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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Nr. 6.   1897.
Die Gartenlaube.
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Jahresabonnement: 7 M. Zu beziehen in Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf., auch in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.

Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Trotzige Herzen.
Roman von W. Heimburg.

(5. Fortsetzung.)

Wochen vergingen und es blieb alles beim alten. Aenne hatte ihren Verlobten nur selten gesehen, er war völlig in Anspruch genommen von seinem Beruf infolge der Anwesenheit des Herzogs, der ohne Günthers Begleitung keinen Pirschgang unternahm. Zu einer Aussprache hatte sie keine Gelegenheit gefunden, aber auch den Mut nicht. Wenn sie in seine Augen blickte, die stets einen Schimmer von Rührung und Zärtlichkeit bekamen, sobald sie auf ihr ruhten, preßte ihr die Angst den Mund zu. Was sollte dann werden, wenn er ihr antwortete: „Nein, Aenne, nein – laß uns auseinander gehen, ich weiß, was es heißt – ohne Liebe heiraten!“

Ja, was sollte dann werden? Weiter leben im Hause der Eltern? Unter den Augen von Heinz, in der Erfüllung der geringen Pflichten, die nicht den tausendsten Teil ihrer jungen Kräfte erforderten? Nein! Andere Arbeit brauchte sie, schwere Pflichten, die sie so in Anspruch nahmen, daß sie nicht Zeit fand, nach rechts und links zu sehen! Erst nach der Hochzeit wollte sie ihm alles sagen, dann mußte er sie behalten, mußte Geduld mit ihr haben!

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Droben im rechten Flügel des Schlosses, den der Regierende zu Jagdzeiten bewohnte, schimmerte allabendlich die Reihe der hellen Fenster in die Nacht hinaus, und auf dem sonst so stillen Schloßplatz war reges Leben. An den Straßenecken klebten Programme: „Herzogliches Hoftheater zu Breitenfels“, vor dem Gasthofe droben hielten abends lange Reihen von mehr oder minder feinen Equipagen, denn die Bewohner der umliegenden Städtchen, Dörfer und Rittergüter kamen, um den Vorstellungen beizuwohnen, die für sie einen seltenen Genuß boten. Es war ja anerkannte Thatsache, daß das herzogliche Hoftheater über vorzügliche Kräfte verfügte.

Aenne saß beinahe jeden Abend in der Loge der herzoglichen Beamten auf einem der beiden Plätze, die dem Oberförster gehörten; den andern Platz nahmen abwechselnd Fräulein Stübken, die Mutter oder Tante Emilie ein; Aenne war es gleichgültig – wer. Sie sah und hörte nicht, was sonst um sie her geschah, sie ging völlig auf in den Tönen, und hier allein vergaß sie ihre ewig quälenden Gedanken.

Diese Plätze befanden sich in den Seitenlogen des zweiten Ranges des winzigen Theaterchens. Es war heiß dort innen und dunkel, Aenne merkte es nicht. Gegenüber, auf seiten der Herzogin-Mütter, sah sie in der Prosceniumsloge Abend für Abend die hohe Frau mit ihren Hofdamen, Frau von Gruber, Fräulein von Ribbeneck,

Fischauktion in Geestemünde.
Nach einer Photographie von W. Sander und Sohn in Geestemünde gezeichnet von Fritz Bergen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_085.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2016)