ringl. Bild. S. 33. – Blätter und Blüten. Der Schuß auf den Wal. S. 36. (zu dem Bilde S. 24 und 25.) – ’s Ringl. S. 36 (Zu dem Bilde S. 33.) – Staubwirbel und Sandtänze. S. 36. – Die ersten Schritte. Bild. S. 36.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_036.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)